Der Bergische Kräher liebt Detmolder Wiesen

Detmold. Wer kommt denn da? Zumindest niemand, der eigentlich auf dem Gelände rumstolzieren darf. Also warnt der Hahn und weil er nicht rufen kann, kräht er, damit seine Damen auch wissen, dass er seinen Job macht. Ludwig Bartmann findet das genau richtig. Der Züchter analysiert den Ton denn auch: "Es ist nicht hoch kreischend, sondern ein angenehmerer Klang." Der Vorsitzende des Geflügelzuchtvereins Detmold und Umgebung von 1894 erlebt derzeit, dass die Hühnerhaltung im Kommen ist.

Oberhalb des Kreishauses hat sich Bartmann ein grünes Paradies erschaffen. Man muss hinter seinem Garten ein Stückchen laufen, Gummistiefel sind in diesen Tagen Pflicht. Ein paar Pferde stehen auf der Weide, es gibt Bienenstöcke, einige Ställe und mittendrin scharren die Hühner und ihr Hahn. Es sind Bergische Kräher dabei, das ist die Rasse, deren Zucht sich Bartmann gewidmet hat. Die Bergischen Kräher gelten als älteste deutsche Hühnerrasse, sie ist extrem gefährdet und ihre Zucht ist eine kleine Kunst für sich. Erstmals sah man sie auf Schauen im Jahr 1854. Sie legen weiße Eier. "Um die 15 Eier habe ich pro Tag", erklärt Bartmann.

Züchter erhalten Genpool alter Rassen Die Tiere scharren auf der Wiese oder auch auf trockenem Boden, stolzieren über den Misthaufen - und kommen nur heran, wenn der Detmolder Futter schmeißt. "Wenn man sie so hält, entwickeln sie keinen starken Bezug zu Menschen", sagt der Schriftführer des Vereins, Udo Reihl. Darum geht es den Züchtern auch nicht, sondern darum, die alten Rassen bekannter zu machen und dazu beizutragen, den Genpool zu erhalten.

Damit sich die Tiere wohlfühlen, brauchen sie nicht so viel Platz, aber vor allem trockenen Boden. "Matsch ist das reine Gift für sie", sagen die Experten. Und sie sehen in dem neuen Trend, sich selbst zu versorgen und Hühner anzuschaffen, nicht nur die guten Seiten. "Viele denken, sie kaufen einen vorgefertigten Hühnerstall im Kleinformat, zwacken ein paar Quadratmeter vom Garten ab und das war es. Aber damit ist es nicht getan", sagt Bartmann. Geht man durch Bartmanns Ställe, sieht man überall Heu liegen. Zwei Eier liegen in einer Art Nest, eine Glucke nebenan hudert ihre Küken. Der Detmolder hat alte Kaninchenställe zweckentfremdet, in ihnen fühlen sich die Hühner wohl - die Türen sind immer auf.

Im Legedarm kommt Farbe ins Spiel

Eins der Eier im Heu hat eine grüne Schale - und beim genaueren Hinsehen fällt auf, dass nicht nur Bergische Kräher unterwegs sind. Reinrassige Araucana legen grüne Eier. Für die Färbung der Eierschale spielen die Gene eine Rolle. Im Legedarm der Henne befindet sich die Schalendrüse, die für die Einlagerung der entsprechenden Pigmente in der Kalkschale verantwortlich ist. Die Farbpigmente an sich sind einfache Abbauprodukte des Körpers aus Galle oder Blut, die zur Zwischenspeicherung in der Leber verweilen. Fehlt dem Huhn das Gen für die Farbbildung, so werden keine Farbstoffe eingelagert und die Eierschalenfarbe bleibt weiß. Und noch variantenreicher wie die Eierfarben sind die Hühnerrassen. "Es gibt 180 anerkannte Rassen, die auch teilweise noch diverse Farbschläge haben", erklärt Reihl.

Bartmann schlägt ein mehr als 100 Jahre altes Buch auf. Kunstvolle Gemälde sind zu sehen - und Hühner mit Hauben, puscheligen "Socken", mit Tupfen, bunt, einfarbig, alte Rassen eben. Früher, so erklärt der Vorsitzende, hätten die Fürsten Hühner gehalten und auch Fasane. Es sei ein Statussymbol gewesen, besonders prächtige Tiere zu halten. Es habe eine Wirtschaftsschau gegeben im Neuen Krug in Detmold. "Die Eier wurden begutachtet. Daraus wurde dann der Geflügelzuchtverein." 12 bis 15 Mitglieder, alles honorige Bürger, gründeten den Verein. Die Bierbrauerfamilie Strate aus Detmold ist seit 1925 Mitglied. Mit dem Freilichtmuseum in Detmold gibt es eine sehr tragfähige Kooperation, denn Verein und Museum wollen alte Nutztierrassen erhalten. "Das passt zu den historischen Gebäuden. Tiere ziehen die Besucher an", so Reihl.

