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Detmold

Musikwissenschaftler und Informatiker arbeiten gemeinsam am Projekt "Freischütz Digital"

Detmold. Geht es um digitale Herausgabe von Musik, schaut die Welt nach Detmold. Das Musikwissenschaftliche Seminar Detmold/Paderborn hat Musikwissenschaftler und Informatiker zusammengebracht und eine führende Software entwickelt.

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt "Freischütz Digital" unter der Leitung von Prof. Dr. Joachim Veit ist ein Beispiel innovativer Edition, die die graphische, logische und akustisch-performative Bedeutung des Werkes ins Zentrum stellt. Nicht fertige Ergebnisse, sondern völlig neue Zugangsformen erschließen sich.

Tim Hüttemeister (23) studiert in Detmold Dirigieren und hat für eine Aufführung der Freischütz-Ouvertüre mit der Philharmonie Südwestfalen erstmals die digitale Edition genutzt. Allein in der Ouvertüre entdeckte er so 95 Fehler im konventionellen Notentext.

Da die Oper in der Gesamtausgabe erst im Herbst erscheint, fertigte er daher kurzerhand eigene Orchesterstimmen an. Er bereinigte die Noten von Schreib-, Kopier- und Druckfehlern sowie nachträglichen Zusätzen. Die Abweichungen beziehen sich besonders auf differenzierte Vortragsbezeichnungen wie Dynamik, Artikulation und Phrasierung, auf die Weber großen Wert legte, die jedoch im Druck meist vernachlässigt wurden.

Das Autograph schreibt den Instrumenten in einem Takt zum Beispiel unterschiedlichste Lautstärken vor, die der Druck ignoriert. Weber kannte noch das Spiel der freien Bogenführung, die die Streicher heute oft auch aus optischen Gründen vereinheitlichen. Dabei geht die differenzierte Phrasierung der Einzelstimmen verloren.

Die eingespielten Profimusiker staunten bei der Probe nicht schlecht, als Hüttemeister mit anderen Noten und Spielanweisungen ankam. Schließlich überzeugte das feine lebendigere Klangergebnis. Leider hinterfragen viele Musiker heute kaum noch den gedruckten Notentext. Dabei wimmelte der Erstdruck der Oper 1849 von Fehlern.

Professor Veit freut sich, dass ein junger Dirigent das Autograph befragt hat. Nur so könnten neuste musikwissenschaftliche Erkenntnisse in der Praxis fruchtbar werden, erklärt er. Das Feedback aus der Musikpraxis ist auch für die Wissenschaft wichtig.

"Das Studium der Originalnoten muss Bestandteil der Dirigentenausbildung werden", sagt Hüttemeister. Zum Glück motiviere Dirigierprofessor Florian Ludwig dazu, neue Forschungsergebnisse zu berücksichtigen und werde Werke von Weber nun öfters erarbeiten.

Information
"Freischütz Digital"

Eine detaillierte Beschreibung des Projektes findet sich hier: http://freischütz-digital.de. Dort ist das Autograph der 1821 in Berlin uraufgeführten Erfolgsoper "Der Freischütz" von Carl Maria von Weber (1786-1826) neben acht von Weber autorisierten Abschriften einzusehen, die einen taktgenauen Vergleich ermöglichen. Erstmals wird auch die akustische Seite einbezogen, indem ausgewählte Einspielungen einen Interpretationsvergleich erlauben. Außerdem gibt es Verknüpfungen zu umfangreichen Quellen der Weber-Gesamtausgabe, die in Detmold und Berlin ihre Heimat hat. Seit 1998 wird die wissenschaftlich-kritische Ausgabe herausgegeben, die bis 2026 zum 200. Todestag des Komponisten sämtliche Kompositionen, Briefe, Tagebücher und ein Werkverzeichnis umfassen soll.

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