Zwischen Leben und Tod: Ausstellung im Landestheater zeigt Brustkrebs die pinke Karte

Kreis Lippe. Schwarz-weiße Fotografien, die zum Nachdenken anregen. Portraits, vorwiegend von Frauen mit nacktem Oberkörper, aber auch Männer sind zu sehen. Doch sie haben nichts Erotisches oder gar Anstößiges, ganz im Gegenteil, sind sie ästhetisch auf eine ganz spezielle Weise. Denn sie zeigen Menschen während oder nach der schwersten Zeit ihres Lebens: ihrer Erkrankung an Brustkrebs. Und sie alle sagen eines: "Fuck it – I'm alive!" - zugleich Titel der Ausstellung im Foyer des Landestheater Detmold.

Der Oktober ist der Brustkrebsmonat. In Deutschland erkranken jährlich etwa 70.000 Frauen und rund 700 Männer Brustkrebs. Eine von ihnen ist Sabine Mirbach (52). Sie hat die Ausstellung nach Detmold geholt und zeigt dem Brustkrebs - den sie liebevoll Karlarsch nennt - ebenfalls den Mittelfinger. Denn auch sie hat überlebt. Mit gerade einmal 44 Jahren erkrankte sie an einem Mammakarzinom und stellte fest: Brustkrebs ist ein Tabuthema. Seitdem setzt sie sich ein, um auf die Krankheit und die Vorsorge aufmerksam zu machen. So werden auf ihre Initiative Siloballen in pinke Folie gewickelt , Steine pink angemalt oder Bäume mit pinken Schals geschmückt . "Für mich ist das alles auch eine Art der Aufarbeitung", gibt sie zu. "Und die Bilder sind doch toll, oder?"

Im Internet ist sie auf die Bilder von Fotografin Iris Edinger gestoßen, nahm Kontakt zur Künstlerin auf, um sich selbst fotografieren zu lassen. Dann kam Corona, das Projekt lag auf Eis, soll aber noch umgesetzt werden. Narben habe sie schließlich auch genügend, sagt Sabine Mirbach lachend. Doch die Ausstellung nach Lippe zu holen, gerade im Oktober, war ihr eine Herzensangelegenheit. "Bei der ersten Begegnung mit den Bildern war ich dermaßen überwältigt", sagt auch Theaterintendant Georg Heckel. Er sei so begeistert gewesen und wollte die Bilder ins Haus holen. Schließlich sei Theater auch dazu da, Dringlichkeit in den Fokus zu stellen. "Hier wird Kritisches ästhetisch gezeigt", ergänzt Verwaltungsdirektor Stefan Dörr. Und die Aufgabe von Theater sei es, dies einer großen Anzahl von Menschen zugänglich zu machen.

Die Protagonisten Ebru musste eine Brust entfernt werden. Ihr hilft Mode, sich immer noch attraktiv zu fühlen, wie sie sagt. Celine hat sich mit 22 Jahren für eine prophylaktische Mastektomie (Brustentfernung) entschieden. Denn ihr Risiko zu erkranken war aufgrund eines Gendefekts auf 80 Prozent erhöht. Meike hatte irgendwann einmal Brustkrebs, ohne es gewusst zu haben. Doch der hat eine Metastase im Lymphknoten dagelassen, in der rechten Achsel. So ist es aufgefallen. Und Elena, deren Mutter wie sie ebenfalls Brustkrebs hatte - und den nicht überlebte. Oder Chris, der gleich sechs Tumore in der Brust hatte. Auch ihm wurde eine Brust abgenommen. Und noch so viele mehr - Frauen und Männer.

Angefangen hatte alles mit Marjorieth, erzählt Künstlerin Iris Edinger. Ihrer Freundin, die 2018 während ihrer Schwangerschaft an Brustkrebs erkrankte. Sie wollte der Freundin Trost und Kraft spenden - und fotografieren. Mit der Fotografie etwas ausdrücken, könne sie eben am besten. Marjorieth machte mit, sei von Idee und Bildern beeindruckt gewesen. Eine Brust musste Marjorieth operativ entfernt werden. Dort stehen Zahlen geschrieben, Markierungen für die Bestrahlung, erklärt die Fotografin das Portrait. "Ich wollte das Leid darstellen, aber kein Mitleid, sondern die Kraft, die die Betroffenen bekommen, aber auch aufwenden müssen." Die Darstellung habe sie absichtlich "brutal offen, aber ästhetisch und heroisch dabei" gewählt. Die meisten Fotografien sind in schwarz-weiß gehalten, "das stärkt die Erhabenheit", sagt die Künstlerin.

Raus aus der Komfortzone Kein Tabu mehr, kein Schamgefühl, mit der Ausstellung im Theater solle der Diskurs angeregt werden. "Dort, wo man nicht damit rechnet", erklärt Sabine Mirbach "Hier überraschen wir Menschen mit dem Thema Brustkrebs in ihrer Komfortzone des Kunstgenusses.

Die Vernissage der Ausstellung "Fuck it - I'm alive!" beginnt am Sonntag, 15. Oktober, um 11 Uhr. Auch Fotografin Iris Edinger wird da sein, sowie ein Model ihrer Portraits. Eine Finissage ist für Freitag, 27. Oktober, geplant.

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