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Kriminalstatistik: Lippe ist der sicherste Kreis in NRW

Astrid Sewing

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Symbolbild Kriminalität - © Pixabay
Symbolbild Kriminalität (© Pixabay)

Kreis Lippe. Die Lipper fühlen sich nicht sicher, aber sie sind es – zumindest, wenn es nach der Statistik geht. Die Polizei hat gestern die Zahlen für 2018 vorgelegt. Demnach ist die Zahl der Straftaten von 14.511 (2017) auf 13.361 gesunken. Das ist in Lippe der niedrigste Wert seit 20 Jahren. Ein besonders sensibles Thema sind die Wohnungseinbrüche. Auch ihre Zahl sinkt, was die Polizei auch auf eine besondere Taktik zurückführt.

Einbrüche

Das Thema wird oft von Bürgern vorgetragen. „Bürger sprechen uns an und klagen darüber, dass die Kriminalität steigt. Das Gegenteil ist der Fall", sagt Polizeidirektor Bernd Stienkemeier. Es gebe viele Nachfragen, wie man Haus oder Wohnung absichern kann. „Leider gibt es in Deutschland keine Verpflichtung, diese Sicherheitsaspekte beim Bau mit zu planen", sagt Kriminaloberrat Wolfgang Pader. In den Niederlanden sei das anders. Wer dort baut, muss die Sicherheitstechnik berücksichtigen. An den Einbruchszahlen lasse sich ablesen, dass sich die Investition lohnt und auch die Lipper Geld in die Hand nehmen, um ihr persönliches Umfeld zu sichern. „2018 gab es 341 Anzeigen wegen Einbruchs, in knapp der Hälfte der Fälle blieb es beim Versuch", sagt Stienkemeier. Im Jahr zuvor seien 467 Anzeigen eingegangen.

Grafik Kriminalitätsentwicklung - © Grafik: Maren Brettmeier
Grafik Kriminalitätsentwicklung (© Grafik: Maren Brettmeier)

Die Polizei habe vor allem in Bad Salzuflen eine besondere Taktik verfolgt. Mehr Kontrollen durch uniformierte Beamte und Zivilfahnder hätten sich bewährt. „Das schreckt ab, es spricht sich in den Kreisen schnell herum", meint Stienkemeier. Unbefriedigend sei die Aufklärungsquote von 12,9 Prozent. „Hier müssen wir uns deutlich steigern. Wir sind auf Hinweise angewiesen und möchten darum bitten, wenn etwas verdächtig ist, sofort 110 anzurufen."

Missbrauch

Die Fälle von sexuellem Missbrauch steigen – und das, obwohl die Taten in Lügde noch nicht mitgerechnet wurden. „Es ist noch nicht klar, wie und in welche Statistiken das einfließen wird, denn die Kinder kamen nicht nur aus Lippe, es sind Straftaten, die Jahre zurückliegen", sagt Pader. Abgesehen von diesem Aufsehen erregenden Verbrechen sei 2018 in 63 Fällen ermittelt worden, zwei Mal nach Anzeigen aus der eigenen Familie. „Ein Großvater und ein Vater hatten sich an Kindern vergriffen", stellt Pader fest. Dass die Fallzahl insgesamt steige, liege an den technischen Möglichkeiten und der besseren internationalen Vernetzung. Das Landeskriminalamt werte Hinweise aus den USA in Bezug auf Kinderpornografie aus. „Wir übernehmen die Ermittlungen, wenn es Hinweise darauf gibt, dass es Täter in Lippe gibt", erklärt Stienkemeier.

Betrug

Es wird oft berichtet, und trotzdem finden „Enkeltrick-Betrüger" immer noch Opfer. Hier sei der Ermittlungsaufwand sehr hoch, die Aufklärungsquote allerdings gering. „Das sind Callcenter, die sich darauf spezialisiert haben, das Vertrauen älterer Menschen zu gewinnen. Die Drahtzieher zu erwischen, ist außerordentlich schwierig", so Stienkemeier. In Lippe habe es in der vergangenen Woche einen Fall in Schlangen gegeben. „Wir konnten die Geldübergabe verhindern, aber die Täter nicht fassen." Die Polizei wolle noch mehr Aufklärungsarbeit leisten und vor den Tricks der Ganoven warnen.

Jugendkriminalität

Nimmt man die Gesamtzahl aller Tatverdächtigen, sind fast ein Viertel im Alter zwischen 14 und 21 Jahren. Vor allem Diebstähle und Körperverletzungen gehen auf ihr Konto. Im Vergleich zu 2017 sank die Zahl um 6,2 Prozent, was die Polizei nicht allein darauf zurückführt, dass der Anteil der Jungen an der Bevölkerung insgesamt schrumpft. Vielmehr setze man auf die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern. „Wenn einer fünfmal auffällt, dann fahren wir zuhause vorbei. Intensivtäter bringen wir vor Gericht. Wir wollen kriminelle Karrieren früh abbrechen. Dazu gehört, dass die Jugendlichen spüren, dass ihr Verhalten Konsequenzen hat", erklärt Bernd Stienkemeier.

