Tierarzt-Kosten steigen: Droht Tierheimen neue Abgabewelle?

Kreis Lippe. Ist das geliebte Haustier krank, zögern Tierbesitzer meist nicht lang und suchen Hilfe beim Tierarzt. Ab November müssen Kunden dort deutlich tiefer in die Tasche greifen als bisher. Grund dafür ist die neue Gebührenordnung für Tierärzte, die ab dem 22. November in Kraft tritt. Des einen Freud ist des anderen Leid: Während viele Tierarztpraxen aufatmen, weil es seit fast 20 Jahren kaum Anpassungen bei der Gebührenordnung gab, wird es viele Tierbesitzer und Tierheime hart treffen.

Im Mai hatte das Bundeskabinett die überarbeitete Gebührenordnung für Tierärzte beschlossen. Darin werden nun auch aktuelle veterinärmedizinische Behandlungsmethoden berücksichtigt, heißt es von der Bundestierärztekammer. Zudem sichere die neue Gebührenordnung die Existenz vieler Praxen. Dr. Arne Timm betreibt seit mehr als 25 Jahren eine Tierarztpraxis in Bad Salzuflen und meint, dass die Anpassung der Gebührenordnung wirklich überfällig war. "Wir stehen unter enormem Kostendruck wie alle Unternehmen. Wir sind kein Kuschelzoo und müssen klarkommen", sagt er.

Arne Timm: "Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht" Er sieht jetzt schon, dass viele Praxen betriebswirtschaftlich in Schieflage sind. "Ich weiß, dass vielerorts gar nicht alles in Rechnung gestellt wird. Vermutlich werden viele Praxisbesitzer später einmal nur den Mindestsatz bei der Rente bekommen. Das kann es doch für einen Akademiker nicht sein", meint er. Zudem seien laut Timm die Preise für Medikamente wie etwa Antibiotika rapide angestiegen. "40 Prozent mehr zahlen Sie dafür momentan." Er denkt, dass sich auf Dauer 30 bis 40 Prozent der Tierbesitzer die hohen Tierarztkosten nicht mehr leisten werden können.

"Für Ältere und junge Familien mit gleich mehreren Tieren kann es eng werden", befürchtet er. Viele hätten im Homeoffice nicht wirklich gut überlegt ein Haustier angeschafft, das es jetzt auch in schwierigen Zeiten zu versorgen gelte. "Die hohen Energiekosten sind zudem gar nicht in der neuen Gebührenordnung berücksichtigt. Auch die Versicherer drohen uns bereits mit Preissteigerungen", sagt Timm. Das Ende der Fahnenstange sei noch lange nicht erreicht.

Tierheim-Chef sieht Kommunen in der Pflicht Mit Sorge blickt auch Christopher Imig, Vorsitzender des Detmolder Tierheim-Trägervereins &bdquo;Tierschutz der Tat", auf die kommenden Wintermonate. "Es ist ein hartes Geschäft und wir haben schon jetzt kaum noch Kapazitäten. Wir können aktuell keine einzige Katze mehr aufnehmen . Die Tierarztkosten bei uns liegen gerade monatlich zwischen 4000 und 8000 Euro. Wenn da jetzt an vielen Stellen Preissteigerungen von bis 30 bis 40 Prozent auf die Leistungen hinzukommen, dann heißt es 'Gute Nacht' für uns", formuliert es Imig.

Dazu kämen noch hohe Energie- und Personalkosten. "Die Mindestlohnerhöhung hat uns schon hart getroffen. Wir haben jetzt auch einen Brief vom Energieversorger bekommen, dass wir uns auf das sechsfache der jetzigen Energiekosten einstellen sollen", sagt Imig und fragt sich, wie die wichtige Arbeit des Tierheims in Zukunft fortgeführt werden kann. "Ich renne seit knapp zehn Jahren den Bürgermeistern hinterher, damit die uns endlich das Geld zukommen lassen, das wir für unsere öffentliche Aufgabe benötigen. Und immer noch werden wir vielerorts einfach mit lediglich der Hälfte der Summe abgespeist, die wir benötigen - wie etwa in Augustdorf." Detmold sei hingegen ein besseres Beispiel, denn es gebe wenigstens eine Steigerung um zehn Prozent von Jahr zu Jahr. Und dennoch reiche das Geld vorne und hinten nicht. "Wir sind erpressbar. Sollen wir etwa zugucken, wie die Tiere verrecken? Nein, wir nehmen sie natürlich bei uns auf", sagt Christopher Imig. "Die Kommunen sind in der Pflicht."

Was kostet künftig mehr? Die Preise für beinah alle Leistungen beim Tierarzt steigen. So kostet eine allgemeine Untersuchung mit Beratung von Hund oder Katze künftig 23,62 Euro und ist damit im Fall der Katze künftig drei Mal so teuer wie bisher (8,98 Euro ohne Mehrwertsteuer). Auch bei der Kastration eines Rüden (bisher 51,31 Euro) oder Katers (19,24 Euro) zahlt der Tierbesitzer künftig mehr. Beim Rüden ab November dann 70,60 Euro und beim Kater 30,32 Euro - für die reine OP. Um die Kosten für eine Operation zu kalkulieren, müssen aber noch weitere geführenpflichtige Leistungen hinzugerechnet werden. Zum Beispiel, Narkose, Untersuchung, Venenkatheter, Intubation, Monitoring, usw.

Untersuchung Einen Lichtblick gibt es dann doch: Es gibt auch wenige Behandlungen, die ab November günstiger werden, wie etwa das Röntgen. Wer sparen will, sollte noch möglichst vor Inkrafttreten der neuen Gebührenordnung einen Besuch beim Tierarzt einplanen, wie etwa für die alljährliche Kontrolle, die Kastration oder eine Impfung, die in Kürze anstehen würde.

Sämtliche Beträge in der Gebührenverordnung sind Netto-Beträge. Hinzu kommt jeweils noch die Mehrwertsteuer von 19 Prozent.

Und dennoch: Ein Blick auf die neue Gebührenordnung reicht oft nicht aus, um die genaue Höhe der Tierarztrechnung vorherzusagen. Veterinäre haben dabei Spielraum, welchen Satz sie für jedes individuelle Tier in Rechnung stellen. Es kann der einfache, der zweifache oder gar drei- und vierfache Satz sein, je nach Art der Behandlung, mögliche Komplikationen und Zeit - wie etwas nachts, an Feiertagen oder am Wochenende.

Weitere Infos unter www.bundestieraerztekammer.de

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