Mikrochirurgie am Klinikum Lippe: Aus dem Unterarm wird ein Stück Zunge

Kreis Lippe. Zehn Jahre hat Sabine Herr (Name geändert) nicht gewusst, dass sie Krebs hat. An ihrer Zunge gab es Veränderungen, Ärzte verordneten Medikamente – nichts half. Als sich ihr Zustand drastisch verschlechterte, überwies der Hautarzt sie an Dr. Dr. Alireza Ghassemi. Der Spezialist entfernte einen bösartigen Tumor, mehr als die halbe Zunge, und fertigte aus Körpergewebe ein neues Stück an. Für Sabine Herr war das die Rettung. Damit mehr Tumor-Patienten eine solche Chance bekommen, möchte Ghassemi mit dem Klinikum eine neue Abteilung und ein Versorgungsnetzwerk aufbauen, die in dieser Region einzigartig sind.

Die Fotos der Operation sind beeindruckend, das Ergebnis ist für Sabine Herr Lebensqualität – und letztendlich lebensrettend. In den zehn Jahren hatte sie sich machtlos gefühlt, gemerkt, dass sie immer weniger essen konnte. Die Zunge ist mehr als ein Muskel, sie ist ein Sinnesorgan für das Schmecken, Tasten und Sprechen. Die Operation 2017 war alles andere als einfach. Dr. Ghassemi entfernte das bösartige Gewebe, öffnete den Unterarm, entnahm ein Stück Gewebe – samt einem Blutgefäß, dass sie versorgte – modellierte die Zungenpartie und setzte in den Unterarm ein Gewebestück aus dem Oberschenkel ein. &bdquo;Man kann nicht jedes Stück Haut einfach verwenden, sondern es gibt spezielle Bereiche des Körpers, die sich für bestimmte Rekonstruktionen eignen." Eine weitere Schwierigkeit: Die winzigen Blutgefäße müssen unter einem Mikroskop mit Empfängergefäßen in der Hand verbunden werden, damit die autonome Blutversorgung gesichert ist.

Es gibt nur wenige Spezialisten Die Mikrochirurgie hat der gebürtige Iraner, der 1985 sein Studium in Köln begonnen hatte, immer weiter perfektioniert. Er schildert mit Leidenschaft, dass sein Beruf Berufung ist. die ihn immer weiter treibt. &bdquo;Es gibt nur einen kleinen Kreis, der sich so spezialisiert hat", sagt er. Aber ein Chefposten in einer Klinik habe ihn nicht gereizt. &bdquo;Ich sehe das als besondere Begabung an, so Menschen helfen zu können, und deshalb möchte ich ein Netzwerk aufbauen." Den Kreis Lippe habe er nicht gekannt, aber nach einem Gespräch mit dem Geschäftsführer Dr. Johannes Hütte und dem Medizinischen Geschäftsführer Dr. Helmut Middeke habe er die Chance gesehen, seine Vorstellungen im Team umzusetzen. Im Ärztehaus, das 2022 fertig werden soll, will er gemeinsam mit anderen Fachärzten eine große Praxis aufbauen, im Klinikum möchte er spezielle Fälle operieren. Die ersten Kontakte hat er bereits geknüpft. &bdquo;Ich habe mich allen Kollegen in Lippe vorgestellt, denn ich suche auch die, die mit mir kooperieren könnten", stellt er fest. Denn der Fall von Sabine Herr zeige, dass es zu wenig Kenntnisse über die Tumorerkrankungen gebe. &bdquo;Je früher man operiert oder auch behandelt, um so besser ist die Überlebenschance für die Patienten."

Nicht immer ist eine Operation die beste Option Denn nicht immer sei die Operation das beste und einzige Mittel. &bdquo;Man braucht ein Team aus Spezialisten. Im Klinikum bieten die wöchentlichen Tumorkonferenzen eine ausgezeichnete Gelegenheit für den interdisziplinären Austausch. Nur so bekommt der Patient das Optimum an Versorgung." Und für das Klinikum Lippe, das bekanntlich auf dem Weg zur Uni-Klinik ist, sei das ein sehr gutes Alleinstellungsmerkmal. Ghassemi geht noch ein Stück weiter: &bdquo;Zu der Behandlung gehört die Nachsorge. Ich möchte in Lemgo, Höxter und Detmold die ärztliche Versorgung ausbauen und auch zum Beispiel Logopäden, Zahnärzte, HNO- und Kinderärzte einbeziehen."

Dass es sich lohnt, zeigt ihm das Beispiel von Sabine Herr. In Detmold sehe er sie öfter in einem Café sitzen. In einem Schreiben dankt sie ihm herzlich dafür, dass sie die Sprech- und Schluckfähigkeit wieder zurückbekommen hat. Auf dem Weg dahin habe sie sich von allen sehr gut betreut und versorgt gefühlt. &bdquo;Sehr dankbar bin ich auch, dass nach der Operation keine Komplikationen entstanden, was auf die guten hygienischen Verhältnisse im Klinikum hindeutet. Der Termin in Detmold ersparte mir die weite Reise in Spezialkliniken", schreibt Sabine Herr.

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