Ein Quartett für Berlin: So blicken die Bundestagskandidaten auf die Wahl

Kreis Lippe. Vierfach wird demnächst Lippes Stimme in Berlin klingen, alle etablierten Parteien haben künftig in der Bundeshauptstadt einen Vertreter. Der Tag danach.

CDU Schön trinken konnte sich CDU-Bundestagsabgeordnete Kerstin Vieregge den Wahlabend nicht, nachdem SPD-Mann Jürgen Berghahn das Direktmandat wieder abgejagt hatte. Erst am frühen Morgen stand fest: Sie darf in Berlin bleiben. Die Landesliste zieht bis Platz 21 – Kerstin Vieregge war auf Platz 17 gesetzt und damit abgesichert. &bdquo;Ralph Brinkhaus hat mich heute morgen um 7 Uhr angerufen und mir Bescheid gesagt", erzählt sie.

Doch sitzt der Stachel tief: &bdquo;Heute überwiegen noch der Frust und die Trauer. Aber wenn ich morgen wieder im Zug nach Berlin sitze, freue ich mich, dass ich weiter zum Wohl unseres Landes arbeiten kann." Sie sieht sich als Opfer des Bundestrends. &bdquo;Unser Kanzlerkandidat hat es nicht geschafft, sich ins rechte Licht zu setzen." Das habe sie auch durchgängig an den Wahlständen gehört: &bdquo;Das ist der falsche Kandidat." Sollte er jetzt noch Kanzler werden, würde Armin Laschet es schon packen: &bdquo;Er wird schlechter geredet als er ist, er wird das schon ganz gut machen."

CDU-Kreisvorsitzender Lars Brakhage sieht Kerstin Vieregges Ergebnis schon als Bestärkung der Kandidatin, dass es nicht gereicht hat, sieht er eher im Bundestrend begründet. Für ihn war überdies der Direktsieg 2017 eher der Ausreißer, weil Lippe strukturell doch ein eher rot sei. Dass mit Detmold eine urbanere Bevölkerung zu ihrem Wahlkreis dazugekommen sei, &bdquo;hat ihr sicher nicht geholfen." Aus seiner Sicht muss die CDU bundesweit einen anderen Weg finden, das Spitzenpersonal auszusuchen: &bdquo;Wenn schon ein so großer Anteil in der eigenen Partei keine Lust hat, für den Kanzlerkandidaten Werbung zu machen, dann läuft was falsch."

SPD SPD-Wahlkreissieger Jürgen Berghahn musste gestern Koffer packen, er hat sich gegen Abend in den Zug nach Berlin gesetzt. &bdquo;Um acht Uhr am Morgen steht der erste Termin an, es sind einige Formalitäten zu erledigen. Um 9 Uhr folgt dann die erste Fraktionssitzung." Dort werde er einige vertraute Gesichter aus OWL sehen, er freue sich auf die neue Aufgabe. Gleichwohl verlasse er den Landtag mit einem weinenden Auge: &bdquo;Das wird mir jetzt allmählich klar, elf Jahre Düsseldorf waren doch eine lange Zeit." Die maßgeblich geprägt war von der Arbeit im Lügde-Untersuchungsausschuss: &bdquo;Das nimmt einen schon mit, das schüttelt man nicht ab." Kinderschutz-und -rechte stünden mit Sicherheit ganz oben auf der Agenda seiner Arbeit, unabhängig davon, in welchem Ausschuss er landen werde. In den kommenden Tagen stehen dann Wohnungssuche und anderes an.

SPD-Kreisvorsitzende Ellen Stock freut sich über das gute Ergebnis für Berghahn als auch für die SPD lippeweit. Dass die Partei einen neuen Bundestagsabgeordneten hat, heißt aber auch, dass eine Lücke im Landtag entsteht. Spätestens, bis sich der neue Bundestag konstituiert hat, muss Berghahn sein Landtagsmandat abgeben. Danach rückt der Nächste auf der Landesliste, Achim Tüttenberg aus Troisdorf, nach. Und Stock muss einen neuen Kandidaten für die Landtagstagswahl im Mai finden. Davor ist Stock nicht bange: &bdquo;Gerade in dem Wahlkreis von Jürgen Berghahn haben wir keine Not". Die Delegiertenkonferenz zur Aufstellung ist am 30. Oktober.

