Pflegekräfte und Ärzte der Intensivstationen arbeiten am Limit

Kreis Lippe. Ruhig ist es, obwohl auf den Fluren Ärzte und Pflegekräfte hin- und herlaufen. Leben und Sterben haben hier kurze Distanzen. In einem Zimmer sitzt ein Senior im Bett und spricht mit einer Krankenschwester, einen Raum weiter liegt ein Mann, dessen Lebenszeichen nur über den Monitor sichtbar sind. Und es gibt Zimmer, die man gar nicht mehr ohne Schutzkleidung betreten kann – wer hier liegt, kämpft ums Überleben, weil das Coronavirus das Atmen unmöglich macht. Auf den Intensivstationen des Klinikums Lippe herrscht seit März ein Ausnahmezustand.

Die Zahlen der Toten stehen im Fokus, Dr. Maik Brandes, Chefarzt der Pneumologie, Schlaf- und Beatmungsstation, stellt sie in den Zusammenhang. Im Winter seien die Intensivstationen immer sehr ausgelastet, weil gerade Ältere mehr Infektionen durchmachten. &bdquo;Das hohe Alter und die bereits vorhandenen Erkrankungen führen auch zu schlimmeren Verläufen. Und in diesem Jahr kommt Covid oben drauf", stellt Brandes fest.

Seit dem Frühjahr habe man einiges über das Coronavirus gelernt – auch, dass eine Beatmung über den Tubus im künstlichen Koma nicht das erste Mittel ist. &bdquo;Wir passen die Behandlung an, über eine Maske zum Beispiel geben wir hochprozentigen Sauerstoff." Das verschaffe vielen bereits große Erleichterung, die Versorgung mit Medikamenten laufe parallel. Wobei es da zwar einige Mittel gebe, aber eben nichts, was speziell gegen das Coronavirus helfe. &bdquo;Das ist bei der Influenza, der echten Grippe, übrigens genauso. Aber da haben wir den Vorteil, dass wir die Krankheit sehr viel besser kennen. Und es gibt die Möglichkeit, sich dagegen impfen zu lassen, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, gar nicht zu erkranken oder zumindest nicht so schwer."

Keiner kann vorhersagen, wie sich die Lage entwickelt

Die Dynamik der Lage sei das, was Sorgen bereite. Denn seit März ist das Personal in erhöhter Alarmbereitschaft, denn zu Schlaganfällen, Herzinfarkten, Unfällen und Operationen kommt das Coronavirus dazu. Uwe Brinkmann ist Fachbereichsleiter der Intensivstationen in Lemgo und Detmold. Er kennt jeden Handgriff, hat die Abläufe auf den Stationen angepasst, die Reserven geplant – in Absprache mit seinen Teams. &bdquo;Wir können die Stationen kurzfristig erweitern und die Behandlung sicherstellen. Aber wir sehen, wie schnell die Patienten hier landen. Und wenn sich die Isolierstationen mit Covid-Patienten füllen, dann steigen die Zahlen auf den Intensivstationen." Momentan gibt es weniger Patienten auf den Isolierstationen, aber keiner kann sicher vorhersagen, wie lange das so bleibt. Und es gibt Fälle, die direkt über die Notaufnahme kommen, denn auch wer zuhause erst leichte Symptome hat, hat keine Gewähr, dass es glimpflich abgeht. Auch diese Fälle habe es schon gegeben.

Die Belastung des Personals steige nicht nur aufgrund der reinen Fallzahlen, sondern ebenfalls durch den Aufwand. Die Zimmer der Covid-Patienten werden über eine Schleuse betreten, immer muss die komplette Schutzmontur an- und ausgezogen werden. Die Sachen müssen gesondert entsorgt, die Desinfektionsabläufe immer wieder vergegenwärtigt werden – rund um die Uhr und von jedem. &bdquo;Das sind alles Profis, aber auch Menschen, die einer großen Belastung ausgesetzt sind. Und das geht nicht wenige Wochen so, sondern über einen Zeitraum, den wir nicht absehen können", erklärt Brinkmann.

Wobei die Zahlen zeigen, dass der Sommer ruhiger verlief. Mehr Jüngere wurden positiv getestet, die Zahl der Todesfälle stieg aber keineswegs stark an. &bdquo;Das waren viele Reiserückkehrer, die mit dem Virus zurückgekommen sind. Sie sind jünger, gesünder, haben weniger oder keine Vorerkrankungen, was bedeutet, dass die Verläufe milder sind", erklärt Brandes.

Allerdings werden auch Jüngere auf der Intensivstation behandelt, und auch da gebe es Todesfälle. &bdquo;Es kann keiner von vorneherein sagen, wie es ausgeht. Wir können von Risikofaktoren sprechen, wie zum Beispiel Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck, und darüber, dass sie Einfluss auf die Überlebenschancen haben", sagt Brandes. Es gebe sie, die positiven Beispiele, die auch den Mitarbeitern Mut machen. So wie das der Frau Mitte 40, die mit dem Tubus beatmet, die im künstlichen Koma regelmäßig gedreht werden musste – und die es geschafft hat. &bdquo;Man darf sich das aber nicht so vorstellen, dass alle Patienten dann aufstehen und ihr gewohntes Leben aufnehmen können. Sie brauchen eine Reha, um körperlich fit zu werden. Einige leiden unter traumatischen Belastungen und brauchen Therapien. Studien zu den Folgen der schwersten Verläufe zeigen, dass es zwei Jahre dauert, bis das alte Niveau der Lunge wieder erreicht wird", sagt der Chefarzt.

Die Belastung wird auf beide Standorte verteilt

In Lemgo liegt die Intensivstation hinter der Stroke-Unit für die Schlaganfall-Patienten. An beiden Standorten, Detmold und Lemgo, gibt es 50 Intensivbetten. Corona-Verdachtsfälle, also die, deren Testergebnis aussteht, werden in Einzelzimmern untergebracht. Räumlich und in Bezug auf die technische Ausstattung gebe es auf den Intensivstationen Reserven, sagt Fachbereichsleiter Uwe Brinkmann. Seinen Pflegekräften zollt er größtes Lob: &bdquo;Die Teams arbeiten auf den Stationen toll zusammen und mit hoher Motivation.

Die Standorte und die Abteilungen sind sehr gut miteinander vernetzt, um die Belastung zu verteilen." Es gilt generell ein Besuchsverbot im Klinikum. &bdquo;Das ist sehr hilfreich, denn wir dürfen nicht riskieren, hier etwas einzuschleppen. Patienten und unsere Mitarbeiter müssen wir schützen. In kritischen Fällen machen wir Ausnahmen. Wir versuchen auch für alle anderen möglich zu machen, was eben geht, zum Beispiel mit Videotelefonie", so Brinkmann.

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