Urteil nach Sexualdelikt in Detmold: "Sie sind nicht das Opfer, Sie sind der Täter"

Detmold. Gerade einmal 19 Jahre ist der junge Mann auf der Anklagebank alt und trotzdem hat er aus Sicht der Richterin "den traurigen Höhepunkt seiner kriminellen Karriere" bereits erreicht. Die große Jugendkammer ist nach zwei Verhandlungstagen überzeugt davon, dass der schon mehrfach vorbestrafte Intensivtäter im Juni 2022 eine Bekannte (17) brutal an einer direkt an der Werre gelegenen Parkbank im Detmolder Stadtgebiet vergewaltigt hat. Obwohl es Zeugen und DNA-Spuren gibt, bestreitet er die Tat bis zum Schluss.

Mit gesenktem Kopf lässt der Angeklagte die restliche Beweisaufnahme über sich ergehen, nicht einmal hebt er den Kopf. Mitleid scheint er nur für die eigene Situation aufzubringen, so kommt es auch der Vorsitzenden Richterin Anke Grudda vor. Weder ein Funken Reue noch Einsicht kommen auf. "Ihnen fehlt es ganz an Mitgefühl ihren Opfern gegenüber, es geht Ihnen nur um sich selbst."

"Sie sind ein Bewährungsversager" Fünf Vorstrafen umfasst bereits das Strafregister des jungen Mannes, zweimal hatte der Detmolder von den zuständigen Amtsgerichten nach teils schweren Delikten wie gefährlicher Körperverletzung und Diebstahl noch die Chance bekommen, den Strafvollzug nicht antreten zu müssen. Doch auch die Untersuchungshaft hält ihn nicht davon ab, zwei Monate später weitere Straftaten zu begehen. "Sie sind ein richtiger Bewährungsversager", stellt die Richterin fest.

Kein Strafmaß habe auch nur in irgendeiner Form abschreckend auf ihn gewirkt. Weil die Kammer daher noch ein vorheriges Urteil von einem Jahr und vier Monaten Haft miteinbeziehen muss, wird der 19-Jährige nun nach Jugendstrafrecht wegen Vergewaltigung sowie eines verbotenen Fahrzeugrennens unter Drogeneinfluss zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Den Führerschein, den er zur Tatzeit ebenfalls nicht besaß, soll er dazu frühestens in drei Jahren machen dürfen.

Auch wenn die vom Angeklagten eingeräumte Verfolgungsfahrt mit der Polizei im November 2021 von Schlangen nach Detmold aus Sicht des Gerichts schon äußerst gefährlich gewesen sei und er seine Mitinsassen oder andere hätte tödlich verletzen können, der weitaus schwerwiegendere Tatkomplex umfasst den Vergewaltigungsvorwurf ein halbes Jahr später. Das Vorgehen des Täters beschreibt die Richterin als "äußerst brutal". Grudda: "Es ist erschreckend, welches Maß an Gewalt Sie anwenden." Obwohl die Geschädigte (17) sich verzweifelt gewehrt und geschrien habe, habe er nicht von ihr abgelassen. "Im Gegenteil. Je mehr sie sich gewehrt hat, desto mehr hat Sie das erregt."

DNA-Gutachten weist Spuren des Angeklagten nach Fassungslos ist die Kammer genauso darüber, dass der Angeklagte trotz der Beweislage noch eine "Täter-Opfer-Umkehr" versucht und angibt, die junge Frau habe ihn bedrängt. "Dazu fehlt uns die Fantasie", sagt die Richterin. Schließlich gibt es zwei Zeugen, die die Szene beobachtet haben und der Jugendlichen zur Hilfe eilten. "Sich dann noch als Opfer darzustellen, ist dreist und unverschämt. Sie sind nicht das Opfer, Sie sind der Täter." Ein DNA-Gutachten kann zudem Spuren des Angeklagten am Slip und dem BH der Geschädigten ausmachen. An anderen intimen Körperstellen sei dagegen zwar DNA gefunden worden, aber zu wenig, um diese näher zu bestimmen, trägt die Richterin vor.

Anders als Verteidiger Christoph Löhning aus Lage, der zumindest für den Vergewaltigungsvorwurf einen Freispruch fordert, sieht das Gericht keine entlastenden Beweise zugunsten des Angeklagten. Insbesondere die Aussage der Geschädigten überzeugt die Kammer. "Sie hat das beeindruckend geschildert, eine so komplexe Geschichte kann man sich nicht ausdenken." Lebensnah seien auch die Gefühle, die die Jugendliche während des Übergriffes erlebt und im Zeugenstand beschrieben habe - zwischen Schockstarre und verzweifelten Abwehrversuchen.

Rechtsanwältin Silke Streit, die die Geschädigte in der Nebenklage vertritt, ist besonders vom Auftreten des Angeklagten entsetzt. "Dieses hohe Maß an Verrohung finde ich schon einzigartig." Ihre Mandantin leide stark unter den Folgen des Übergriffes, könne sich von niemandem mehr anfassen lassen. Ob sie das Erlebte je ganz verarbeiten werde, sei fraglich. "Ihr Leben ist gestört. Sie haben ihr die Chance genommen, eine normale Sexualität zu erleben." Staatsanwältin Aleida Tappe plädiert allein wegen der Schwere der Vorwürfe und der vorhandenen Vorstrafen gar fürs sechs Jahre Haft, die Kammer bleibt darunter. Auch auf das Urteil reagiert der Angeklagte nicht.

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