Der Countdown läuft: Die lippische CDU hat die Wahl

Kreis Lippe. Am 13. März entscheiden die CDU-Mitglieder in der Phoenix-Contact-Arena, wen sie für den Wahlkreis Lippe 1 ins Rennen um ein Bundestagsmandat schicken. Die Abgeordnete Kerstin Vieregge? Den Parteichef Lars Brakhage?

Lippe I war vor Vieregges Sieg 2017 über 34 Jahre fest in SPD-Hand und ist jetzt um Detmold erweitert worden – also nicht eben eine CDU-Hochburg. Und es gibt prominente Mitbewerber: Jürgen Berghahn (SPD), Robin Wagener (Grüne), Christian Sauter (FDP), Walter Brinkmann (Die Linke). Das Direktmandat gewinnen zu wollen, ist also das eine. Es geht beim Parteitag aber auch um ein Signal für einen guten OWL-Listenplatz. Erfahrung, fleißig, weiblich? Vorteil Vieregge. Souverän als Parteichef wiedergewählt, OWL-weit via Junge Union gut vernetzt? Vorteil Brakhage.

Kerstin Vieregge, von 2013 bis 2018 Parteivorsitzende, hatte den früher mal tiefroten Wahlkreis im September 2017 überraschend gewonnen. Sie ist kämpferisch, hofft dass viele Parteifreunde trotz Corona nach Lemgo kommen werden. Sie geht von einem knappen Ergebnis aus. &bdquo;Es gibt viele, die meine Arbeit für Lippe hier anerkennen." In drei Ausschüssen mitgearbeitet zu haben sei schon etwas Besonderes. Sie höre durchaus Lob dafür, omnipräsent zu sein, sich zu kümmern, gut zuzuhören. Und ja, sie sei stets ansprechbar, antworte schnell. &bdquo;Nach dreieinhalb Jahren in Berlin weiß ich nun beispielsweise, welche Förderrichtlinien es wofür gibt, habe mein Netzwerk aufgebaut. Und jetzt möchte ich die Ernte einfahren." Die nicht enden wollende Geschichte &bdquo;Breitbandausbau" sei ihr großes Thema, &bdquo;da kommen wir ja kaum weiter, das dauert viel zu lange. Ich werde nicht müde, das in Berlin anzubringen."

Herausforderungen anzunehmen – &bdquo;dafür sind wir da". Sie blicke seit dem großen Schnitt und ihrem Rücktritt als Parteichefin nach vorn. Die alte Geschichte rund um fehlerhafte Abrechnungen in der Geschäftsstelle sei geklärt und spiele im Kreisvorstand keine Rolle mehr. Mitbewerber Lars Brakhage sagt selbstbewusst: &bdquo;Wer mir zutraut, Parteichef zu sein, der traut mir auch zu, im Bundestag gute Arbeit zu leisten." Der 30-jährige Kalletaler war im August mit stolzen 108 von 117 Stimmen zum Parteichef wiedergewählt worden, er hatte den Posten Anfang 2018 als Nachfolger Vieregges angetreten. Mit ihr pflege er ein konstruktives Arbeitsverhältnis. &bdquo;Sie berichtet in jeder Kreisvorstandssitzung, ihr Platz in der Partei ist da." Er hatte 2018 nach seiner Wahl auf einen &bdquo;unvoreingenommen, professionellen Umgang" mit Vieregge gesetzt, dies sei der Fall. Vieregge stimmt ihm zu: &bdquo;Das hat ein bisschen gedauert, aber wir arbeiten gut zusammen."

Lars Brakhage sieht zwei Bewerber um einen Posten als einen normalen demokratischen Prozess. Im Bundestag sehe er wichtige Aufgaben im wirtschaftlichen Neustart nach Corona und in der Verbesserung der Infrastruktur (Deutschland-Takt). Vor allem der Einsatz für einen besseren Zusammenhalt der Gesellschaft liegt ihm am Herzen. Konfirmandenarbeit, Feuerwehr, Rotes Kreuz, Junge Union: &bdquo;Ich bringe aus dem Ehrenamt viel Erfahrung mit." Vor Ort gut vernetzt zu sein, sei wichtig für einen Bundestagsabgeordneten. Und, wie sagte er doch im März 2018: &bdquo;Wenn Sie als Fußballer die Chance haben, mal eine Liga höher zu spielen, dann reizt das." CDU- oder SPD-Hochburgen im klassischen Sinne gebe es ja kaum noch. Wird er nominiert, will er es seiner dann zweifachen Vorgängerin nachmachen und das Direktmandat in Lippe I holen.

Gezählt wird am Schluss Ein Kommentar von Martin Hostert

Königin Ohneland" hatte die LZ im Januar 2018 getitelt. Kerstin Vieregge hatte jeden Rückhalt der Basis verloren, Brakhage war der neue Parteichef und Hoffnungsträger; er holte anderthalb Jahre später bei seiner Wiederwahl fast 100 Prozent der Stimmen – bei einem Parteitag, bei dem die eigene Bundestagsabgeordnete, die sensationell einen roten Wahlkreis gewonnen hatte, nicht mal zu Wort kam. Ein absoluter Tiefpunkt des Miteinanders und ein ganz klares Signal: Brakhage ist unser Mann. Und der trat bald darauf als Konkurrent um ein Berlin-Mandat in den Ring, gestärkt durch das gute Ergebnis, den Kreisvorstand hinter sich. Er ist am Samstag also der klare Favorit.

Aber schickt die CDU eine ihrer wenigen Mandatsträgerinnen in die Wüste? Abwarten. Vieregge ist sehr fleißig, präsent, hat Themen gesetzt, sich nicht unterkriegen lassen. Sie hat Fehler gemacht, ja, und dafür gradegestanden. Aber Königin Ohneland leistet als Königin Omnipräsent respektable Arbeit in Berlin für Lippe. Abgerechnet wird am Schluss.

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