Lipper spekuliert mit fremder Viertelmillion an der Börse und landet vor Gericht

Kreis Lippe. Er hatte nichts, wollte aber das große Geld an der Börse machen. Im August 2022 standen dafür die Chancen besonders gut, davon war zumindest ein 35-Jähriger aus dem Kreis Lippe überzeugt. "Er dachte sich, warum sollen denn nur die Reichen mit Aktien noch reicher werden", sagt Rechtsanwalt André Pott und erklärt damit die Intention seines Mandanten. Deshalb entschied sich der Familienvater, sein Glück mit einer Börsen-App zu versuchen und mit stolzen Summen zu spekulieren, die er eigentlich gar nicht besaß. Der Online-Broker streckte ihm dennoch mehr als eine Viertelmillion vor, am Ende landete der Blomberger daher wegen Computerbetrugs vor dem Amtsgericht Detmold. Der Ausgang des Prozesses überraschte dann selbst den Angeklagten.

Es sei eigentlich mehr eine Schnapsidee gewesen, berichtet Verteidiger André Pott aus Detmold, als sein Mandant sich aus einer Laune heraus mittels automatisierter Lastschriftverfahren über die Börsen-App ein bisschen Startkapital zum Spekulieren von seinem recht leeren Girokonto übermitteln ließ. Der 35-Jährige sei überzeugt davon gewesen, große Gewinne zu erzielen und dann alles doppelt und dreifach zurückzahlen zu können. Es sollte allerdings etwas anders kommen.

Obwohl seine Girokonten eigentlich nichts hergaben, erklärt Pott, lief die Einzahlung per Lastschrift für den Aktienhandel problemlos. "Er hat sich sogesehen einen vorübergehenden Kredit erschlichen." Mit dem Geld handelte der Blomberger direkt an der Börse. Und es war nicht wenig: Beim ersten Versuch ließ er 5301 Euro per Lastschrift einzahlen, beim zweiten Mal ging es kurz danach um 2000 Euro. Dann sei sein Mandant mutiger geworden, erklärt Pott. Schließlich schien der Plan fürs große Geld aufzugehen, dafür habe es ausgereicht, einfach ein paar Zahlen in sein Smartphone zu tippen. "Beim dritten Mal hat er es direkt mit 250.000 Euro probiert. Auch das hat geklappt."

Laut Staatsanwalt Alexander Görlitz stellte die als Wertpapierdepot agierende Münchener Bank dem lippischen Kunden das Geld in allen drei Fällen vertrauensvoll vorab bereit. "Sie haben ihm die Viertelmillionen überwiesen und dann erst später gemerkt, dass sie den Betrag von seinem angegebenen Konto gar nicht einziehen konnten", sagt Görlitz. Erst nach ein paar Tagen sei der Münchener Bank aufgefallen, dass auf den hinterlegten Girokonten gar nichts zu holen gewesen sei. Dementsprechend habe sich die Bank die mehr als 250.000 Euro nicht zurückholen können und daraufhin Anzeige erstattet. Das genutzte App-Profil wurde laut Verteidiger umgehend eingefroren und deaktiviert.

Bank will sich zum Vorfall nicht äußern Eine Viertelmillion mal eben so auf Vertrauensbasis vorstrecken? Kann das überhaupt gut gehen? "Das ist natürlich seitens der Bank ein eher unsicheres Geschäftsmodell", kommentiert der Staatsanwalt. Die Münchener Bank will sich auf Anfrage nicht zu dem Fall äußern und auch nicht allgemein erklären, ob hinter dem Prozedere möglicherweise eine vorübergehende Sicherheitslücke gesteckt haben könnte. In anderen Apps sind solche sofort verfügbaren Einzahlungen zumindest teilweise in der Höhe begrenzt.

Der Lipper hatte zum Zeitpunkt der Anzeige mit dem Geld schon ein paar Tage spekuliert. Durch Gebühren und Aktienverluste sei bis dato aber nicht nur der große Gewinn ausgeblieben, sondern ein Verlust von 7000 Euro entstanden, sagt sein Verteidiger. "Er hat quasi Geld verloren, das es eigentlich gar nicht gab." Aus Sicht der Staatsanwaltschaft Detmold ist der Fall glasklar. "Er hat bewusst vorgetäuscht, das Geld auf seinen Konten zu haben und damit spekuliert, das ist Betrug", sagt Görlitz. Nach einjähriger Ermittlungsarbeit stand der Lipper daher Ende August wegen Computerbetrugs vor dem Amtsgericht Detmold.

Freispruch für den Angeklagten Der Richter wertete die Sache allerdings anders als die Ermittlungsbehörde, erklärt Amtsgerichtsdirektor Michael Wölfinger nach dem Prozess. Es sei keine Täuschung zum Nachteil der Bank gewesen, weil damit keine konkrete Gegenleistung, wie etwa bei einem Kauf, abgedeckt gewesen sei. Der Lastschrifteinzug über die Börsen-App erhalte zudem kein stillschweigendes Abkommen darüber, ob das dahinterliegende Girokonto gedeckt sein müsse. "Da der Richter den Tatbestand nicht als gegeben ansah, wurde der Angeklagte freigesprochen", sagt Wölfinger.

Selbst der geständige Angeklagte und sein Verteidiger scheinen mit so einem deutlichen Ausgang nicht gerechnet zu haben, sind aber froh darüber. "Er hat von Anfang an alles eingeräumt und auch eingesehen, dass die Aktion doof war", sagt Rechtsanwalt André Pott. Die hiesige Ermittlungsbehörde kann die Entscheidung des Amtsgerichts indes nicht nachvollziehen, daher hat sie zunächst einmal Rechtsmittel eingelegt. Je nach dem, wie sich die schriftliche Urteilsbegründung darstellt, kann die Staatsanwaltschaft anschließend in Revision gehen oder Berufung einlegen.

"Das ist eine rechtliche Frage. Wir werten diesen Fall ganz klar als Computerbetrug", sagt Staatsanwalt Alexander Görlitz. Es ist also duchraus wahrscheinlich, dass sich noch mal eine höhere Instanz mit dem Fall auseinandersetzen muss. Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich eine einjährige Bewährungsstrafe gefordert.

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