Verdi fürchtet „Ausgliederungs-Gespenst“ im Klinikum Lippe

Kreis Lippe. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi befürchtet, dass das Klinikum Lippe bis zu 100 der 2800 Beschäftigten ausgliedert, die meisten in die Tochterfirma, den Servicebetrieb &bdquo;aLD". Landrat Dr. Axel Lehmann als Aufsichtsratschef erwartet dagegen Einsparungen durch &bdquo;klarere und effizientere Abläufe".

Laut Verdi sind Kollegen aus den Bereichen Patienten- und Materialtransport, Reinigung, der Bettenzentrale und dem Haus- und Hofdienst betroffen. Sie sieht Verunsicherung der Beschäftigten, Verdichtung der Arbeit und Auswirkungen auf die Qualität der Patientenversorgung.

&bdquo;aLD"-Mitarbeiter werden nicht nach dem Tarif des Öffentlichen Dienstes (TVöD) bezahlt, sondern weniger gut nach dem &bdquo;aLD"-Haustarif. Lehmann betont jedoch: &bdquo;Für die Leute ändert sich in Sachen Lohn, Urlaub oder Altersversorgung nichts. Da gibt es Besitzstandswahrung." Nur neu Eingestellte würden nach Haustarif bezahlt. Im übrigen zahle die aLD &bdquo;deutlich über Mindestlohn." Lehmann sprach von 60 Stellen (&bdquo;das sind etwas mehr Beschäftigte"), über deren Ausgliederung morgen im Aufsichtsrat gesprochen werde. &bdquo;Ob es zu einer Entscheidung kommt, weiß ich nicht. Ich trage diese Idee der Geschäftsführung grundsätzlich mit." Einsparungen seien wichtig: &bdquo;Wir brauchen schwarze Zahlen, wenn das Klinikum Standort der Maximalversorgung bleiben soll." Der Weg sei angesichts bevorstehender 60-Millionen-Investitionen und 70 neuen Stellen nicht einfach. Entgegen den Aussagen mancher könne von Privatisierung keine Rede sei. Diese gebe es mit ihm generell nicht. Im übrigen seien Wechsel in die andere Richtung möglich. Etwa zehn &bdquo;patientennah arbeitende Mitarbeiter" könnten von der aLD zur KLG wechseln.

Ein Pflegehelfer nannte die Maßnahme gegenüber der LZ &bdquo;unsozial". &bdquo;Gab es bis dato nur unterschiedlich bezahlte Abteilungen, werden in Zukunft ein gut und ein schlechter bezahlter Kollege exakt die gleiche Tätigkeit, Seite an Seite und ansonsten vollkommen gleich, verrichten", sieht er die Schattenseite der Besitzstandswahrung. Die Maßnahmen würden den Betriebsfrieden &bdquo;nachhaltig" beschädigen. Verdi sieht ein &bdquo;Outsourcing-Gespenst" (&bdquo;welcher Bereich wird der nächste sein?") und ruft für heute, 12.45 Uhr, zu &bdquo;aktiven Mittagspause" vor den Krankenhäusern in Detmold und Lemgo auf. &bdquo;Wenn der Aufsichtsrat den Plänen der Geschäftsführung zustimmt, werden Aktionen folgen. Wir werden alles daransetzen, dass die Kollegen beim Klinikum bleiben können", erläutert Walburga Erichsmeier (Verdi). Es frage sich, wer darüber entscheidet, wer patientenfern oder -nah arbeitet. &bdquo;Die Fachleute im Betrieb wurden bislang nicht gefragt. Wieso, mit welchem Ziel?" Wirtschaftlich bringe das Ganze kurz- bis mittelfristig nichts.

Das Thema steht am Mittwoch in der Aufsichtsratssitzung auf der Tagesordnung, in der die Kreistagskoalition aus SPD und CDU gegen Arbeitnehmervertreter, Linke und Grüne und FDP keine Mehrheit hat.

Mai 2012: KLG will Privatisierung Die &bdquo;aLD" (ahr Lippe Dienstleistungs GmbH) gehört zu 51 Prozent der Klinikum Lippe GmbH, zu 49 Prozent dem Mitgesellschafter &bdquo;ahr". Sie ist unter anderem zuständig für Patiententransport und Stationsservice. Vor fünf Jahren hatte die KLG Pläne gehegt, aufgrund von Tarif-Streitigkeiten die Kreis-Anteile zu verkaufen. Es gab erbitterten Widerstand von Verdi, auch die damals von Dr. Axel Lehmann geführte SPD-Kreistagsfraktion hatte vehement protestiert, unter anderem mit Hilfe des Arbeitsministers Guntram Schneider. Der Tarifstreit wurde schließlich durch einen Schlichter beendet.

Kommentar: &bdquo;Der Spagat ist schwierig" von Martin Hostert Seit zwei Jahren steht Sozialdemokrat Dr. Axel Lehmann an der Spitze des Aufsichtsrates der Kreis-Einrichtungen – und er merkt zunehmend, dass die quasi natürliche Freundschaft Gewerkschaft/SPD ihn nicht vor Verdi-Kritik schützt. Für ihn gilt es, den Spagat zwischen den wirtschaftlich notwendigen, nicht immer beliebten Maßnahmen auf der einen und den Erwartungen der Stammwählerschaft auf der anderen Seite zu schaffen. Dazu gehört sein Versprechen, dass Privatisierungen tabu sind.

Dazu gehört auch, dass Mitarbeiter der Servicegesellschaft für die gleiche Arbeit weniger Geld verdienen als diejenigen, die jetzt vom Stammhaus in ihre Firma wechseln sollen – nicht eben ein sozialdemokratischer Grundsatz. Aber: Der von Städten und Kommunen finanzierte Kreis muss den Rettungsdienst organisieren, Autos zulassen oder Berufsschulen tragen. Krankenhäuser und Seniorenheime hingegen gehen on top – meist historisch wohlbegründet. Sie zu führen, ist in Lippe glücklicherweise unumstritten, gelegentlich hatte in früheren Jahren mal die FDP vorsichtig nachgefragt.

Dennoch: Diese Aufgaben bedürfen einer breiten Zustimmung der Bevölkerung und letztlich der Politik. Damit das so bleibt, müssen Geschäftsführung und Aufsichtsrat ständig nach dem Rechten sehen, die Häuser auf dem neuesten Stand halten und Ausgaben kontrollieren – zuweilen eben gegen Verdi-Grundsätze. Landrat zu sein ist eben nicht immer ein Zuckerschlecken.

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