Corona-Rückblick: Klassenfahrt endete mit Quarantäne

Kreis Lippe. Eine völlig vermummte Gestalt nimmt einen Packen Papier entgegen, die Szene gleicht dem Film &bdquo;Outbreak", nur dass der Virusausbruch diesmal sehr real und nah ist. Am Hangar in Detmold ist die Klasse des Lüttfeld-Berufskollegs vor gut zwei Jahren angekommen. Und nach der Klassenfahrt ging es gleich in die Quarantäne.

Tobias Lüttig hat die Formulare vor zwei Jahren aus dem Bus gereicht, die Fahrt ist ihm und seinem Kollegen Christian Rohe nachhaltig in Erinnerung geblieben. Aber in sehr guter, auch wenn die Umstände etwas anderes vermuten lassen. Zu dem Zeitpunkt im März war das Coronavirus noch ganz am Anfang, die Meldungen über die ersten Infektionen lösten viele Ängste aus. Der Kreis Lippe richtete am Hangar ein Zentrum ein, damit Infizierte nicht etwa in den Hausarztpraxen vorstellig werden.

Klassenfahrt nach Venedig wird abgesagt

Vieles war unsicher. Die Bezirksregierung hatte der Schulleitung im Vorfeld freigestellt, die Fahrt in Rücksprache mit den Betroffenen abzusagen, im Fall der Venedig-Fahrt war das auch geschehen. &bdquo;Als wir gefahren sind, war Südtirol noch kein Risikogebiet. Wir haben das mit den Eltern kommuniziert, denn hätten wir da abgesagt, hätten wir nichts erstattet bekommen", sagt Lüttig.

Klassenfahrten seien auch keine freiwilligen Veranstaltungen, sondern Pflicht. Allerdings habe man in dem Fall davon Abstand genommen, eine Lehrerin und einige wenige Schüler entschieden sich gegen die Fahrt. &bdquo;Wir fühlten uns auch sicher, weil wir im Hotel weitgehend für uns waren und auf der Piste auch", erklärt Rohe.

Eltern sind besorgt 53 Schüler und ihre Lehrer verbrachten sportliche Tage in der Region um Meransen, in der Gegend, in der auch die erste infizierte Lipperin Skiurlaub gemacht hatte. Und während die Lipperinnen und Lipper die Pisten unsicher machten, drehte sich Zuhause alles. Am Donnerstag hatte der Kreis Lippe einen Test noch nicht für notwendig gehalten, weil das Robert-Koch-Institut (RKI) Südtirol noch nicht zur Risikoregion erklärt hatte. Dann legte das RKI den Schalter um. Die Schule informierte die Eltern, dass die Ankunft anders ablaufen wird.

&bdquo;Das Telefon stand nicht mehr still. Und es riefen auch Eltern an, die gar nicht direkt betroffen waren. Sie hatten Sorge, dass das Virus eingeschleppt wird und sich an der Schule verbreitet", sagt der Leiter des Lüttfeld Berufskollegs, Manfred Kreisel. Er hatte allerdings nicht nur die Anrufe zu managen, er schickte auch die Formulare per PDF an die Gruppe, Lüttig bat bei einem Tankstellen-Stop darum, dass er sie ausdrucken durfte. &bdquo;Wir haben natürlich alle Tankstelleneinkäufe bei den Pausen unterbunden, es war nicht so einfach. Die Stimmung war trotzdem gut, es war schon aufregend", sagt er im Rückblick. Im Bus wurde dann alles ausgefüllt, was bei der Ankunft im Hangar abgegeben werden musste. Es ging um Symptome, um gesundheitliche Auffälligkeiten.

Kein positiver Abstrich

Dort warteten die Eltern auf ihre Kinder in einem separaten Bereich, sie waren darauf vorbereitet worden, dass sie schnurstracks nach Hause fahren und in Quarantäne mussten. Abstriche wurden genommen. &bdquo;Kein einziger war positiv, deshalb dachten wir, dass wir nur kurz, drei Tage, wie es auch angekündigt war, in Quarantäne müssen. Aber das war ein Irrtum", sagt Lüttig. Es wurden zwei Wochen daraus.

&bdquo;Wenn man sich das heute überlegt, ist das ja verrückt, aber zu dem Zeitpunkt war die Unsicherheit groß." Und so richtig große Freude löste die schulfreie Zeit nicht aus. &bdquo;Zwei Wochen in der Isolation, das ist für Jugendliche kein Vergnügen." Schaue man sich heute die Inzidenzen an, sei die Aufregung schwerlich nachvollziehbar. Die Pandemie gehöre mittlerweile zum Alltag, man sei bei den Risikoeinschätzungen sehr viel weiter, es gebe Impfungen, die Hygieneregeln seien eingespielt. Und Klassenfahrten? Die stehen wieder auf dem Plan, 2023 auch wieder eine Fahrt ins Skigebiet, außerdem auch Norderney, wo man &bdquo;hervorragend Windsurfen lernen kann". &bdquo;Die Jugendlichen profitieren zusätzlich davon, weil sie sich besonders einbringen. Sie schneiden Filme, machen besondere Dokumentationen im Anschluss. Die gemeinsame Zeit ist ein Gewinn", sagen beide Berufsschullehrer.

