Wie Lipper seit Jahrzehnten gegen Rechts aufstehen

Kreis Lippe. &bdquo;Man kann einem Nazi bei einem Ostwestfalenbesuch durchaus was bieten.“ Das hat vor einigen Jahren mal Jan Raabe, ein profunder Kenner der rechten Szene in der Region Ostwestfalen-Lippe, bei einem Vortrag in Berlebeck gesagt. Aber genauso oft, wie sich Menschen mit extrem rechter Gesinnung in der Öffentlichkeit bemerkbar gemacht haben, schlug ihnen auch Protest aus der Bevölkerung entgegen.

Bis 1989 dürfte Pivitsheide V.L. außerhalb Lippes ziemlich unbekannt gewesen sein. Bis ein Mann namens Meinolf Schönborn in Bielefeld die Segel strich, um in der Quellenstraße 20 ein Schulungszentrum für Neonazis aufzubauen. Schönborn war Kopf der 1985 gegründeten Nationalistischen Front, in der sich Mitglieder nationalrevolutionär orientierter Gruppen aus München, Bremen und Kassel zusammengeschlossen hatten.

"Neonazis werfen Steine" Und plötzlich tummelten sich im friedlichen Pivitsheide Neonazis aus dem ganzen Land. Die &bdquo;taz“ beschreibt das in einem Artikel vom 4. Februar 1994 so: &bdquo;Autos aus dem ganzen Bundesgebiet stehen vor der Tür, Neonazis werfen mit Steinen auf Passanten oder trainieren im Wald, mal wird ein großes Plakat ,Rudolf Heß lebt Vorbild für Deutschland im Garten aufgestellt...“

Die Nationalistische Front war zu dem Zeitpunkt längst verboten, zwischenzeitlich war gegen sie wegen des Verdachts einer terroristischen Vereinigung ermittelt worden. Bereits 1989, als Schönborn und seine Gesinnungsgenossen sich in Pivitsheide breit machten, waren Bürger auf die Barrikaden gegangen. Die &bdquo;Initiative Pivitsheider Bürgerinnen und Bürger gegen ein Nazi-Zentrum“ hatte Alarm geschlagen und zu Versammlungen eingeladen, um Proteste zu organisieren, unter anderem bei Sonntagsspaziergängen und auf Demos Flagge zu zeigen.

Später versuchte die Detmolder Stadtverwaltung es über das Bauordnungsrecht und konnte zumindest erreichen, dass das Haus in der Quellenstraße nur als Wohnhaus, nicht aber als Veranstaltungsort genutzt werden durfte.

Am Ende räumte Schönborn selbst das Feld, zog nach Dänemark um, kam zurück nach Ostwestfalen, wurde in Gütersloh festgenommen und landete schließlich hinter Gittern, weil er seinen Flügel der NF weiter betrieben hatte.

2008 gründet sich nicht mal 20 Kilometer weit von Pivitsheide V.L. entfernt eine neue Initiative gegen ähnliche Strömungen, formiert sich der Protest quer durch alle Gesellschaftsschichten. Das &bdquo;Aktionsbündnis Berlebeck gegen Rechts“ reagiert auf die Umtriebe einiger Mitbürger, die dem ultrarechten Spektrum zuzuordnen sind und eine aktive Rolle in der Nachfolgeorganisation der Hitlerjugend, der verbotenen &bdquo;Heimattreuen Deutschen Jugend“ gespielt haben. An die Bilder des Zeltlagers, das die HDJ-Einheit Hermannsland 2006 in Fromhausen abgehalten hatte, mag sich mancher erinnern: &bdquo;Führerbunker“ stand an einem der Zelte.

Die Beweisfotos, erstellt von Beobachtern der Szene, waren maßgeblich für das spätere Verbot der HDJ . Gemeinsam mit unzähligen Organisationen aus Detmold und Umgebung formierten die Berlebecker ihren Protest. Höhepunkt war ein Aktionstag gegen Rechts am 29. März 2008 mit Fußballturnier und einem Konzert der Sportfreunde Stiller.

Verbot der Nazi-Nachwuchsorganisation Fast auf den Tag genau ein Jahr später wurde die HDJ verboten. Allerdings sind sich Kenner der Szene sicher, dass die verbotenen Aktivitäten weiter stattfinden – nur nicht mehr so offen wie zuvor. Und die Hauptakteure sind aus Berlebeck nicht verschwunden und treten seit der Pandemie deutlich häufiger öffentlich in Erscheinung, Seit an Seit mit Akteuren von Verschwörungstheoretikern in der Region.

Verschwunden ist dagegen die Road Crew OWL, die sich vor knapp zehn Jahren im Kachtenhausener Bahnhof Ehlenbruch breit machte. Gegründet wurde die &bdquo;Road Crew“ als Fanclub der Rechtsrock-Band &bdquo; Barking Dogs “, berichtete Experte Jan Raabe seinerzeit. Der Bahnhof werde als &bdquo;Anlaufstelle für aktive Neonazis und alternde Männer der rechten Szene genutzt“, sagte er bei einem Vortag. Die Menschen, die sich in Ehlenbruch träfen, gehörten der rechten politischen Aufmarsch-Szene an.

Bands wie &bdquo; Knock Out“ und &bdquo;Sleipnir“ mit ihrer menschenverachtenden Lyrik bildeten den Hintergrund von organisiertem Neonazismus. Auch hier standen die Bürger auf. Als Reaktion auf einen LZ-Bericht gründete sich 2014 eine &bdquo;Initiative gegen Neonazis im Bahnhof Ehlenbruch “, unterstützt unter anderem vom Friedensbündnis Lippe und dem Verein &bdquo;Argumente und Kultur gegen Rechts“. Auch sie zeigten Flagge, demonstrierten und organisierten Vorträge. Am Ende zogen die Rechten ab, die Stadt Lage kaufte den ehemaligen Bahnhof.

Wie Lipper seit Jahrzehnten gegen Rechts aufstehen

Brandstiftung: Ford-Transporter brennt in Pivitsheide aus

So will das Aktionsbündnis „Berlebeck gegen Rechts“ wieder durchstarten

Betrug am Straßenrand: Sind vermeintliche „Benzin-Bettler“ in Lippe unterwegs?

Museumsadvent, Kläschen & Weihnachtsmann auf Tour: Die Wochenendtipps für Lippe

Zwei Lipper im Vorsitz: Verein hilft Bein- und Armamputierten Menschen

Johanniter in Lippe sammeln Weihnachtspäckchen für Bedürftige

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus!

0,99 Euro im ersten Monat

Weiterlesen mit LZplus