Hühnerhaltung ist Trend Zur Zeit der Vereinsgründung seien neue Mitglieder nur aufgenommen worden, wenn sie ausdrücklich Zustimmung fanden. "Heute ist das natürlich anders", sagt Bartmann. Und der Zulauf ist groß. Hatte der Verein 2007 45 Mitglieder, sind es aktuell 90 - Tendenz wachsend. Die Kanäle helfen, sich auszutauschen. Es gibt eine Whatsapp-Gruppe, um Fragen zu beantworten. Doch nicht jeder sei offen für Ratschläge und nehme sie an, sagen beide. Der Zulauf habe mit dem Trend zu tun, mehr auf Selbstversorgung zu setzen, aber auch ganz pragmatische Gründe. Es gibt eine gesetzliche Pflicht, das Geflügel gegen die Newcastle-Krankheit zu impfen. Eine Ampulle mit dem Lebendimpfstoff reicht für 1000 Tiere und kostet um die 20 Euro. "Ist der Impfstoff aufbereitet, muss er innerhalb von zwei Stunden verimpft werden. Tierärzte machen das, aber es lohnt sich nicht, wenn einer mit fünf Hühnern kommt", erklärt Reihl. Deshalb werde von den Veterinären empfohlen, es im Verein machen zu lassen.

Außerdem organisiert der Verein einige Aktionen. Es gibt einen mobilen Hühnerstall, der in Kitas Station macht. Die Kinder pflegen die Tiere eine Zeit lang und sehen, wie die Tiere heranwachsen. Ab dem fünften Lebensmonat geht es dann los mit der Eierproduktion - und entgegen der langläufigen Meinung hat ein Huhn nicht unbedingt ein kurzes Leben. "Hybridhühner, die ausschließlich für die Eierproduktion gezüchtet werden, sind etwas anderes. Aber meine Hühner werden auch schon mal zehn Jahre alt, sie legen dann natürlich nicht mehr so", sagt Bartmann. Die Hähne allerdings landen eher in der Suppe. "Wenn Sie Ärger mit den Nachbarn wollen, dann schaffen Sie sich einen Hahn an. Das geht auch nicht in einer Gruppe, die vertragen sich nicht. Also muss man sie beizeiten schlachten."

Hähne krähen in unterschiedlichen Tonlagen Die Pflege an sich sei überschaubar. Für den Geschmack ist das Futter wichtig. "Viel Grün, ab und zu mal ein Wurm oder ein Käfer - das Ei schmeckt einfach besser", stellt Bartmann fest. Außerdem füttert er Körner zu, alles verpackt in einer gut verschlossenen Tonne. Denn Hühnerställe haben schon mal unliebsame Gäste: Ratten und Mäuse. "Das merkt man sofort und man muss es sofort bekämpfen." Unter den Ställen liegen deshalb entsprechende Köderboxen. Und dann ist da der Fuchs, der sich erst kürzlich ein Huhn geschnappt hat - obwohl es mutig verteidigt wurde. Nein, nicht von dem Hahn, der seine Damen-Truppe zuverlässig warnt, wenn Gefahr droht, sondern von einer jungen Frau, die sich um die Pferde kümmert und ebenfalls ein paar Hühner zu der Gemeinschaft beisteuert und pflegt. Der Fuchs habe immer wieder angesetzt und sich auch nicht durch die Mistgabel beeindrucken lassen. "Wildtiere eben", sagt Reihl und zuckt mit den Achseln. Und als der Geflügel-Verkaufswagen die Straße hochkommt und ein scheppernder Hahn kräht, da sagt Bartmann: "Das klingt ja wohl schrecklich, mein Hahn hat einen viel harmonischeren Klang."

Viel Öffentlichkeitsarbeit

Der Geflügelzuchtverein Detmold und Umgebung bietet diverse Veranstaltungen an. Von März bis November gibt es am letzten Mittwoch im Monat ein Treffen im Cultur-Café in Heiligenkirchen, Am Krugplatz 5. Im LWL-Freilichtmuseum wird das Hähnewettkrähen organisiert und auch die Residenzschau. Es gibt einen Schaubrüter und das Projekt "Mobiler Hühnerstall" - beides wird unter anderem Kitas und Schulen zur Verfügung gestellt. Die Kinder lernen mit Anleitung, die Tiere artgerecht zu versorgen. Mehr Informationen gibt es unter www.geflügelzuchtverein-detmold.de, Kontakt per Mail: info@gzv-detmold.de

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