Bundeswehr half und baute weiteres Behandlungszentrum auf Die Diagnose ist die eine Sache – aber was ist mit denen, die Symptome haben? Wenn sie in die Praxen kommen, besteht die Gefahr, dass sie andere anstecken. Also wird neben dem Diagnosezentrum auch ein zusätzliches Behandlungszentrum aufgebaut. Die Bundeswehr springt ein, bis zum 10. Juni 2020.

Am Ende zieht die Kassenärztliche Vereinigung eine positive Bilanz. Der Mediziner Karl Arne Faust hat das Behandlungszentrum der Kassenärztlichen Vereinigung aufgebaut. Er hat 17 Jahre lang als Sanitätsoffizier in der Bundeswehr gedient und war bei Auslandseinsätzen dabei. Dabei hat er viel erlebt, was eben nur mit schnellem Handeln in den Griff zu bekommen ist. Das Virus fällt in diese Kategorie.

Arztpraxen sollen entlastet werden &bdquo;Was wäre wenn" – für Faust ist es angesichts der steigenden Infektionszahlen im März 2020 keine Frage, dass es richtig ist, zu handeln. Das Behandlungszentrum ist ein &bdquo;Back Up" für die Praxen, die sollen eben nicht ausfallen, wenn Mitarbeiter oder Ärzte in die Quarantäne müssen. Als die Zahlen sinken, wird geschlossen. Die Praxen übernehmen, es werden separate Räume vorgehalten, es gibt Infektionssprechstunden und Schutzausrüstung – die Beschaffung, die anfangs ein großes Problem war, ist mittlerweile ausreichend vorhanden.

&bdquo;Wir konnten zu Beginn des Ausbruchs die Patientenströme nicht separieren. In den vergangenen Wochen haben wir das System aufgebaut. Käme es zu einer zweiten Welle, wären wir vorbereitet", sagt Faust bei einem Pressegespräch als es um den Aufbau geht. Mittlerweile sind alle einige Wellen weiter.

Eine Rettungsstation am Hangar Zum damaligen Zeitpunkt ist vieles ungewiss – und schnelles Handeln ist notwendig. Innerhalb von drei Stunden hat die Bundeswehr eine Rettungsstation auf dem Hangar-Gelände aufgestellt. Die Soldaten werden zur Unterstützung des Corona-Behandlungszentrums gerufen.

Die Rettungsstation, die eigentlich dazu gedacht ist, verletzte Soldaten zu versorgen, dient einige Wochen als Behandlungszentrum für die, die sich mit dem Coronavirus angesteckt haben könnten und keinen Hausarzt haben. Das System ist komplett autark, die Energieversorgung läuft über Generatoren, es gibt Wassertanks, Behandlungsräume, Anschlüsse für Computer und auch eine Notfallversorgung wäre in einem separaten Container mit einem kleinen OP gesichert.

Soldaten helfen demGesundheitsamt Einige Soldaten springen später im übrigen auch beim Gesundheitsamt ein, weil die Kontaktnachverfolgung sehr aufwendig ist. &bdquo;Nachdem die Arbeitsabläufe im Hangar 21 nun gut eingespielt sind, ist es ein guter Zeitpunkt, um bei der Bundeswehr Dankeschön zu sagen", heißt es damals in einer Pressemitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). Landrat Dr. Axel Lehmann verabschiedet zusammen mit dem KVWL-Bezirksstellenleiter Dr. Hans-Christian Körner sowie dem Standortleiter des Corona-Behandlungszentrums Karl Arne Faust die rund 15 Soldaten der Bundeswehr. &bdquo;Wir bedanken uns ganz herzlich beim Kreis Lippe, der mit seinem Amtshilfeersuchen an die Bundeswehr den Einsatz erst möglich gemacht hat. Unser großer Dank gilt natürlich auch den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr selbst, die in kürzester Zeit die Infrastruktur geschaffen haben, damit wir als KVWL hier ein Corona-Behandlungszentrum betreiben können", betonen Körner und Faust. Auch nach Beendigung der Unterstützung durch die Bundeswehr wird das Behandlungszentrum am Hangar 21 in Detmold erst noch weitergeführt – Patienten mit Atemwegserkrankungen oder Verdacht auf eine Coronavirus-Infektion werden in zwei Behandlungscontainern weiterhin auf dem Gelände versorgt.

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