Klage gegen Klinikum: 96-Jährige bekommt vor Gericht recht - und verliert trotzdem

Kreis Lippe. Das Klinikum Lippe hätte im November 2021 besser auf die Wertsachen der Patientin Margret Kreuder (96) aufpassen müssen, denn diese "Nebenpflicht", also das ordnungsgemäße Verwahren der privaten Gegenstände, gehört nach Einschätzung der Zivilkammer des Landgerichts mit zum Behandlungsvertrag. Deshalb soll das Krankenhaus nun 1955,97 Euro Schadensersatz zahlen. Die Seniorin hatte geklagt, weil sich nach einem ungeplanten Krankenhausaufenthalt niemand für den Verlust ihrer Wertgegenstände verantwortlich gefühlt hatte. Vor Gericht hat sie jetzt also recht bekommen - und trotzdem nicht ganz gewonnen.

Denn eigentlich hatte Margret Kreuder für ihre verschwundenen Wertgegenstände, darunter unter anderem Winterjacke, Brille, Haustürschlüssel, Geldbörse und Personalausweis sowie zwei kostspielige Hörgeräte einen Wertersatz von etwa 5320 Euro gefordert, erklärt ihr Anwalt Ralf Fischer. "Der Tenor des Urteils ist gut, wir haben juristisch gesehen recht bekommen", sagt der Bielefelder Rechtsanwalt: "Aber wirtschaftlich kann man natürlich von keinem Erfolg sprechen", sagt er. Denn ausgerechnet den Verlust der teuren Hörgeräte erkennt das Gericht nicht an.

Gericht sieht Verlust der Hörgeräte nicht als erwiesen an Nach Angaben von Landgerichtssprecher Dr. Wolfram Wormuth habe nach der mehrstündigen Beweisaufnahme vor wenigen Wochen für die Kammer der Verlust zahlreicher Gegenstände zwar festgestanden, nicht abschließend geklärt worden sei aber, ob die Seniorin am Morgen ihrer Aufnahme am 18. November 2021 tatsächlich zwei Hörgeräte im Ohr getragen habe. Keiner der befragten Zeugen habe "aus eigener Anschauung das Vorhandensein der Hörgeräte bestätigen" können. Und diese Geräte allein hätten einen von der Klägerin angegeben Wertersatz von etwa 2800 Euro ausgemacht.

Noch dazu hätte die Seniorin am ersten Abend im Krankenhaus noch mit ihrer Tochter telefoniert, um den Verlust der Wertsachen zu beklagen. Daraus habe das Gericht den Schluss gezogen, sie könne die Hörgeräte zu diesem Zeitpunkt vielleicht sogar noch getragen haben. Rechtsawalt Ralf Fischer sieht das anders. "Schlecht hören und gar nicht hören ist immer noch ein Unterschied." In diesem Punkt habe sich die Kammer ein falsches Bild gemacht, meint er.

Margret Kreuder soll außerdem als Klägerin 63 Prozent der Prozesskosten übernehmen, urteilt die Kammer. Diese Rechnung kommt laut Landgerichtssprecher daher zustande, weil der "formale Erfolg" sich nur auf einen Teil des eigentlich geforderten Schadensersatzes bezieht. Die Kammer habe darüber hinaus den Wert der abhanden gekommenen Gegenstände etwas abweichend bestimmt. "Unterm Strich kommen wir wahrscheinlich bei Null raus", schätzt Anwalt Ralf Fischer. Da es seiner Mandantin aber in erster Linie nie ums Geld ging, sei das nicht tragisch.

Angehörige sind enttäuscht Ein wenig enttäuscht zeigen sich die engen Angehörigen über das Urteil trotzdem. "Es fühlt sich ein wenig so an, als hätte man gewonnen und doch verloren", fasst Schwiegersohn Andreas Kirchhof zusammen. Auch seine Ehefrau Ute Kirchhof, die noch am Abend mit ihrer Mutter über den Ausgang des Verfahrens sprechen wollte, kann es nicht fassen. "Dass keiner mehr die Hörgeräte gesehen haben will, finde ich schon fast unverschämt." Doch ihre Mutter habe recht bekommen, das sei das Allerwichtigste.

Einen Monat haben die Parteien nun Zeit, um gegen das Urteil Berufung einzulegen. Rechtsanwalt Ralf Fischer will sich zunächst in Ruhe mit seiner Mandantin besprechen und die Begründung erst einmal sacken lassen. Das Klinikum selbst will nun im Nachgang die "hinterlegten Prozesse neu bewerten", heißt es von Kliniksprecher Christian Ritterbach.

Das Krankenhaus bedauere den Verlust der Wertsachen nach wie vor, betont aber, dass die Schadenshöhe nicht hätte nachgewiesen werden können. In solchen Zweifelsfällen sei das Klinikum auf eine gerichtliche Klärung angewiesen, schreibt Ritterbach, grundsätzlich regele der Versicherer die geltend gemachten Ansprüche beim Verlust von Wertsachen. Zur Erinnerung: Im Fall Kreuder hatte die Versicherung erst nicht zahlen wollen.

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