Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Finger weg von Wühltisch-Welpen

Silke Buhrmester

  • 0
Einen Partner für Mora im Internet zu suchen – keine gute Idee ihres Frauchens. Eingetragene Züchter oder Tierheim sind dafür die besseren Adressen.  - © Silke Buhrmester
Einen Partner für Mora im Internet zu suchen – keine gute Idee ihres Frauchens. Eingetragene Züchter oder Tierheim sind dafür die besseren Adressen.  (© Silke Buhrmester)

Kreis Lippe. In der Corona-Pandemie haben sich viele Menschen in Deutschland dazu entschlossen, einen Hund anzuschaffen. Nach Angaben des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH) sind im Jahr 2020 im Vergleich zu den Vorjahren 20 Prozent mehr Hunde gekauft worden. Die Nachfrage nach beliebten Rassehunden wie Labrador oder Australian Shepherd ist enorm, selbst Mischlinge werden hoch gehandelt. Doch unter den Verkäufern und Züchtern gibt es viele schwarze Schafe, die nur ein schnelles und lukratives Geschäft wittern, sagt Hundetrainerin Eva Plöger. Leidtragende sind vor allem die Tiere.

Die Brüntruperin ist Hundeausbilderin und seit vielen Jahren selbstständig mit ihrer mobilen Hundeschule. Aber so einen Boom wie während der Pandemie hat sie noch nicht erlebt. Die Menschen haben Zeit und sind zuhause, können nicht in den Urlaub fahren – deshalb muss ein Haustier her. Und zwar bei vielen sofort. Immer wieder aber vergäßen die Menschen beim Anblick der niedlichen Welpen oder in ihrem Drang, unbedingt einen Hund haben zu wollen, wichtige Grundregeln beim Hundekauf – oder kennen sie erst gar nicht.

Die Hundetrainerin bietet, wie viele ihrer Kollegen, kostenlose Beratung und Begleitung beim Hundekauf an. Dabei, betont sie, gehe es ihr ums Tierwohl. Denn sie hat schon zu viele Hundeschicksale gesehen: Kranke oder verhaltensgestörte Tiere, Welpen, die zu früh von ihrer Mutter getrennt wurden, Hündinnen, die als Gebärmaschinen ausgenutzt wurden, Hunde aus dem Ausland, die sich als nicht so problemlos wie beschrieben entpuppt haben. Und Käufer, die regelrecht übers Ohr gehauen wurden.

Tierärztin Dr. Juliane Henkemeyer verzeichnet in ihrer Praxis in Horn eine „Flut von von Neutierbesitzern". Sie warnt davor, sich einen Hund auf Kleinanzeigen-Portalen auszusuchen – und vor „Tieren aus dem Kofferraum", die ernsthafte und hochansteckende Krankheiten wie Staupe, Parvovirose oder Tollwut in sich tragen können. Diese seien auf andere Haustiere oder sogar auf den Menschen übertragbar und können sogar zum Tode führen. Das Leid der Tiere sei beträchtlich – die Tierarztkosten, die auf die Halter zukommen, möglicherweise auch.

Was Eva Plöger in den Online-Portalen entdeckt, macht sie wütend: Überteuerte Angebote von Rassehunden und Mischlingen, Zwergpudelwelpen ohne Abstammungsnachweis für 2600 Euro, Zwergpudelmix für 1900 Euro. Und wer sich nicht sofort entscheidet, wird unter Druck gesetzt: „Da heißt es dann, es gebe mehrere Interessenten, dann werde der Hund eben woanders hin verkauft", berichtet Plöger von Erfahrungen.

„Wir raten von Kleinanzeigen und auffälligen Schnäppchen-Käufen ab. Seriöse Züchter haben nur drei bis vier Würfe pro Jahr. Ansonsten handelt es sich oft um reine ,Welpen-Produktion‘", sagt auch Sonja Slezacek von der Tierschutzorganisation Tasso e.V. Aufgrund der großen Nachfrage fänden sich häufig unseriöse Angebote im Internet. Stichwort: illegaler Online-Welpenhandel. Die meist aus Osteuropa stammenden „Wühltisch-Welpen" würden nach Deutschland importiert und im Netz allzu oft arglosen Käufern angeboten und überlebten häufig die ersten Lebensmonate nicht.

Oftmals könne der Laie nicht erkennen, ob hinter einem Angebot die Tiermafia aus Rumänien, Ungarn, Serbien oder etwa der Türkei stecke. Die Anzeigen seien kaum noch von seriösen Anbietern zu unterscheiden, die Preise normal, schriftliche Anfragen werden freundlich beantwortet, so die Tasso-Sprecherin.

