Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Kreis Lippe

Frauen im Handwerk sind eine Seltenheit

Kreis Lippe. Als Elisabeth Brocke sich dazu entschloss, in die Firma ihres Vaters einzusteigen, war das eine kleine Sensation. Vor 44 Jahren war es durchaus unüblich, dass Frauen ein Ingenieursstudium im Bereich Heizung, Sanitär absolvierten. „Sie schaffen das nie. Putzen Sie die Tafel, dann haben Sie wenigstens was Hauswirtschaftliches mitgenommen", erklärte ihr Professor in Köln damals. Doch er irrte, Elisabeth Brocke ist Vorsitzende der „Unternehmerfrauen im Handwerk". Im Kreis Lippe werden Mitstreiterinnen gesucht.

Elisabeth Brocke erlebt auch heute noch, dass Kunden, die sie nicht kennen, am Telefon davon ausgehen, dass sie „die Ablage macht und Kaffee kocht". Sie nimmt das mit Humor, sagt aber auch, dass es zeigt, dass Frauen, die im Handwerk arbeiten, heute immer noch Exoten sind. Woran es liegt, dass auch in ihrem Gewerbe kaum Bewerberinnen anklopfen, dafür, so sagt sie, gibt es mehrere Gründe.

Information

Der Vorstand

Die „Unternehmerfrauen im Handwerk" (UFH) gibt es seit 18 Jahren mit Sitz in Paderborn. 1998 war es der größte Arbeitskreis in Nordrhein-Westfalen. Im Kreis Lippe haben sich die Mitglieder getroffen, die Firma Wortmann besichtigt und einen neuen Vorstand gewählt.

Petra Marschewski-Wecker, Ulrike Rhode, Dagmar Korte-Schöning, Elisabeth Brocke, Birgit Peters, Nicole Raabe, Heike Klaas, Cornelia Müller und Andrea Hegerbekermeier, die stellvertretende Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft, leiten die UFH.

In vielen Handwerksberufen müssen schwere Sachen gehoben werden. „Wenn eine Frau da sagt, dass sie das nicht kann, dann hat sie gleich einen Stempel. Und wer Heizung und Sanitär macht, arbeitet auch auf großen Baustellen – da gibt es keine getrennten Toiletten. Das klingt banal, ist es aber nicht", sagt Brocke. Und Frauen, die eine Familienpause einlegen möchten, seien für kleinere Betriebe ein Problem. „Sie haben nicht mal eben einen, der einspringen kann. Das ist bei Banken oder Verwaltungen was ganz anderes."

Die Frauen, die sich im Netzwerk zusammengeschlossen haben, wollen zeigen, dass im Handwerk vieles trotzdem machbar ist. „Man muss dann auch mal unkonventionellere Lösungen finden und über den Tellerrand schauen", sagt die Ingenieurin. Auch dazu dienen die Treffen der 90 Netzwerkerinnen, die aus allen Branchen kommen und sich bislang nur in Paderborn getroffen haben.

„Dazu gehören auch die Frauen, die ihren Männern den Rücken frei halten und den Handwerksbetrieb organisieren. Sie sind nicht die Handlanger, sondern müssen zum Beispiel über Änderungen im Steuerrecht oder Neuerungen im Arbeitsrecht informiert sein", sagt Brocke.

Die bei der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe eingerichtete Geschäftsstelle organisiert das Jahresprogramm und lädt zu den Veranstaltungen des Arbeitskreises ein. „Durch den monatlichen Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten sowie Seminare, Vorträge, Exkursionen oder Betriebsbesichtigungen gewinnen wir neue Kenntnisse und Eindrücke, die uns helfen, die Aufgabenvielfalt einer Unternehmerfrau im Handwerk zu erfüllen", erklärt Geschäftsführerin Ulrike Rhode.

Weitere Informationen gibt es unter Tel. 05251-700120 und unter www.kh-online.de unter der Rubrik „Frauen im Handwerk".

Kommentar: "Trommeln ist Werbung"

von Astrid Sewing

Im Handwerk wird oft darüber geklagt, dass gerade kleinere Betriebe Probleme haben, Azubis zu finden und es gleichzeitig einen Run auf die akademische Ausbildung an Fachhochschulen und Universitäten gibt. Die Zahlen sprechen da für sich: In Deutschland gibt es 18.044 verschiedene Bachelor-Studiengänge, aber lediglich 320 Ausbildungsberufe.

Für Frauen ist die akademische Ausbildung in technischen Berufen auch attraktiver. Anschließend können sie sich in größeren Firmen bewerben und haben da ganz andere Möglichkeiten, wenn sie in die Familienzeit eintreten. Wer große Abteilungen hat, kann mit dem Personal besser jonglieren und auch die Wiedereingliederung besser organisieren. Wenn das Handwerk also mehr Frauen gewinnen will, dann müssten die Voraussetzungen verbessert werden.

Und es ist wichtig, dass die Frauen, die den Weg eingeschlagen haben, auf sich aufmerksam machen. Die „Unternehmerfrauen im Handwerk" sind nicht das Anhängsel ihrer Ehemänner und Partner, sondern leiten Betriebe, beraten Kunden in technischen Fragen und organisieren. Nebenbei managen sie auch noch die Familie. Das sind Karrierebeispiele, die 2016 noch eher unbekannt sind. Und das sollte zu denken geben, denn bereits seit 1948 ist die Gleichberechtigung im Grundgesetz verankert. Also heißt es: Trommeln ist Werbung, und die hilft dem Handwerk.

Copyright © Lippische Landes-Zeitung 2025
Inhalte von lz.de sind urheberrechtlich geschützt.
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Chefredaktion.