Ausländerkriminalität

In der Statistik werden 1658 Tatverdächtige (2017: 1754) erfasst, die keinen deutschen Pass haben. Pader: „Da merken wir einen deutlichen Rückgang." Nicht eingerechnet seien da die 39 Verstöße gegen das Aufenthalts- oder Asylrecht. Gegen die Ausländer war unter anderem wegen Einbrüchen (47 Prozent), Raubdelikten (42,5) Gewaltkriminalität (39) und Fahrraddiebstählen (37,4) ermittelt worden. „Dabei muss man aber berücksichtigen, dass auch Banden erfasst werden, die vom Ausland aus operieren", sagt Stienkemeier. Ein Sonderfall sei die Zentrale Unterkunft in Oerlinghausen gewesen. 2017 stieg in dem Umfeld die Zahl der Einbrüche und Diebstähle. Die Polizei stockte die Ermittlungskommission auf und nahm mehrere Osteuropäer fest. Danach habe es sehr viel weniger dieser Straftaten in der Bergstadt gegeben.

Die Sicherheit im Kreis Lippe

Die Polizei rechnet die Fallzahlen hoch auf 100.000 Einwohner und kommt zu dem Ergebnis, dass es in Leopoldshöhe, Dörentrup und Schlangen besonders sicher ist. „Vergleicht man Lippe mit anderen Kreisen und Städten, dann sind unsere Zahlen insgesamt weit besser", erklärt Pader. Das wirke sich auf die Personalzuweisung aus. Das Land verstärke das Personal dort, wo es mehr Kriminalität gebe. Die Fläche, die abgedeckt werden müsse, und auch der Personaleinsatz für die Prävention falle nicht ins Gewicht. In Lippe gebe es 1,1 Stellen auf 1000 Einwohner, in anderen Landkreisen seien es 1,3. „Das wären für Lippe 70 Beamte mehr", sagt Pader.

Grafik Kriminalitätsgefährdung - © Grafik:Oliver Wendtland
Grafik Kriminalitätsgefährdung (© Grafik:Oliver Wendtland)

Besondere Fälle

Mord: Ein 32-Jähriger Rumäne wird Ende Januar in Augustdorf verhaftet. Er gesteht später, seine Ex-Freundin unter anderem mit 20 Messerstichen getötet zu haben. Die Polizei hatte die Leiche in der Wohnung in der Mittelstraße gefunden. Der Täter wurde zu elf Jahren Haft verurteilt. In Bezug auf Tötungsdelikte sagt Kriminaloberrat Wolfgang Pader: „Wir kriegen sie alle."

Brandstiftung: Mitte August brennt eine alte Industriehalle in der Nähe des Detmolder Bahnhofs. Die Polizei ermittelt wegen Brandstiftung. In der Garage sind Oldtimer abgestellt, der Schaden ist hoch.

Festnahme: Auf einem Schulhof in Detmold geraten im Mai zwei Gruppen Jugendlicher in Streit. Einer zieht ein Messer und verletzt einen 17-Jährigen schwer. Der Täter flieht nach Schweden und wird acht Monate später am Bahnhof in Bielefeld verhaftet. „Der konnte es nicht fassen, dass wir ihn noch auf dem Radar hatten", sagt Pader.

Teures Auto: In Lemgo wird im Oktober ein BMW gestohlen – der Neuwert liegt deutlich über 100.000 Euro.

Ungewöhnlich: Im August will ein Radfahrer die Kasse eines Melonenverkäufers stehlen, der seinen Stand an der B66 hat. Der 14-jährige Verkäufer schließt die Kasse kurzerhand ab und gewinnt das Gerangel darum – der Täter zieht ohne Beute ab.


"Ermittlungen sind aufwendig"

Ein Kommentar von Astrid Sewing

Zahlen sind das eine, das Sicherheitsgefühl ist etwas anderes. Wer Angst davor hat, dass bei ihm eingebrochen wird, liest eine Statistik ganz anders. Wer sich im Dunkeln fürchtet, geht auch nicht raus, wenn er weiß, dass die Wahrscheinlichkeit gering ist, überfallen zu werden.
Angst lässt sich nicht mit einer Statistik aushebeln. Wohl aber hilft es, wenn die Polizei in der Fläche präsent ist. Der Kreis Lippe hat 35 Bezirksbeamte, die ihre Runden zu Fuß oder im Auto drehen. Sie sind Ansprechpartner und wichtig, wenn es darum geht, Straftaten zu verhindern oder aufzuklären.

Die Polizei im Kreis Lippe ist stolz, dass sie Beamte für diese Aufgabe flächendeckend einsetzen kann. Aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Personaldecke insgesamt kurz ist. Das Land schaut, wo die Brennpunkte sind und weist dort zusätzliches Personal zu. Aber dort, wo es weniger Anzeigen gibt, gibt es nicht automatisch weniger Kriminalität und weniger Ermittlungsarbeit. Im Gegenteil. Durch die Möglichkeiten des Internets gibt es für Kriminelle viel mehr Möglichkeiten, zu betrügen, Videos und Fotos von Kindesmissbrauch zu tauschen und zu verkaufen. Wer sie dingfest machen will, muss unendlich viele Puzzlesteinchen zusammensetzen. Dafür braucht die Polizei mehr Personal – auch im Kreis Lippe.

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