Ermittler glaubten nicht an sexuelle Übergriffe: Lipper erst nach 15 Jahren überführt

Detmold. Wieder hat die Große Jugendschutzkammer einen schier unglaublichen Fall vor der Brust. Auf der Anklagebank sitzt ein 36-Jähriger, der schon vor 15 Jahren in einer anderen Stadt unter dem Verdacht gestanden hatte, seinen damals fünfjährigen Stiefsohn zu missbrauchen. Damals fand ein Gutachten beim Kleinkind offenbar keine Hinweise auf sexuelle Übergriffe. Erst jetzt kommt es zu einem Urteil.

Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe nach Angaben von Landgerichtssprecher Dr. Wolfram Wormuth noch heute und bis zum Schluss. Am Ende einer ausgiebigen Beweisaufnahme ist die Große Jugendschutzkammer unter dem Vorsitz von Richterin Anke Grudda aber von der Schuld des Mannes überzeugt.

Stiefvater muss mehrere Jahre in Haft Das Gericht verurteilt den wegen anderer Delikte schon mal inhaftierten Lipper daher wegen schweren sexuellen Missbrauchs in Tateinheit mit dem Missbrauch von Schutzbefohlenen in sechs Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Staatsanwalt Alexander Görlitz beantragte fünf Jahre Haft, Verteidiger Hans-Joachim Börgel plädierte auf Freispruch. Rechtsanwältin Katja Wetzler, die den Sohn in der Nebenklage vertritt, beantragte eine angemessene Freiheitsstrafe.

Einzig weitere mutmaßlich gewalttätige Übergriffe stellte die Kammer laut Wormuth am Ende ein, weil sich diese Tatvorwürfe nicht mehr genau nachvollziehen ließen. An dem schweren sexuellen Missbrauch bestand aus Sicht der Kammer dagegen kein Zweifel, heißt es. Ein extra für das Strafverfahren beauftragtes aussagepsychologisches Gutachten kam darüber hinaus zu dem Schluss, dass die Aussage des inzwischen 20-jährigen Jungen erlebnisbasiert gewesen sei.

Das Verfahren soll letztendlich neu ins Rollen gekommen sein, weil sich der Geschädigte seiner Freundin offenbart hatte. Die 23-Jährige, die in der Kindheit selbst Missbrauch erlebt haben soll, gibt als Zeugin vor Gericht an, sie habe ihrem Freund zumindest ermutigt, mit ihrer Tante zu sprechen, die als Polizistin arbeitet. Die Beamtin erinnert sich wiederum vor Gericht, dass es dem jungen Mann schwergefallen sei, seinen Vater zu belasten, da er ihn gemocht habe. &bdquo;Die Mutter hat ihm wohl nicht geglaubt, weil es schon mal ein Gutachten gab, dass die Übergriffe auch nicht geglaubt hat“, sagt die Polizeibeamtin.

&bdquo;Sie haben alles richtig gemacht“ Die Staatsanwaltschaft in einer anderen Stadt hatte das Verfahren vor knapp 15 Jahren deshalb letztendlich eingestellt. Wie es dazu kam, bleibt vor dem Landgericht in Detmold rätselhaft. Zwei ehemalige Nachbarinnen sagen mit Blick auf damals aus. Die eine ist inzwischen 85 Jahre alt und will vor Jahren beobachtet haben, wie ein erwachsener Mann sich im Nachbarhaus an einem kleinen Jungen sexuell verging. Die Frau erinnert sich, wie sie unter Schock erst ihre Nachbarin – und dann die Polizei gerufen hatte. &bdquo;Sie haben alles richtig gemacht“, sagt Richterin Anke Grudda. Gebracht hat es offenbar damals trotzdem nichts. Erst Jahre später wird der Täter verurteilt. Rechtskräftig ist dieses Urteil jedoch noch nicht.

Transparenzhinweis: Der Artikel wurde aktualisiert.

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