Aufarbeiten und sich kümmern: So wollen Landrat und Klinik-Chef Vertrauen zurückgewinnen

Kreis Lippe. Mal eben einen Schalter umlegen und alles wird von jetzt auf gleich anders, das schaffen die beiden nicht. Aber Meinolf Haase (CDU), seit wenigen Tagen Lippes neuer Landrat, und Dr. Niclas Cruse, Interimsgeschäftsführer des Klinikums, haben einen Plan. Sie wollen das Haus schleunigst aus den Negativ-Schlagzeilen holen, wollen Vertrauen aufbauen und vor allem die Vergangenheit aufarbeiten. Wie nennt es Haase: &bdquo;Wir benötigen dringend eine Aufbruchstimmung.“

Der langjährige und zum Schluss umstrittene Geschäftsführer Dr. Johannes Hütte ist nicht mehr da , Dr. Axel Lehmann (SPD) wurde kurz nach der Kommunalwahl, zu der er nicht mehr antrat, als Landrat und Aufsichtsratsvorsitzender aus dem Amt verabschiedet: Haase und Cruse machen im Gespräch mit der LZ klar, dass die kommenden Monate &bdquo;jetzt endlich von Vertrauen und Zuversicht getragen werden müssen“, wie der Klinikgeschäftsführer es formuliert. Die vergangenen Wochen nennt er &bdquo;stürmisch“. &bdquo;Vor allem durch viele konstruierte Vorwürfe in meine Richtung.“ Meinolf Haase, als Landrat satzungsgemäß demnächst neuer Aufsichtsratsvorsitzender, pflichtet ihm bei. Dass er in diesem Zusammenhang mit einigen Entscheidungen seines Vorgängers nicht einverstanden war, sagt er nicht. Aber sein Unverständnis ist ihm anzusehen.

Innenrevision prüft Vergabeunterlagen Was heißt das alles konkret? Wie will man mögliche Ungereimtheiten in der Vergabepraxis - die Staatsanwaltschaft Bielefeld prüft in diesem Zusammenhang weiterhin Unterlagen und befragt Zeugen - aufarbeiten? Meinolf Haase wird deutlich, verweist auf eine klare Anweisung, die er in seiner Behörde sofort nach Dienstantritt ausgegeben hat. &bdquo;Ich habe unsere Innenrevision aufgefordert, alle zur Verfügung stehenden Unterlagen zu prüfen. Ich verlange eine lückenlose Aufarbeitung sämtlicher Vorgänge rund um die Vergabepraxis am Klinikum“, sagt Haase. Wenn man nichts finde, sei halt alles okay. Wenn man aber Vorgänge entdecke, die nicht korrekt seien, scheue er sich auch nicht vor einer juristischen Auseinandersetzung. Klarheit in dieser Angelegenheit ist auch Dr. Cruses Ziel. &bdquo;Alles, was wir als Klinikum tun können, um Behörden in dieser Aufarbeitung zu unterstützen, das tun wir auch“, verspricht er.

Doch was ist mit den Kritikern in den eigenen Reihen? Denen, die als Mitarbeitervertreter im Aufsichtsrat durch Anträge ihr Misstrauen ausgedrückt haben und die nach LZ-Informationen immer wieder versucht haben, Dr. Cruse auf seinem Weg zum Neuanfang zu stoppen? Landrat Haase wird deutlich. &bdquo;Ich habe echt keine Lust, als Landrat alle paar Tage anonyme Fragen zugestellt zu bekommen. Gern nehme ich alle Mitarbeiter mit, die möchten. Aber auch nur dann, wenn sie den neuen Weg mitgehen wollen. Ansonsten gehe ich in intensive Einzelgespräche, in denen wir dann das weitere Vorgehen abstimmen“, will er als Aufsichtsratsvorsitzender eine klare Linie.

