Starke Kritik an Frühförderungszentrum-Plänen

Kreis Lippe. Wenn bei Kindern eine Entwicklungsstörung vorliegt, helfen ihnen Pädagogen in den drei Frühförderstellen in Lippe und Therapeuten vor Ort. Ergänzend werden die Klinikum Lippe GmbH und der Mitgesellschafter DRK nun ein Interdisziplinäres Frühförderzentrum (IFF) am Krankenhaus Detmold ins Leben rufen. Kinderärzte kritisieren dies scharf, bestehende Frühförderstellen setzen auf Kooperation.

Dies sind neben dem DRK der Verein Frühförderung Detmold und die Lebenshilfe Lemgo. Sie arbeiten mit den Kindern heilpädagogisch, finanziert durch den Kreis. Wenn zusätzlich Ergo- oder Physiotherapien nötig werden, übernehmen das die Krankenkassen.

Das Budget dafür ist seitens der Kassen nicht begrenzt. Ein Konzept des Miteinanders sei wichtig, sagte Regina Stipp vom DRK. Brigitte Runte, Vorstandsvorsitzende des Detmolder Vereins: &bdquo;Es gibt bislang keine Wartezeiten, die fachliche Qualität der Förderung ist hoch." Dies werde leider nicht in der Verwaltungsvorlage berücksichtigt, von der sie zufällig erfahren habe.

Aufsuchende Hilfen zu Hause seien gerade im ländlichen Raum sinnvoll, längst nicht jeder könne zu Therapien nach Detmold fahren. Irene Priebe-Wiethaup von der Lebenshilfe Lemgo erwartet, dass niederschwellige, ambulante Frühförderung auch zukünftig möglich sein wird. Eine gute Zusammenarbeit mit den Therapeuten in der Region gebe es seit Jahren. Das Versorgungssystem sei &bdquo;hoch qualifiziert", schreiben die beiden Vereine.

Dass der Kreis von bisher &bdquo;lediglich solitärer pädagogischer Versorgung" spreche, sei &bdquo;auf das gewünschte Ziel hin" sehr verkürzt dargestellt. Die Kooperation mit dem Kreis als Kostenträger sei seit 35 Jahren sehr gut. Die Frühförderstellen setzen auf einen Gesprächstermin Anfang Dezember, zu dem Karl-Eitel John, Fachbereichsleiter des Kreises Lippe, schon vor der Entscheidung im Kreistag eingeladen hatte. Kinderärzte kritisieren die Pläne scharf.

Sie sehen einen &bdquo;Paradigmenwechsel ohne Not" in der Förderung und fürchten eine &bdquo;deutliche Verschlechterung der Versorgung dieser Kinder". Ein IFF sei keinesfalls am besten geeignet, um abgestimmte Behandlungskonzepte anzubieten, sagt Dr. Hans Broede, Obmann der lippischen Kinderärzte.

Er ist überzeugt: &bdquo;Aufsuchende Hilfen und ergänzende Therapien sind mindestens gleich gut." Das System sei bewährt und vorbildlich, das IFF &bdquo;Ressourcen- verschwendung". Konkurrierende Parallelstrukturen aufzubauen sei bedauerlich. &bdquo;Andere Kreise sind neidisch darauf, wie gut es hier funktioniert."

Wenn es Geld und Energie für neue Angebote gebe, sollten die bestehenden aufgestockt werden. Den Gesprächstermin sieht er mit Skepsis: &bdquo;Der Kreistag hat ja schon Fakten geschaffen." Völlig offen sei, nach welchen Kriterien der Gesundheitsdienst des Kreises entscheide, ob ein Kind wie bisher zuhause oder im IFF behandelt werde, wenn der Arzt eine Entwicklungsstörung festgestellt habe.

Mediziner wirbt für das Zentrum Die GmbH-Gründung der KLG in Kooperation mit dem Roten Kreuz hat der Kreistag beschlossen. Im Interdisziplinären Förderzentrum (IFF) arbeiten medizinische, therapeutische und pädagogische Fachkräfte zusammen. Ziel ist, Fehlentwicklungen und Behinderungen frühzeitig zu erkennen.

Professor Dr. med. Thomas Brune, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin, warb im Kreistag eindringlich, ein IFF zu gründen. &bdquo;Wartezeiten in Minden, Paderborn oder Bielefeld sind nicht mehr zumutbar. Wir sind in OWL der einzige Kreis ohne ein solches Zentrum. Die Komplexbehandlung fehlt hier." Maßgeschneiderte Hilfsprogramme in fünf/sechs Fachdisziplinen seien wichtig, jedes Kind brauche eine andere Therapie.

&bdquo;Das ist mit Besuchen zuhause oft nicht zu erreichen." Und es würden immer mehr Kinder geboren, die besondere Hilfe benötigen. &bdquo;Die Zahl der Risikogeburten steigt, denn die Mütter werden älter. Und bei Kindern von Migranten werden Defizite oft erst bei der Einschulung deutlich." Von den 2200 in diesem Jahr geborenen Kindern hätten 450 auf der Intensivstation behandelt werden müssen.

Ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Heil- und Sozialpädagogen, Motopäden sowie Sprach- und Physiotherapeuten, Logopäden und eine Verwaltungskraft sollen im IFF am Klinikum Detmold arbeiten.

Kommentar: "Hilfe vor Ort ist wichtig" von Martin Hostert Das Frühförderzentrum kommt. Zwar hatten alle schon miteinander gesprochen. Doch das konkrete Konzept erst Anfang Dezember – anderthalb Monate nach der Kreistagssitzung – vorstellen zu wollen, ist schon unglücklich, das hätte besser laufen können.

Im Interesse der Kinder und der Eltern sollten bald alle Unklarheiten ausgeräumt werden, um gemeinsam an dem obersten Ziel zu arbeiten: Die Versorgung derjenigen Kinder zu sichern, die besondere Hilfe benötigen. Das kann zu Hause gut für sie sein – das kann in einem Zentrum im Klinikum gut für sie sein. Nicht jeder kann aus dem Kalletal oder aus Sabbenhausen für eine Behandlung mit einem kleinen, womöglich schwerstbehinderten Kind regelmäßig nach Detmold fahren.

Gut, dass sowohl Karl-Eitel John für den Kreis Lippe als auch Chefarzt Professor Thomas Brune fürs Klinikum unmissverständlich klargestellt haben, dass das geplante stationäre Hilfsangebot eine Ergänzung zu den seit Jahren etablierten ambulanten Hilfen vor Ort ist. Das hat im Vorfeld bei den betroffenen Vereinen für Unruhe gesorgt, die sie in deutlichen Worten artikuliert haben.

Der Kreis wird sich an diesem Versprechen messen lassen. Schließlich ist die Stärkung des ländlichen Raumes ja auch eines der Top-Ziele des Landrates, eine Schwächung der Förderangebote für Kinder vor Ort wäre indes alles andere als das. Das Klinikum Lippe rundet mit dem Interdisziplinären Frühförderzentrum das Angebot seiner sehr gut aufgestellten Familienklinik ab, sein Interesse ist auch mit Blick auf konkurrierende Kliniken in OWL verständlich.

Von einer &bdquo;nachhaltigen Verbesserung", wie es der Kreis formuliert, mögen die niedergelassenen Kinderärzte jedoch ganz und gar nicht reden. Sie sorgen sich um die &bdquo;bestens aufgestellte Frühförderung" in Lippe. Ihre deutlichen Worte zeigen, wie weit die Meinungen auseinander liegen. Anfang Dezember gibt es viel zu reden.

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