Arbeit im Ausnahmezustand: Blick hinter die Kulissen im Gesundheitsamt

Kreis Lippe. Keine andere Behörde steht seit dem Beginn der Corona-Pandemie so im Fokus wie die Gesundheitsämter im Land. Sie sind die zentralen Säulen im Pandemiemanagement, die die häufig wechselnden und nicht immer klaren Vorgaben der Bundes- und Landesregierungen umsetzen müssen und damit zwischenzeitlich so überlastet sind, dass Soldaten der Bundeswehr aushelfen müssen.

Auch derzeit laufen die Behörden vielerorts heiß. Doch wie läuft die Arbeit in einer Behörde, in der seit zwei Jahren Ausnahmezustand herrscht? Das Gesundheitsamt Lippe gewährt einen Blick hinter die Kulissen.

&bdquo;Die Pandemie hat die Arbeit im Gesundheitsamt grundlegend verändert", erklärt die Leiterin des lippischen Gesundheitsamtes, Kerstin Ahaus. &bdquo;Keine andere Krise hat so großen Einfluss auf unsere Arbeit genommen, weil wir deutlich mehr Aufgaben übernehmen müssen." Vor der Pandemie bestand Ahaus Team aus 45 Mitarbeitern, inzwischen sind es 180. &bdquo;Zu Spitzenzeiten waren es 300."

Arbeit im Container mit Wolldecken

All die neuen Mitarbeiter, die mitunter nur für wenige Monaten im Gesundheitsamt arbeiten, weil sie aus anderen Bereichen der Kreisverwaltung abgezogen wurden, müssen laut Ahaus in kurzer Zeit geschult und mit Räumen, Möbeln und Technik ausgestattet werden. &bdquo;Schnell ist so bereits 2020 klar geworden, dass das Gesundheitsamt im Medicum Lemgo dafür zu klein ist."

Ausweichflächen findet die Behörde in einem Verwaltungsgebäude des Klinikums Lippe. Zudem müssen Container errichtet werden. &bdquo;Vieles muss dann zunächst provisorisch laufen. Trotzdem natürlich immer mit Blick auf den Infektionsschutz, um einen Corona-Ausbruch zu verhindern", sagt Ahaus. &bdquo;So mussten im ersten Corona-Winter in gut gelüfteten Containern Kollegen auch schon mal mit Wolldecken arbeiten."

Als eines von nur wenigen Gesundheitsämtern in NRW betreibt die Behörde in Lippe auch eine eigene Teststelle und beschäftigt ein mobiles Testteam, das derzeit aus 15 Mitarbeitern besteht. &bdquo;Das Testteam konzentriert sich auf vulnerable Gruppen, insbesondere auf Menschen, die in Einrichtungen leben oder betreut werden, in denen das Coronavirus ausgebrochen ist", erklärt die Leiterin des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes im lippischen Gesundheitsamt, Janine Tölle. Möglich seien Tests aber auch für Menschen, die aufgrund von Symptomen nicht in öffentliche Testzentren können und auch keinen Termin beim Hausarzt erhalten. &bdquo;Können Betroffene nicht zum Testzelt kommen, fahren unsere mobilen Teams im gesamten Kreisgebiet zu den Betroffenen raus."

Sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag erreichbar

Gekennzeichnet ist die Arbeit im Gesundheitsamt in allen Bereichen von kurzfristigen Änderungen. &bdquo;Zum einen aufgrund der sich stetig ändernden Infektionslage, zum anderen aufgrund der vielen Regeländerungen durch die Politik", erklärt Ahaus. In der Folge steigt die Verunsicherung in der Bevölkerung, geäußert werden aber auch Ängste und Ärger. &bdquo;Der Informationsbedarf ist gewaltig, aber auch der Bedarf an psychologischer Betreuung, weshalb wir auch Psychologen einsetzen." So kam es laut Ahaus nach telefonischen Beratungen auch schon vereinzelt wegen psychischer Belastungen zu Einweisungen.

Die Belastungen der Pandemie sind auch im Team des Gesundheitsamtes zu spüren. Während Ahaus und Tölle durch die Behörde führen, klingeln ihre Telefone im Minutentakt. &bdquo;Wir müssen sieben Tage die Woche über 24 Stunden erreichbar sein und so hat sich für das gesamte Team die Sechs-Tage-Woche mit Überstunden etabliert", sagt Ahaus. Diese Erreichbarkeit sei jedoch entscheidend für den Erfolg des Pandemiemanagements. &bdquo;Das funktioniert nämlich nur im engen Austausch aller Beteiligten im Krisenstab, denn die Infektionslage kann sich innerhalb weniger Tage dramatisch verschlechtern."

Kontrolle der Impfpflicht als neue Aufgabe

Zudem müssen Ahaus und ihr Team jederzeit mit neuen Aufgaben rechnen, so wie aktuell mit der Überprüfung der Impfpflicht im Gesundheitswesen, die ab dem 15. März gilt. &bdquo;Etliche Unternehmen müssen uns dann melden, wenn Mitarbeiter keinen Immunitätsnachweis vorlegen und wir müssen dann im Einzelfall prüfen, ob wir ein Tätigkeitsverbot aussprechen", erklärt Ahaus. &bdquo;Dafür fehlt uns derzeit aber noch die rechtliche Handhabe, weil das Gesetz Ausnahmen nicht klar definiert." Zudem fehle Personal, sagt Ahaus. &bdquo;Wenn wir davon ausgehen, dass das Gesundheitsamt Lippe etwa 4.000 Fälle ungeimpfter Beschäftigter im Gesundheitswesen überprüfen muss, benötigen dafür 20 Vollzeitkräfte etwa ein Jahr."

Dabei sind Gesundheitsämter in Deutschland nicht nur für das Pandemiemanagement zuständig, sondern weiterhin auch für ihre Kernaufgaben wie den amtsärztlichen und sozialpsychiatrischen Dienst, Hygieneüberwachung und weitere Aufgaben zur Durchführung des Infektionsschutzgesetzes. &bdquo;Unsere Kernaufgaben kommen in der Pandemie vielfach zu kurz", sagt Tölle. &bdquo;Wir versuchen alles, um alle Aufgaben bestmöglich zu erfüllen, doch durch die Pandemie ist das nicht immer möglich." So laufen die Schuleingangsuntersuchungen im Kinder- und Jugendärztlichen Dienst beispielsweise nach wie vor in reduzierter Form.

Arbeit im Ausnahmezustand: Blick hinter die Kulissen im Gesundheitsamt

Rechnen, Hüpfen, Sprechen: i-Männchen bringen auch in Lippe immer mehr Defizite mit

Wenn „Blaumachen“ zur Regel wird: Immer mehr Schulverweigerer alarmieren Lipper Experten

Viele Angebote: Wie Hilfe für psychisch Kranke in Lippe besser abgesprochen werden soll

Kalletaler Kinderärztin fängt im Januar 2026 an

23-Jähriger aus dem Kreis Gütersloh bei TV-Show: So lief mutiges Blind-Date vor Kameras

Absturz in Porta Westfalica: 25-Jähriger schwer verletzt - schwierige Rettung

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus!

0,99 Euro im ersten Monat

Weiterlesen mit LZplus