Die Erfahrung macht auch Eva Plöger. Immer wieder komme es auch vor, dass den Käufern eine „heile Welt"vorgegaukelt werde und sich diese beim Anblick des süßen Hundebabys auch blenden ließen: Wohnungen würden zum Schein angemietet, angebliche Geschwister kommen aus unterschiedlichen Würfen oder die Übergabe erfolgt auf dem Parkplatz – angeblich wegen Corona, oder weil die Wohnung gerade renoviert wird. Das alles sollte Käufer hellhörig machen. Selbst Papiere seien kein Garant mehr für Seriosität – die seien im Internetzeitalter schnell gefälscht.

Dr. Henkemeyer sieht in dem Boom noch eine weitere Gefahr: Viele ihrer Neuhundebesitzer hätten jetzt viel Zeit, weil sie im Homeoffice seien – aber was ist in der Zeit danach? Und vor allem:Wer hilft bei der Erziehung von Welpen oder Tierschutz-Hunden, wenn alle Hundeschulen coronabedingt über Monate geschlossen bleiben? Henkemeyer befürchtet einen immense Zunahme von Großhunden ohne Erziehung: „Hundeschulen müssen endlich wieder öffnen. Sie sind systemrelevant – und sie können draußen arbeiten, Abstände und Hygieneregeln einhalten."

Wer unbedingt einen Rassehund will, sollte sich über Züchter beim VDH kundig machen. Allen anderen empfiehlt die Veterinärin einen Hund aus dem Tierschutz, Ansprechpartner gibt es zum Beispiel im lokalen Tierheim. „Auch wir beraten und begleiten bei einem Hundewunsch – und wir können abschätzen: passen Mensch und Tier zusammen oder nicht", sagt Maria Toman vom Tierheim in Detmold. Schließlich seien nicht alle Hunde gleich.

Zwar sei in der Coronazeit die Vermittlung komplizierter, aber Interessenten könnten dennoch individuelle Termine vereinbaren oder sich auf Wartelisten setzen lassen. Auch Toman unterstreicht: „Hände weg vom Wühltisch-Welpen. Erst sind sie klein und niedlich, doch sie werden größer, und in der Pubertät fangen die Probleme an." Viele dieser schwierigen und unerzogenen Hunde landeten später im Tierheim.

Um sich Ärger und Kummer von vorneherein zu ersparen, empfiehlt Eva Plöger, vor dem Kauf auf jeden Fall professionelle Hilfe zu suchen: „Ich würde beim Autokauf ja auch immer jemanden mitnehmen, der sich auskennt."


Bailey sucht ein Zuhause

Bailey. - © Tierheim Detmold
Bailey. (© Tierheim Detmold)

Rund 15 Hunde aus dem Detmolder Tierheim suchen derzeit ein Zuhause. Doch die Mitarbeiter vermitteln auch Tiere und beraten Menschen, die sich gerne einen einen Hund anschaffen möchten. Einer davon ist die Schäferhündin Bailey. Weil ihr Besitzer krank geworden ist, ist die siebenjährige Hundedame im Tierheim gelandet. Die freundliche und dem Menschen zugewandte Hündin ist recht groß und kräftig und auf ihrem Gelände ausgesprochen wachsam. Sie verfügt bereits über guten Gehorsam, der durch weiteres Training aber noch ausgebaut werden kann, denn Bailey möchte gern arbeiten und eine Aufgabe erfüllen. Neue Besitzer sollten deshalb Hundeerfahrung mitbringen. Mehr über Bailey oder andere Hunde im Tierheim unter Tel. (05231) 24468, info@tierheimdetmold.de oder auf tierheimdetmold.de.


Information

So erkennt man seriöse Verkäufer und Organisationen

- Die Züchter haben nur ein bis zwei Rassen im Angebot und maximal drei bis vier Würfe pro Jahr,

- der Hund ist geimpft und gechipt und hat einen Hundeausweis,

- die Elterntiere, mindestens die Mutter, werden vorgestellt,

- die „Mutter" ist auch die Mutter und hat eine Beziehung zu ihrem Wurf,

- der Verkäufer interessiert sich für die neuen Besitzer,

- die Welpen werden frühestens mit acht, besser erst mit zehn Wochen, abgegeben,

- der Hund wirkt interessiert und gesund, nicht kränklich und ängstlich,

- der Käufer kann die Zuchtstätte inspizieren,

- der Verkäufer bleibt Ansprechpartner und nimmt den Hund notfalls zurück,

- die Tierorganisation hat nicht nur Welpen, sondern auch ältere und gehandicapte Tiere im Angebot,

- sie bietet für jeden Adoptanten einen Ansprechpartner,

- auf der Homepage sind „echte Personen" zu finden,

 - die Tierschutzorganisation ist ein eingetragener Verein.

Copyright © Lippische Landes-Zeitung 2025
Inhalte von lz.de sind urheberrechtlich geschützt.
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Chefredaktion.