Mehr Jugendliche und Kinder brauchen psychiatrische Behandlung

Bad Salzuflen-Schötmar. Sich an ganz andere Lebensumstände anpassen müssen, der Verlust von sozialen Kontakten und die Eingrenzung von Aktivitäten – damit kämpfen derzeit alle Menschen infolge der Coronavirus-Pandemie, insbesondere auch Heranwachsende.

In der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bad Salzuflen, die zum Klinikum Lippe gehört, werden Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 18 Jahren behandelt. Es gibt 48 stationäre und 42 tagesklinische Behandlungsplätze. Infolge der Pandemie sind diese jedoch belegt, wie Dr. Ulrich Preuss, Chefarzt der Klinik in Schötmar, erklärt.

Kliniken überall "gut ausgelastet" &bdquo;Schon seit Ende vergangenen Jahres müssen wir mehr Patienten aufnehmen, als wir Betten zur Verfügung haben, und schon seit dem Ende des ersten Lockdowns werden wir durchgängig sehr umfassend in Anspruch genommen", sagt Preuss. Durch den Austausch mit den westfälisch-lippischen Fachkollegen wisse er, dass die Kliniken und Praxen von Ärzten und Psychotherapeuten überall &bdquo;gut ausgelastet" seien. Zum Glück sei bereits eine weitere Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Kreis Minden-Lübbecke unter Leitung des Klinikums Lippe geplant (die LZ berichtete).

Trotz der angespannten Situation könne man junge Patienten in &bdquo;besonders kritischem Zustand" unter Anwendung geeigneter Schutzmaßnahmen immer sofort aufnehmen, betont Preuss. &bdquo;Da hat es niemals eine Engstelle gegeben." Wer nicht direkt einen Platz bekommt, werde nach einer eingehenden Untersuchung auf die Warteliste gesetzt. Aktuell stünden dort mehr als 100 Patienten drauf – mehr als vor der Pandemie. &bdquo;Da ist aber auch viel Bewegung drin, weil manche Patienten zum Beispiel auch woanders einen Platz bekommen", sagt Preuss. Die Klinik versuche, die Liste kontinuierlich unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der Behandlung abzubauen. Patienten sollen so schnell wie möglich aufgenommen werden.

Bislang kein Corona-Ausbruch Durch die Schutzmaßnahmen konnte die Klinik im stationären Bereich ohne Einschränkungen in der Pandemie weiter betrieben werden. Es gibt Tests auf das Coronavirus vor und in den ersten Tagen der Aufnahme. Einen Corona-Ausbruch gab es bislang nicht. Nur die öffentliche Schule im Klinikum kann und konnte – abhängig von den einzelnen Vorgaben des Landes, beziehungsweise des Bundes – den Unterricht nicht immer in gewohntem Umfang anbieten. &bdquo;Das haben selbst die Kinder und Jugendlichen vermisst, die oft ein distanziertes Verhältnis zur Schule haben", sagt Preuss.

Woran liegt es seiner Meinung nach, dass so viele junge Menschen aktuell therapeutische Hilfe benötigen? &bdquo;Das hängt mit der besonderen Situation zusammen, die die Pandemie und die erforderlichen Schutzmaßnahmen bedingen. Es herrscht Angst und Unsicherheit – auch, ob das jemals wieder vorbei sein wird", erklärt er. Die Kinder seien die Leidtragenden der Schutzmaßnahmen. Sie selbst seien zwar nicht so gefährdet wie die Älteren, an Covid zu erkranken, aber könnten andere gefährden.

&bdquo;Deshalb sind übliche Aktivitäten und soziale Treffen in der Familie oder mit Freunden, die für die kindliche Entwicklung wichtig sind, nicht in dem üblichen Maße möglich. Dadurch entsteht psychischer Stress und der führt in vielen Fällen zum Auftreten psychischer Symptome", führt der Klinikleiter aus. In manchen Fällen würden auch die Eltern durch die neuen Umstände eine Überforderung erleben, die sich negativ auf ihre psychische Gesundheit auswirkt und gelegentlich auch Folgen für die Kinder haben kann. Deshalb schätzt Preuss die Situation als besorgniserregend ein.

Ob sogar die Suizid-Gefahr zugenommen habe, kann Preuss nicht eindeutig sagen: &bdquo;Leider habe ich keine aktuelle Statistik dazu. Spürbar ist aber schon, dass sehr viele und vielleicht sogar mehr junge Menschen mit Suizidgedanken und manchmal sogar wegen Suizidhandlungen bei uns in der Notaufnahme vorgestellt werden."

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