Horn-Bad Meinberg. Grünkohl steht auf dem Tisch, daneben dutzende Spezialitäten, die Kinder freuen sich über Geschenke. Auf den ersten Blick sieht es aus wie Weihnachten im Juli. Bayram, das Fest des Fastenbrechens, hat eine gleich hohe Bedeutung im Islam. Und für die Familien beginnt mit dem Ende der Fastenzeit in dieser Woche ein Feier-Marathon.
Haki und Nazife Cabuk ist die Freude anzusehen. Ihre Kinder, Enkel, Freunde, Cousinen – im Wohnzimmer in Horn ist jeder Platz besetzt, nicht einer spricht, sondern alle mit allen. Deutsch, Türkisch und beides zusammen. Die Frauen bringen Platten, Schüsseln, Schalen, und es sind vor allem süße Gebäckteile. Bayram, so erklärt es mir Serkan Cabuk, wird auch als „Zuckerfest" bezeichnet. Morgens beten die Männer in der Moschee, dann wird mit der Familie gefrühstückt. Gegen Abend kommen die Gäste grüppchenweise vorbei, bleiben ein Weilchen und ziehen zum nächsten weiter. Drei Tage lang sind alle irgendwie unterwegs oder selbst Gastgeber.
Am Dienstag sind es Haki und Nazife Cabuk, die im Mittelpunkt stehen. Die jüngeren küssen Haki Cabuk die Hand, ein Zeichen des Respekts. Seine Frau wird in den Arm genommen und in allem unterstützt. Stundenlang hat sie gemeinsam mit ihren Töchtern in der Küche gestanden und die Baklava, „süßen Rosen", Blätterteigtaschen, Minikrapfen, Pralinenkügelchen und vieles mehr hergestellt.
Alles ist in kleine Portionen eingeteilt, und Önder Isik, der neben mir sitzt, gibt zu, dass er nur sehr wenig essen kann. „Nach dem Ramadan muss sich der Körper an den anderen Rhythmus gewöhnen. Hunger hat man eigentlich nicht." Im Fastenmonat der Muslime, der immer im neunten Monat des islamischen Mondkalenders liegt, hat Önder Isik auch ausgesetzt, andere Familienmitglieder haben es stringent durchgezogen. Streit darum gibt es nicht. „Das muss jeder für sich entscheiden, und wenn jemand es nicht tut oder aussetzt, dann hat er Gründe, die wir respektieren", sagt Serkan Cabuk.
Ebenso sei es, wenn es um Politik geht oder darum, wie sich die Frauen kleiden wollen. Die Töchter der Cabuks tragen Jeans, Tops, offene Haare, eine Freundin wiederum trägt Kopftuch und ein langes Gewand, eine Abaya. Dazwischen sitzt der 16-jährige Muhammed Ali, der in Blomberg lebt und sich entschieden hat, den Koran zu studieren. Sein Bart, die weiten schwarzen Hosen, das Leinenhemd – als mein Blick darauf fällt, weiß er sofort, was ich unwillkürlich denke. „Das, was die Islamisten anrichten, hat mit dem Koran nichts zu tun. Und die, die die Attentate verüben, kleiden sich nicht auffällig", sagt er. Fünfmal am Tag betet er. Wenn er etwas über den Koran lernen will, muss er von Blomberg nach Horn fahren, weil es nur dort eine Moschee und eine aktive Gemeinde gibt. Seine Familie ist stolz auf ihn, begleitet ihn aber auch aufmerksam. „Er ist jung, und da besteht immer die Gefahr, dass man sich beeinflussen lässt und den falschen Weg einschlägt", stellt seine Tante Nesrin fest.
Nach einer Stunde ist Aufbruchszeit für einen Teil der Gäste. Süßigkeiten gibt es noch in großen Mengen, und die grünen Röllchen habe ich mittlerweile auch für mich entdeckt. Es ist Grünkohl, der mit Reis, Gewürzen und gebratenen Zwiebeln gefüllt ist. Und der Kohl ist aus der Türkei. „Er wächst da sehr gut. Und der Nikolaus, der Bischof von Myra, kommt ja auch aus der Türkei – insofern hat das schon ein bisschen was von Weihnachten, die türkische Version eben", sagt Serkan Cabuk.