Zwischen Uni und OP: Das ist die neue Leiterin der Frauenklinik

Kreis Lippe. Mitten in den Kontroversen um das Brustzentrum hat sie ihren Job angetreten. Selbstbewusst und mit einem sympathischen Lächeln steht Prof. Dr. Beyhan Ataseven, Direktorin der Universitätsfrauenklinik am Klinikum Lippe, in der Tür ihres Büros. Doch wer ist die Frau, die seit Mai in Detmold ist? Was sind ihre Visionen für die Klinik? Was sagt sie zu dem Umzug des Brustzentrums? Und welche weiteren wichtigen Aufgaben hat sie als Universitätsprofessorin?

Frau Prof. Ataseven , wollten Sie von Anfang als Ärztin in Richtung Gynäkologie gehen?

Prof. Beyhan Ataseven : Im Gegenteil (lacht). Mein Schwerpunkt während des Studiums lag in der Chirurgie. Anfangs war die Gynäkologie sogar eines meiner Ausschlussfächer.

Aber irgendwann haben Sie doch ein Interesse für dieses Fach entwickelt.

Prof. Beyhan Ataseven : Das war während meines praktischen Jahres. Die Gynäkologie wählte ich als Ergänzungsfach zur Chirurgie.

Was fasziniert Sie an Frauenheilkunde?

Prof . Beyhan Ataseven : Sie hat so eine enorm breite Palette, sowohl konservativ als auch operativ. Wir begleiten den kleinen Menschen schon vor der Geburt, die Mutter in der Schwangerschaft, aber Frauen eben auch im Fall von Krankheiten, insbesondere Krebs, bis ins hohe Alter. Die Hälfte der bösartigen Tumore bei Frauen sind gynäkologische Tumore, die häufigste Krebsart bei Frauen mit 30 Prozent Brustkrebs. Dies verdeutlicht, wie relevant unser Fach in der Frauenheilkunde ist.

Stichwort Brustzentrum: Dessen Verlegung von Lemgo nach Detmold steht aktuell in der Kritik. Was entgegnen Sie?

Prof. Beyhan Ataseven : Wir brauchen die Versorgung unter einem Dach, irgendwann hätte der Umzug nach Detmold kommen müssen. Hier ist die Universitätsfrauenklinik, deshalb sollte auch das Brustzentrum hier sein. Vor allem, wenn wir weiter nach vorne gehen wollen.

Die Versorgung der Patientinnen und Patienten ist also gesichert?

Prof. Beyhan Ataseven : Natürlich! Das Vertrauen der Bevölkerung, der Patienten in die Ärzte ist extrem wichtig, aber das können sie haben. Wir haben eine außerordentliche Expertise, die wir in das Brustzentrum einbringen. Ich habe ein Team aus zwei Oberärzten und einer Assistenzärztin mitgebracht, speziell für die gynäkologische Onkologie. Außerdem unterstützt Dr. Carl Opitz, Oberarzt an der Uniklinik Münster, als Mammaoperateur an zwei Tagen in der Woche unser Team. Und wir führen derzeit Gespräche für eine neue senologische Leitung.

Sie sind Mammaoperateurin Level zwei. Was bedeutet das?

Prof. Beyhan Ataseven : Das ist die höchste Klasse im Bereich der Brustoperation. Auch Carl Opitz ist übrigens Mammaoperateur Level zwei. Es ist relevant, sich bereits vor einem operativen Brusteingriff gründlich Gedanken zu machen, wie und über welche Schnittführung die OP erfolgen sollte. In jedem Fall sollte entsprechend des Gewebedefektes die Brust wieder &bdquo;modelliert“ werden, um das kosmetische Ergebnis so gut wie möglich zu halten. Für all die Fälle, in denen die gesamte Brust entfernt werden muss, sollten vor der OP ausführlich die potenziellen Optionen für einen Wiederaufbau besprochen werden.

Wo liegen Ihre medizinischen Schwerpunkte?