&bdquo;Großartig" nennt Stock das Ergebnis von Dr. Ulrich Kros im Wahlkreis Höxter/Lippe II/ Gütersloh III. Er hatte dort &bdquo;respektable" 28 Prozent der Erststimmen geholt. Die SPD würde den Nieheimer gern weiter in die lippische Politik einbinden, immerhin arbeite er in Detmold. Mit Blick auf die anderen lippischen Zahlen blicke sie &bdquo;mit Erschrecken" auf die Ergebnisse der AfD, die punktuell, etwa in einigen Wahlkreisen in Detmold, Lage und Augustdorf, &bdquo;sehr, sehr stark" vertreten sei. &bdquo;Da müssen wir weiter gegenarbeiten."

AFD Lange war es knapp, dann stand schließlich fest: Udo Hemmelgarn (AfD) hat den Wiedereinzug in den Bundestag knapp verpasst; der Harsewinkler war nach einem parteiinternen Streit Kreisvorsitzenden mit dem Gütersloher Kreisvorsitzenden Axel Nußbaum statt in Gütersloh im Wahlkreis Lippe I angetreten. Die Landesliste zog bis Platz 12, Hemmelgarn war auf 13 platziert und ist somit erster Nachrücker. Sein von der LZ angefragtes Statement blieb bis Redaktionsschluss aus. &bdquo;Insgesamt zufrieden" mit dem Wahlergebnis zeigt sich AfD-Mann Klaus Lange (Lippe II). &bdquo;Überall dort, wo wir Gesicht und Präsenz gezeigt haben, konnten wir die Verluste, die durch den Bundestrend vorgegeben waren, in Grenzen halten."

Grüne Robin Wagener war am Tag nach der Wahl schon auf Wohnungssuche in Berlin. Eine Regierung, mit der man gut arbeiten könne, wünscht er sich. Ähnlich ungewiss wie der Ausgang der Koalitionsverhandlungen ist, wie es langfristig mit seinen politischen Ämtern in der Heimat weitergeht. &bdquo;Mir liegt die kommunale Ebene sehr am Herzen und natürlich will ich dort weitermachen", sagt Robin Wagener, zumindest wünsche er sich das. Ob der Sitz im Salzufler Stadtrat oder der Posten als stellvertretender Landrat langfristig als Bundestagsabgeordneter machbar seien, werde der Alltag in Berlin zeigen.

Ein großes Lob gehe derweil an seinen Parteikollegen Nik Riesmeier aus Oerlinghausen (Wahlkreis 136), der in einem nicht unbedingt &bdquo;Grünen-Wahlkreis" mit 8,7 Prozent der Erststimmen ein starkes Ergebnis erzielt habe. &bdquo;Er hat einen beeindruckenden Wahlkampf gemacht", sagt Wagener. Für Dr. Inga Kretzschmar, Kreisvorsitzende der Grünen, tröstet das gute Abschneiden aus OWL-Sicht mit drei Mandaten etwas über die enttäuschten Hoffnungen auf Bundesebene hinweg. &bdquo;Wir haben gezeigt, es geht nur mit Veränderungen. Jetzt müssen wir dranbleiben", sagte Kretzschmar.

FDP FDP-Kreisvorsitzender Carsten Möller freut sich, dass Christian Sauter den Wiedereinzug in den Bundestag geschafft hat – und auch darüber, dass Rot-Rot-Grün verhindert wird. Gleichwohl: &bdquo;Wir sind überall ein bisschen abgesackt, persönlich hätte ich schon mit einigen Prozentpunkten mehr gerechnet. Auch nach den vielen guten Gesprächen an den Ständen."

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