Die CDU kürt Kerstin Vieregge

Lemgo. Keiner der beiden Kandidaten war sich vor der Wahl ganz sicher, beide hatten die Nacht zuvor schlecht geschlafen. In der Phoenix-Contact-Arena warben sie um die Stimmen der 341 CDU-Mitglieder. Den Blumenstrauß bekam Kerstin Vieregge, der die Erleichterung deutlich anzusehen war.

Vor der Halle bildete sich eine lange Schlange, bei der Registrierung im Vorraum der Halle, in der sonst der TBV spielt, knubbelte es sich so stark, dass es verärgerte Kommentare der Wartenden gab. Die Abstände wurden eingefordert. Nicht um 14, sondern um 15 Uhr ging es schließlich los.

Auf dem Spielfeld standen Lars Brakhage und Kerstin Vieregge, die ihr Ticket in den Bundestag noch einmal lösen und den Wahlkreis 1 im September gewinnen möchte. Ja, sie habe in den vergangenen Wochen Zuspruch von einigen Mitgliedern bekommen. Doch so sei das in der Demokratie: "Man bekommt ein Mandat auf Zeit. Darum muss man immer wieder werben und sich einsetzen", sagte Vieregge. In ihrer Bewerbungsrede ließ sie Persönliches weitgehend raus, stellte ihre Heimatverbundeheit heraus und das, was sie für Lippe bereits erreicht hat. Für die Fördergelder, die der Bund vergebe, gebe es viele Abnhemner. Lippe brauche eine starke Stimme in Berlin, und sie habe in den vergangenen vier Jahren ein Netzwerk aufgebaut und sei bereit, "in der kommenden Wahlperiode die Ernte einzufahren und sich für die Heimat und die Partei stark zu machen."

Lars Brakhage, der Kreisvorsitzende der lippischen CDU, warb in seiner Begrüßung darum, "egal wie es ausgeht, gemeinsam an einem Strang zu ziehen." Was er meinte waren die Nachwirkungen der Querelen innerhalb der lippischen CDU, die 2018 dazu geführt hatten, dass Vieregge den Vorsitz abgab. Ein Mitglied brachte es in der Aussprache nach der Kandidatenvorstellung auf den Punkt: "Wir müssen den Kandidaten wählen, der die größten Chancen bei den Bürgern hat und den Wahlkreis gewinnen kann. Es geht um die CDU und nicht um Einzelansichten." Ganz offen ergriff Uwe Möller aus Blomberg Partei. "Jeder ist auf seinem Gebiet gut. Lars Brakhage ist ein sehr guter Kreisvorsitzender und Kerstin Vieregge hat im Bundestag sehr gute Arbeit geleistet."

Und im Ergebnis spiegelt sich, dass Lars Brakhages Leistung und Qualitäten durchaus anerkannt werden. Er ist politisch bestens vernetzt und hat einige Fürsprecher im Vorstand und in der Jungen Union. "Ich bin nicht angetreten, weil ich eine Karriere plane, sondern weil ich Lust darauf habe, in Berlin Politik für die CDU mit zugestalten." Nach der Bekanntgabe des Ergebnisses war er keineswegs zufrieden, aber nahm es sportlich: "Jetzt geht es weiter, wir werden zusammen Wahlkampf machen, und wir wollen, dass die CDU Lippe das Mandat holt."

Kommentar So ist das, wenn man sich sicher ist, wenn man glaubt, was politische Netzwerke einem Glauben machen wollen: Lars Brakhage lag da weit vorne, schließlich hat er bewiesen, dass er Streit schlichten kann, dass er in schwierigen Zeiten den Laden zusammenhält und vermittelt. Diese Fähigkeit haben längst nicht alle. Aber er ist gegen jemand angetreten, der ebenso leidenschaftlich Politik macht. Kerstin Vieregge hört den Bürgern zu, sie kümmert sich - und macht große Politik zu etwas, was vor Ort zu sehen ist. Dieser Fleiß hat sich in Mitgliederstimmen ausgezahlt. Jetzt kommt es darauf an, ob wirklich alle in der lippischen CDU an einem Strang ziehen. Kerstin Vieregge wurde als "Königin ohne Land" bezeichnet, als sie 2018 nach dem Streit um Wahlkampfabrechnungen als Kreisvorsitzende abtrat. Das ist Geschichte. Sie hat beim ersten Mal ihren Wahlkreis direkt geholt, was eine kleine Sensation war, und tritt nun für die CDU erneut an. Jetzt gilt: Dieses Land gewinnt man nur zweimal, wenn man im Team arbeitet und damit Wähler überzeugen kann.

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