Ein Lagenser Junge erklärt die Welt

Lage. Experten im Fernsehstudio sind so etwas wie Saisonkräfte. In diesen Wochen verlagern telegene Virologen ihren Arbeitsplatz in die Sendeanstalten. Während unaufgeregter Zeiten gehört ein Wissenschaftler aus Lippe zu den gefragtesten Spitzenkräften vor der Kamera: Historiker Arnd Bauerkämper erklärt die Bedeutung von Jahrestagen und ordnet politische Entwicklungen ein.

Bauerkämper stammt aus Ohrsen und ist Professor am Friedrich-Meinecke-Institut für Geschichtswissenschaft der Freien Universität Berlin. Regelmäßig nutzt die Deutsche Welle seine Expertise für die TV-Nachrichtensendung &bdquo;DW News". Gelegentlich ist seine Herkunft sichtbar – immer dann, wenn er am Revers eine Nadel mit der Lippischen Rose trägt. Die hat Bauerkämper von seinem Bruder Karsten aus Bechterdissen bekommen. In Ohrsen leben die Eltern des 61-Jährigen, am Gymnasium Oerlinghausen machte Bauerkämper 1978 sein Abitur.

&bdquo;Es geht darum, einen Gegenwartsbezug herzustellen" Im Studio erhält Bauerkämper etwa fünf Minuten Sendezeit. Der Moderator befragt ihn zu Themen wie &bdquo;Darf Hitlers Bunker Ausstellungsobjekt werden?" oder &bdquo;75 Jahre Befreiung KZ Auschwitz". Der Nachrichtensender &bdquo;Welt" entdeckte ihn bei den Jubiläumsfeiern zur Landung der alliierten Truppen in der Normandie als Co-Kommentator für Live-Bilder aus Portsmouth an der Seite von Chefmoderatorin Tatjana Ohm. &bdquo;Es geht darum, einen Gegenwartsbezug herzustellen. Als Historiker muss ich mich dazu etwas aus dem Fenster lehnen, weil man eher Distanz hält zur Gegenwart, um der Geschichte ihr Recht zu lassen", sagt Bauerkämper.

Ein Nebengeschäft ist das alles nicht. &bdquo;Ich verlange kein Honorar. Es ist Teil meines Berufes, die Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit zu vermitteln." Er sei schon zufrieden, wenn ihm die Deutsche Welle für die Fahrt durch den Berliner Stau ein Taxi schicke. Meist schafft er es bis eine halbe Stunde vorher aufs Studiogelände.

Was im Hörsaal als übermäßig eitel gelten würde, ist vor Fernsehkameras unverzichtbar: das Pudern in der Maske. Wenn die Visagistin den Make-up-Pinsel führt, erhält Bauerkämper vorab die Fragen des Moderators und macht sich Notizen. &bdquo;Es gilt, die wichtigsten inhaltlichen Punkte in den wenigen Sekunden vor der Kamera zu erwischen." Auf dem Fernsehgelände kamen unlängst heimatliche Gefühle auf, als er am langen Moderationstisch den Expertenplatz mit dem aus Lage stammenden Historikerkollegen Peter Steinbach tauschte.

Meist bleibt er für zwei Sendungen vor Ort Die &bdquo;Deutsche Welle" bietet als deutscher Auslandssender Programme in mehreren Sprachen an. Das macht Bauerkämper für die öffentlich-rechtliche Anstalt doppelt interessant, denn der Wissenschaftler spricht nahezu perfekt Englisch. Meist bleibt er für zwei Sendungen vor Ort: für die deutsche und die englische. Den Simultanübersetzer kann die Redaktion einsparen. Das liegt auch an den Forschungsstationen Bauerkämpers: Er studierte zwei Semester an der Universität Oxford und schrieb seine Dissertation über &bdquo;Die radikale Rechte in Großbritannien". Es folgten Gastprofessuren in Ungarn und den USA. Bis zum Sommer 2018 war Bauerkämper außerdem ein Jahr lang Gastprofessor am Deutschen Historischen Institut London und an der &bdquo;London School of Economics and Political Science". Doch überwiegend saß Bauerkämper am Schreibtisch im Institut oder in der kleinen Wohnung im Stadtteil Kensington. Statt Sightseeing tat er das, was die Forschungseinrichtungen von ihren Gastprofessoren auch in London erwarten: &bdquo;Ich habe neben der Teilnahme an Doktorandenkolloquien Seminare gehalten, Doktorarbeiten diskutiert, eine Konferenz durchgeführt und ein Buch geschrieben." Das Werk über den Umgang mit zivilen Feindstaatenangehörigen im Ausnahmezustand der beiden Weltkriege wird demnächst erscheinen und hat rund 900 Seiten. &bdquo;Ich habe die Zeit genutzt", sagt Bauerkämper. Ein paar Tage Kultur waren drin. Beim Besuch seiner Frau Anke Schröder blieben einige Stunden für Museen und einen Konzertbesuch in der Royal Albert Hall.

Bauerkämper lebt in der Bauerschaft Markendorf bei Melle und korrigiert dort derzeit Arbeiten seiner Studenten. Aber Professoren sind längst nicht mehr nur Lehrer, sondern auch Bildungsmanager. Arnd Bauerkämper verfasst Drittmittelanträge, um Fördergelder von Stiftungen und Forschungsorganisationen zu erhalten. Die investiert sein Berliner Institut in Promotionsstipendien, Konferenzen und Workshops oder Forschungsreisen. So konnte Bauerkämper etwa auch eine enge Kooperation mit der Russischen geisteswissenschaftlichen Universität in Moskau vorantreiben.

Der nächste Termin steht wohl am 8. und 9. Mai an. Statt in den Hörsaal wird es ins Fernsehstudio gehen, wenn er seinen Zuschauern den 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa veranschaulicht.

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