Missbrauchsfälle von Lügde: Ausschuss wirft Behörden Versagen vor

Ingo Kalischek

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Akten zum Lügde-Prozess - © Bernhard Preuss
Akten zum Lügde-Prozess (© Bernhard Preuss)

Düsseldorf/Lügde. Die Aufarbeitung des Missbrauchskomplexes Lügde könnte ein Nachspiel für die Polizei haben. Der Untersuchungsausschuss im Landtag habe nachweislich dargestellt, dass zwei Polizisten im Zuge der Vernehmungen die Unwahrheit gesagt hätten, betonte der Ausschuss-Vorsitzende Martin Börschel (SPD) am Donnerstag.

Aufgrund der einstimmigen Beschlusslage erwarte er, dass das NRW-Innenministerium nun dienstrechtliche Schritte einleite, sagte Börschel während der Vorstellung des Zwischenberichts im Landtag. Die Staatsanwaltschaft dürfe nach der Vorstellung des Berichts tätig werden, so Börschel.

Hintergrund: In den Räumen der Polizei Lippe, die anfangs mit der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle beauftragt war, war 2019 ein Alukoffer mit wichtigem Beweismaterial verschwunden. Bis heute ist nicht klar, warum. Schon ein Sonderermittler des Innenministeriums konnte diesen Koffer laut Börschel nicht wiederbeschaffen. "Wir sind aber zu der Überzeugung gelangt, dass zwei Polizisten im Ausschuss in diesem Kontext die Unwahrheit ausgesagt haben."

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags hat derweil "umfangreiches Behördenversagen" zu den sexuellen Missbrauchstaten auf einem Campingplatz in Lügde (Kreis Lippe) festgestellt. „Die Menge an Versäumnissen, Fehlern, Fehleinschätzungen und Kommunikationspannen lassen strukturelle Probleme erkennen, die über das Versagen einzelner hinausgehen", sagte Börschel (SPD).

„Selten hat der Staat bei der Wahrnehmung eines Verfassungsauftrags so versagt wie im Fall der 'Kinder von Lügde'", mahnte Börschel. Die Täter hätten zudem zwei Jahre früher gestoppt werden können, wenn die zuständigen Behörden ihre Aufgaben erfüllt hätten.

Der mehr als 4.000 Seiten starke Zwischenbericht listet zahlreiche Vorwürfe gegen die Behörden auf. Weder in den zuständigen Jugendämtern in den Kreisen Lippe und Hameln-Pyrmont (Niedersachsen) noch bei der Polizei im Kreis Lippe habe es im Vorfeld oder bei der Aufarbeitung der Taten zumindest so etwas wie „Dienst nach Vorschrift" gegeben, sagte Börschel. Die beiden Jugendämter hätten im Falle eines missbrauchten Patenkindes nur unzureichend kommuniziert.

Der Untersuchungsausschuss war nach Bekanntwerden des massenhaften sexuellen Missbrauchs auf dem Campingplatz eingerichtet worden. In zweieinhalb Jahren fanden rund 70 Sitzungen statt, mehr als 120 Zeugen wurden gehört. Laut Börschel wurden mindestens 32 Kinder missbraucht. Die beiden Haupttäter waren 2019 vom Landgericht Detmold zu 13 Jahren und 12 Jahren Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden.

Ausschuss macht Verbesserungsvorschläge

Der Ausschuss machte Verbesserungsvorschläge. So müsse ein Jugendamt im Falle einer möglichen Kindeswohlgefährdung „wirksame Maßnahmen zum Schutz des Kindes" ergreifen. Landesweit müssten standardisierte Qualifikationen oder Zusatzqualifikationen eingeführt werden.

In der Polizei müsse der Bekämpfung von Kindesmissbrauch und Kindesmisshandlung hohe Priorität eingeräumt werden. Zudem müsse bei Hinweisen auf mögliche sexuelle Übergriffe das Kindeswohl an erster Stelle stehen - noch vor der Strafverfolgung.

Mit Material von epd

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