Robin Wagener im Interview: "Alle Maßnahmen können verschärft werden"

Bad Salzuflen/Berlin . Der Krieg in der Ukraine tobt weiter, die russische Armee beschießt auch Zivilisten. Robin Wagener ist Mitglied der Grünen-Bundestagsfraktion und Vorsitzender der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe. Der Bad Salzufler erklärt, warum er einen sofortigen Stopp von Energie-Importen aus Russland dennoch für falsch hält und warum eine Flugverbotszone über der Ukraine nicht in Betracht kommt.

Herr Wagener, die Hilfsbereitschaft in Deutschland für die Ukraine ist riesengroß, viele Bürger wären zu Einschnitten bereit, um den Menschen dort zu helfen. Warum stoppt Deutschland nicht alle Energie-Importe aus Russland?

Robin Wagener: Ich bin sehr dafür, dass wir die Möglichkeiten, die wir haben, nutzen, um die russische Kriegsmaschinerie von Geldflüssen abzuschneiden. Wir müssen allerdings damit rechnen, dass wir Sanktionen über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten müssen und nicht nur ein paar Wochen. Unglücklicherweise ist Deutschland hochgradig abhängig von Energie-Importen aus Russland. Das finde ich nicht gut und die Grünen haben lange davor gewarnt, auch aus geostrategischer Sicht. Das nützt uns jetzt aber nichts. Wir müssen also sehr genau prüfen, was wir umsetzen und dann auch durchhalten können.

Also opfern wir eher die Menschen in Kiew und Odessa, als ein bisschen in Deutschland zu frieren?

Wir sprechen hier nicht nur davon, die Heizung um ein paar Grad runterzudrehen. Das sollten wir übrigens alle machen, damit schaden wir auch der russischen Kriegsmaschinerie. Wenn wir aber von einem totalen Boykott russischer Energie sprechen, würde das heftige Preissteigerungen für jeden Einzelnen bedeuten und immense Schäden für Industrie und Wirtschaft. Wir müssen darauf hinarbeiten, uns von den russischen Energieimporten abzukoppeln, und das so schnell wie möglich. Ich argumentiere auch dafür, zu schauen, ob wir die Sanktionen in dem Bereich verschärfen können. Aber das muss gut überlegt sein.

Viele Beobachter sagen, Putin hält den Westen für zu weich. Hat er recht?

Nein, er hat nicht recht und das merkt er jetzt gerade. Putin hat geglaubt, die USA seien handlungsunwillig, die Europäische Union uneinig und Deutschland schwach. Was wir stattdessen sehen, ist eine ungemeine Geschlossenheit des Westens. Wir sehen nie zuvor dagewesene harte Sanktionen, die in einer unglaublichen Geschwindigkeit aufgelegt wurden. Wir haben die russische Nationalbank von den internationalen Geschäften ausgeschlossen, es gibt persönliche Sanktionen sowohl gegen Entscheidungsträger in der Duma als auch gegen Oligarchen und Putin selbst. Nicht zuletzt ist mit den Waffenlieferungen an die Ukraine eine handfeste militärische Unterstützung verbunden.

Die Sanktionen mögen hart sein, hart ist ganz sicher das Vorgehen der russischen Armee, die offenbar gezielt Zivilisten ins Visier nimmt. Warum schafft die Nato jetzt keine Flugverbotszone über der Ukraine?

Mich zerreißt diese Frage auch. Wir müssen aber rationale Entscheidungen treffen. Eine Flugverbotszone würde bedeuten, dass die Nato russische Flugzeuge und russische Raketen abschießt. Dafür bräuchte man zunächst einmal die Luftüberlegenheit und das würde bedeuten, Luftabwehrstellungen in Russland und in Belarus auszuschalten. Die direkte Konfrontation zwischen Nato-Truppen und russischen Truppen hat ein so erhebliches Eskalationspotenzial für die ganze Welt, dass die gesamte Nato nicht bereit ist, diesen Schritt zu gehen. Denn damit wären wir unmittel bar im Krieg mit Russland.

Deutschland tut sich auch schwer damit, Offensivwaffen zu liefern...

Deutschland und das westliche Bündnis liefern eine ganze Menge Waffen und wir prüfen kontinuierlich, was wir da noch machen können. Die Frage, welche Waffen offensiv und welche defensiv sind, halte ich in dem Kontext für schwierig. Es geht darum, die Waffen zu liefern, die die Ukraine zur Verteidigung braucht.

Sie haben erläutert, warum die Nato keine Flugverbotszonen schaffen will. Glauben Sie nicht, dass das Putin ermutigt, weitere Länder anzugreifen? Die Geschichte hat gezeigt, dass Appeasement (also Beschwichtigungspolitik) gegenüber Diktatoren nicht funktioniert.

Ich sage seit Monaten, dass Appeasement nicht funktioniert. Wir müssen Putin klare Grenzen zeigen, und das haben wir auch getan. Wichtig ist, dass wir einen kühlen Kopf bewahren. Richtig ist aber auch: Alle Maßnahmen können verschärft werden.

1999 haben die Grünen sich für einen deutschen Kriegseinsatz im Rahmen der Nato entschieden, um den serbischen Angriff auf den Kosovo zu beenden. Das war hoch umstritten. Sind die Grünen seitdem zurückhaltender geworden?

Wir sprechen jetzt von einem anderen Krieg. Es geht darum zu bewerten, wie die völkerrechtliche Situation ist, aber wir müssen auch die Gesamtlage bewerten. Ich habe ja gerade erklärt, in was für eine Situation wir geraten, wenn es zu einer direkten Konfrontation zwischen Nato und Russland kommt. Das ist keine Frage von grüner Politik, sondern alle westlichen Staaten inklusive der USA sind sich einig, wie gefährlich eine solche Konfrontation werden könnte. Im Übrigen hat der Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, fortwährend zu prüfen, welche Sanktionen gegen Russland noch verschärft werden können und welche Hilfe man der Ukraine noch zukommen lassen kann.

Sie stehen im Austausch mit Menschen in der Ukraine. Was berichten die Ihnen?

Sie schildern das, was wir in den Nachrichten sehen. Ein Terror-Krieg der russischen Armee gegen die Zivilbevölkerung. Das lässt erahnen, welches Terrorregime auf die Ukraine zukommt, sollte Russland gewinnen.

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