Prof. Beyhan Ataseven : Während meiner 14-jährigen Berufsphase in München, wo ich die letzten acht Jahre als leitende Oberärztin tätig war, lag mein Schwerpunkt auf der Versorgung von Brustkrebs-Patienten und -Patientinnen. Somit konnte ich eine große Expertise und Kompetenz in diesem Bereich erwerben. Dann bin ich einem Ruf an die Kliniken Essen-Mitte gefolgt und habe mich auf Krebs im Unterleib, die gynäkologische Onkologie, spezialisiert. Das Haus in Essen ist ein ausgewiesenes Expertenzentrum, europaweit bekannt und nimmt an verschiedenen klinischen Studien teil und hat zur Veränderung weltweiter Therapiestandards beigetragen. Auch Patienten aus OWL habe ich dort behandelt. Außerdem hatte ich in Essen bislang einen Schwerpunkt im Bereich Versorgungsforschung, habe mich zum Beispiel mit diversen Aspekten der Erblichkeit von Krebs beschäftigt.

Warum sind Sie dann dort weg?

Prof. Beyhan Ataseven : In Essen waren wir ein junges, sehr gut eingespieltes Team. Leider ist das Haus keine Universitätsklinik so wie das Klinikum Lippe. Das ist mein nächster Schritt: Hier am Aufbau einer Universitätsfrauenklinik aktiv mitzuwirken, junge Kollegen zu gewinnen und ihnen meine Fähigkeiten, Wissen und Erfahrung weiterzugeben.

Warum ist das so wichtig?

Prof. Beyhan Ataseven : Wir brauchen dringend Ärztenachwuchs. Und seien wir ehrlich: OWL ist kein Magnet für junge Mediziner, der Ärztemangel aber deutlich spürbar. In allen Bereichen. Deshalb sind die medizinische Fakultät in Bielefeld und die Uniklinik so wichtig für die gesamte Region. Wir wollen doch auch in Zukunft gut behandelt werden.

Sie werden als Professorin an der Uni Bielefeld auch unterrichten.

Prof. Beyhan Ataseven : Ja. Und unser Fachbereich hat sogar ein hohes Aufkommen an Lehrveranstaltungen für die Studierenden.

Was bedeutet das?

Prof. Beyhan Ataseven : Es gibt natürlich Vorlesungen in Präsenz und auch online, aber eben auch klinische Untersuchungen für die Studierenden. Und zwar anfangs an naturgetreuen Modellen. So lernen die jungen angehenden Ärzte Untersuchungen wie Abstriche zu machen, können aber auch sehen, wie ein Kind seinen Weg durch den Geburtskanal findet.

Steht auch Empathie für Ärzte auf dem Lehrplan?

Prof. Beyhan Ataseven : Gerade die Gynäkologie ist ein sensibler, intimer Fachbereich. Empathie, Kommunikation und das Bewusstsein für den Patienten sind gerade hier, aber in jedem medizinischen Bereich, von großer Bedeutung. Das wird an der Medizinischen Fakultät in Bielefeld sehr ernst genommen. Es gibt spezielle Unterrichtseinheiten, da spielt dann Psychologie, Kommunikation und Ethik mit hinein. Sehen Sie, wir begleiten den Weg lebenslang, da ist es wichtig, Vertrauen aufzubauen. Und auch schlechte Nachrichten müssen wir als Ärzte angemessen überbringen, Hoffnung geben. Denn Hoffnung ist, was uns Menschen auf allen Ebenen nährt.

Haben Sie eine Vision für die Universitätsfrauenklinik in Detmold?

Prof. Beyhan Ataseven : Ich möchte sie zu einem Leuchtturm im Bereich gynäkologische Onkologie und Senologie für ganz OWL und darüber hinaus machen. Ich will Innovationen herholen, Studien und Fortschritt herbringen. Das wird sicherlich ein mühsamer Weg, aber das schreckt mich nicht ab.

Persönlich Prof. Dr. Beyhan Ataseven kommt ursprünglich aus der Türkei, aufgewachsen ist sie in Oberbayern. In München hat sie studiert und unter anderem als leitende Oberärztin gearbeitet. Dann folgte sie einem Ruf nach Essen. Und nun ans Universitätsklinikum Lippe. Beyhan Ataseven ist 50 Jahre alt und Mutter eines 24-jährigen Sohnes.

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