Mutmaßlicher Muttermord: Gutachter findet keine Hinweise auf Brandbeschleuniger

Kreis Lippe/Detmold. Eine umgekippte Kerze, eine unachtsam entsorgte Zigarettenkippe, ein Kurzschluss oder eben ein absichtlich entleerter Benzinkanister: Wenn es nach den Ausführungen des sachverständigen Brandexperten geht, kann letztendlich alles oder nichts den folgenschweren Brand in einem Wohnhaus an der Lageschen Straße ausgelöst haben, bei dem die 77-jährige Hauseigentümerin am 23. November 2022 so schwer verletzt worden war, dass sie kurze Zeit später starb. Ihr Sohn und Mitbewohner (56) sitzt nun allerdings wegen Mordes auf der Anklagebank. Er soll den Brand absichtlich gelegt haben, davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. Auch am zweiten Prozesstag vor dem Landgericht Detmold äußert sich der Angeklagte nicht zur Sache. Das hat seine Gründe.

Vier Stunden lang hatte die forensische Psychiaterin Dr. Nahlah Saimeh den Angeklagten nach dem Prozessauftakt vergangene Woche befragt, im Fokus habe dabei die Beziehungsdynamik zu seiner verstorbenen Mutter und nicht der Tatvorwurf gestanden. Da Verteidiger Johannes Salmen durch technische Probleme aber erst am Montagmorgen kurz vor Verhandlungsbeginn einen Ausdruck des schriftlichen Gutachten in den Händen hält, muss die Aussage seines Mandanten noch etwas warten. "Ich habe zwei Termine in der JVA ausgemacht, wir müssen das erst besprechen", sagt der Rechtsanwalt aus Lage. Das sei auch für folgende Zeugenbefragungen entscheidend.

Gutachter findet keine Brandursache Der 56-jährige Angeklagte wird dann vorraussichtlich am nächsten Prozesstag Angaben zur Sache machen. Es soll darum gehen, wie der Tag aus seiner Sicht bis zum verheerenden Brand abgelaufen war und in welchem Verhältnis der schon öfter in seiner Wut straffällig gewordene Detmolder zu seiner Mutter stand. Der studierte Sozialarbeiter bestreitet, mit dem Feuer etwas zu tun zu haben. Ginge es einzig und allein um das Brandgutachten, hätte ihn die Staatsanwaltschaft Detmold wohl auch nicht angeklagt.

Denn Chemie-Ingenieur Guido Schweers aus Neuss hat bei seinen Untersuchungen als sachverständiger für Brand- und Explosionssachermittlung keine genaue Ursache finden können. Zwar sei das Schlafzimmer der Verstorbenen im Obergeschoss durch den hohen Zerstörungsgrad als erster Brandort auszumachen, es gebe aber keine Chance, den Brand noch genauer zu lokalisieren. "Da das Feuer über mehrere Stunden gewütet hat, überlagern schnell andere Glutnester den Brandort", sagt Guido Schweers.

Auch der Brandmittelspürhund habe überhaupt erst beim zweiten Durchlauf an einigen Stellen angeschlagen, das Messgerät habe jedoch keinen wahrnehmbaren Wert anzeigen können. "Wir haben keinen Brandbeschleuniger gefunden", sagt der Sachverständige auf Drängen des Verteidigers. Plausibel sei es zwar, so steht es im Gutachten zusammengefasst, dass es sich beim Auslöser um Brandstiftung handeln könnte, es könnten aber genauso andere Ursachen dahinterstecken. Der Vorsitzende Richter Karsten Niemeyer fasst es zusammen: "Letztendlich ist alles möglich." Keine Richtung gebe das Gutachten als wahrscheinlicher vor.

Vieles ist denkbar Ein wenig lässt der Gutachter dann aber die subjektiven ersten Eindrücken der Ermittler einfließen. In den meisten Fällen werde der mutmaßliche Brandstifter von der Feuergewalt überrascht und durch eine explosionsartige Stichflamme im Gesicht, am Haaransatz oder auch dem Handrücken verletzt, erklärt Schweers. Diese Version passe zu den Verletzungen des Angeklagten. Doch auch das ist eben nicht der einzig mögliche Grund. "Können solche Verletzungen nicht auch beim Löschen des Feuers oder beim Rettungsversuch entstehen?", fragt Verteidiger Johannes Salmen. Auch das sei möglich, antwortet der Brandexperte.

Laut Staatsanwalt Alexander Görlitz gibt es jedoch noch weitere Indizien, die ihn in seiner Mord-Hypothese bestärken und in den nächsten Prozesstagen Thema werden sollen. Besonders verdächtig hatte sich der Angeklagte gemacht, als er am mutmaßlichen Tatabend vor dem brennenden Haus stehend mehrfach behauptet haben soll, es würde sich niemand mehr im Haus befinden. Währenddessen kämpfte seine Mutter offenbar schon um ihr Leben. Der Prozess wird am Freitag, 25. August, fortgesetzt.

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