Haase spricht sich für Cruse aus Eine klare Linie wünscht er sich auch bei der künftigen Besetzung der Geschäftsführung des Klinikums. &bdquo;Mein Ziel ist es, dass Dr. Cruse bleibt“, setzt Haase im LZ-Gespräch personalpolitisch ein Ausrufezeichen. Wie der Weg dorthin nun gestaltet werde, darum kümmere er sich alsbald. Schließlich müsse formell und rechtlich alles einwandfrei vorbereitet und Vertragskonstrukte geprüft sein. Und was sagt der Interimsgeschäftsführer, der bislang - vereinfacht formuliert - von einer Management-Firma nur ausgeliehen ist? &bdquo;Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass ich hier am Klinikum bleibe“, sagt Dr. Cruse auf konkrete Nachfrage. Dass er sich ab dem 1. Januar 2026 mit der neuen medizinischen Geschäftsführerin Prof. Dr. Dorothee Bremerich eng abstimmen müsse, sei für ihn dabei völlig in Ordnung. Er möchte in absehbarer Zeit einen Vorschlag für eine neue Geschäftsordnung erarbeiten, die das Miteinander manifestiere.

Bleibt die Großwetterlage nach den Wachwechseln rund ums Klinikum also störungsfrei? Ganz sicher sind sich Haase und Cruse da nicht. Ungemach könnte drohen, wenn in den kommenden Tagen oder Wochen ein Förderbescheid aus dem Laumann-Ministerium in Düsseldorf für weitere Investitionen ins Haus flattere. Prinzipiell ja etwas Gutes, wie beide betonen. Schwierig könnte es allerdings werden, wenn diese Bescheide zweckgebunden seien, beispielsweise an ein Bauvorhaben wie die Zentrale Notaufnahme. Dr. Cruse verweist in diesem Zusammenhang auf Vergabevorschriften des Landes, die die Förderung infrage stellen, wenn das Projekt mit einem Generalbevollmächtigten umgesetzt werden solle. Dadurch wolle der Geldgeber, also das Land, verhindern, dass nur ein Unternehmen von öffentlichen Geldern profitiere.

Droht Schadensersatz in Millionenhöhe? Das Klinikum Lippe habe aber, so Haase und Cruse, laufende Verträge mit einem Generalbevollmächtigten. Der Landrat wird deutlich: &bdquo;Das alles ist bereits seit mehr als einem Jahr bekannt, es ist nicht reagiert worden.“ Dass der österreichische Bauunternehmer nach Informationen unserer Zeitung bereits gegebenenfalls Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe angemeldet hat, wollen Landrat und Klinikchef weder bestätigen noch dementieren.

Ansonsten ist beim Thema Bauen anscheinend Licht am Ende eines langen Tunnels in Sicht. Ende November können laut Dr. Cruse nun endlich der neue OP-Trakt, die Intensivstation und die Endoskopie im Gebäudeteil C in Betrieb genommen werden. Und das mit zwei Jahren Verspätung. Weitere bauliche Veränderungen seien angedacht. Beispielsweise die Einrichtung einer Wahlleistungsstation am Standort Lemgo. Stichwort Lemgo: Für den künftigen Leistungsumfang am Standort dort habe man deutlich positive Signale aus dem verantwortlichen Ministerium erhalten, sagt Cruse. Er sei guten Mutes.

Muslimischer Gebetsraum geplant Eine weitere Idee: Auf dem Weg zu einem kultursensibelen Krankenhaus plane man für den Standort Detmold einen muslimischen Gebetsraum und zudem eine bauliche Veränderung, um rituelle Waschungen nach dem Tode eines muslimischen Patienten zu ermöglichen. Dr. Cruse: &bdquo;Diesen Gebetsraum sind wir nicht nur unseren Patienten schuldig, sondern auch den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier im Haus.“

Was beiden besonders am Herzen liegt: ein offener Dialog. Mit Verantwortlichen und Mitarbeitern im Haus. Mit der Öffentlichkeit, mit den Bürgermeistern in den Städten und Gemeinden und mit dem Aktionsbündnis um Walter Brinkmann. Und vor allem mit den niedergelassenen Ärzten in Lippe. Für Anfang des kommenden Jahres planen Klinik-Chef und Landrat für Detmold, Lemgo und Bad Salzuflen Gesprächsformate mit den Medizinern. Wie formuliert es Meinolf Haase: &bdquo;Es darf nicht mehr geschehen, dass Menschen im Rettungswagen sagen, dass sie bloß nicht ins Klinikum Lippe wollen.“

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