Detmold. Nach diversen Ermittlungspannen zum Missbrauchsfall Lügde hat Innenminister Herbert Reul die Kreispolizeibehörde Lippe komplett durchleuchten lassen. Ein Ergebnis: Der Abschlussbericht vom Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZDI) hat keine Hinweise darauf geliefert, dass Polizisten in Lippe überlastet sind.
Im Gegenteil: Im Vergleich zu ähnlich aufgestellten Behören in OWL hätten die Lipper am wenigsten zu tun. Das Gutachten kommt auf 243 Seiten zum Schluss, die Ermittlungspannen um den Fall Lügde nicht auf eine Überlastung des Personals zurückzuführen sein. Der Statistik nach ist ein Lipper Polizist durchschnittlich mit 256 Fällen pro Jahr befasst. In Gütersloh sind es pro Kopf 280 Fälle, im Kreis Paderborn 314 und in Minden-Lübbecke 325.
Ein Schlag ins Gesicht
Für die Polizei vor Ort sei dies der nächste Schlag ins Gesicht, sagt Michael Kling, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei der Kreisgruppe Lippe: „Das entspricht nicht unserer Lebenswirklichkeit." Er gehe davon aus, dass jeder Beamte täglich im Schnitt 2,5 Vorgänge bearbeite. Das Gutachten erwecke den Eindruck, die Beamte würden die meiste Zeit Däumchendrehen. Darüber hinaus bezweifelt Kling, dass die Zahlen fehlerfrei sind. „Unfälle mit Blechschäden werden bei uns nicht weiter erfasst, in anderen Behörden schon. Das macht dann schon einen Unterschied aus." Eine Antwort auf die Frage, wie die Zahlen erhoben worden seien, stehe aus. Bitter sei vor allem, dass der Abschlussbericht alle über die Jahre angestrebten Forderungen nach mehr Personal zunichte mache: „Wahrscheinlich hätten wir Lügde nicht mit mehr Personal verhindern können, aber die fehlerhaften Strukturen hätten sich womöglich gar nicht erst eingeschlichen."
Kritik übt auch der Behördenleiter. Landrat Dr. Axel Lehmann bleibt bei seiner Meinung, die personelle Ausrichtung in Lippe sei unzureichend. Das Problem sieht er weiterhin in der Polizeidichte. „Wir haben in Lippe eine Dichte von 1,1 Polizeibeamte auf 1000 Einwohner. Andere Kreispolizeibehörden haben 1,3 aufwärts.". Für Lippe würde diese Rechnung mindestens 70 Beamte mehr bedeuten.
Trotz des Personalmangels wolle der Landrat den Vorschlag des Gutachtens, Wachen zu reduzieren, nicht folgen: „Wir wollen auf kurzen Wegen erreichbar sein und im Notfall zügig am Einsatzort eintreffen", heißt es. Die meisten der 113 Maßnahmen seien erfolgreich umgesetzt worden. Darunter ist laut Polizeisprecherin Laura Merks die Einführung von Sicherheitskonferenzen sowie einer zentrale und digitale Asservatenverwaltung. „Nach Lügde war es wichtig, keinen Flickenteppich zu hinterlassen."
Reul reagiert

Innenminister Herbert Reul reagierte bei seinem Besuch in Extertal auf die Kritik am Ergebnis des Berichtes. „Die Polizei in Lippe ist genau so ,gut’ ausgestattet, wie andere Polizeibehörden", sagte er und setzte das „gut" in Anführungsstriche. Er bleibe dabei: „Momentan kann ich niemanden herzaubern." Zuvor müssten neue Beamte ausgebildet werden. Es gelte, die Exekutive personell und materialtechnisch besser auszustatten. Elektronische Fußfessel, die strategische Fahndung, Bilddaten-Erkennung um die „unvorstellbare Menge von drei Peta-Byte Daten mit vermeintlicher Kinderpornographie" reduzieren zu können, – „mehr Digitalisierung für die Polizei – da werde ich weitermachen."