Kreis Lippe. Zu wenig Personal, steigende Nachfrage, gleichzeitig die Qualität der Pflege aufrechterhalten: Das passt schwerlich zusammen. Darauf machen Verbände der Freien Wohlfahrtspflege seit Jahren unermüdlich aufmerksam – auch gestern zum Internationalen Tag der Pflege. In der Telefonschalte klingt Lisa Welitschko sehr zuversichtlich. Ja, sie mache ihren Job sehr gern, wolle nach der Ausbildung weiter in der Altenpflege arbeiten, sagt die Auszubildende der AWO. Dankbarkeit und Freundlichkeit der Patienten motivierten sie, „und wir haben auch Spaß, lachen viel." Solche Azubis wünschen sich die Verbände – allein, sie sind rar gesät. „Es ist schwierig, die Plätze immer besetzen zu können", sagt Birgit Kittner von der Freien Altenpflege. Aber die jungen Leute würden in aller Regel übernommen. Jens Schickel (AWO Pflege- und Betreuungsdienste) bestätigt das: „Wir haben massiv ausgebildet und so unseren den Personalbedarf gedeckt. Ein Glücksfall." Auf Ausschreibungen bewerbe sich niemand. „Eine Auswahl im klassischen Sinne haben wir nicht." Jede Pflegefachkraft könne sich ihren Arbeitgeber aussuchen. Katrin Büker von der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege fordert, die Situation der Pflege endlich zu verbessen. „Angemessene Löhne, bessere Arbeitszeiten können nur erreicht werden, wenn mehr Geld in der Re-Finanzierung ist." Basis dafür, dass Pflegekräfte ihren Job wieder als attraktiver empfinden könnten, sei eine ausreichende Personaldecke. „Wenn ich wenig Personal habe, müssen die Pflegerinnen rund um die Uhr arbeiten, auf Freie Tage verzichten." Schickel sagte, schon allein aus Schutz der Mitarbeiter vor Burnout sei es wichtig, das Pflegedienste auch schon mal Anfragen ablehnten. „Wenn uns die Mitarbeiter wegbrechen, haben die zu Pflegenden da nichts von." Der Notstand sei seit Jahren bekannt. Anderswo in Deutschland warteten die Menschen schon ein halbes Jahr auf einen Pflegedienst: „Ich hoffe nicht, das wir solche Zustände in Lippe bekommen." Lisa Welitschko berichtet von Schülern, die alleine mit einer Pflegekraft eine ganze Station versorgen müssten. „Da muss man sagen: Respekt, hoffentlich halten die durch." Für die fachliche Ausbildung wünsche sie sich mehr Schultage, „aber ich bin einfach glücklich, dass ich das gemacht habe." Schickel findet auch lobende Worte. Die Verwaltung des Kreises arbeite, gerade wenn es um Pflegebedürftige im Grundsicherungsbezug gehe, „viel kooperativer als in anderen Kommunen". Und „Die theoretische Ausbildung in Lippe ist top, wir sind mit vier Pflegeschulen extrem gut aufgestellt." Birgit Kittner und Heidi Westerheide (Freie Altenhilfe) wie auch Schickel beklagen die nach wie vor ausufernde Bürokratie, dies mache in Coronazeiten zusätzlichen Stress. „Es ist nicht verständlich, dass die Qualitätsprüfung durch den Medizinischen Dienst jetzt schon losgeht,", sagt Schickel. Der Corona-Stress sei groß. Heidi Westerheide stimmt zu. Und: „Ärzte delegieren Aufgaben, aber Entscheidungen vor Ort dürfen wir nicht treffen, auch wenn die Pflegekräfte sehr erfahren sind." Mehr Entscheidungskompetenz zu gewähren, sei eine Frage der Wertschätzung. „Wir haben immer das Gefühl, uns rechtfertigen zu müssen: Ist das korrekt, was wir da machen?" Viele Krankenschwestern rechneten gar nicht damit, dass sie es in der Pflege oder auf der Intensivstation in einer 24-Stunden-Pflege bis Rente schaffen – Stichwort Personalschlüssel. „Viele gehen über ihre Grenzen, schaffen es körperlich und psychisch oft nicht ." Die Frustration sei oft groß. „Diese Kollegen müssen über Jahrzehnte begleitet werden, damit sie den Beruf nicht nur durchstehen, sondern mit Lust und Leidenschaft weiter gerne machen."