Nach sexuellen Übergriffen am Klinikum: 60-jähriger Lemgoer verurteilt

Detmold/ Lemgo. Das ihm zustehende letzte Wort nutzt der Angeklagte in der grünen Kapuzenjacke dazu, um nochmals seine Unschuld zu beteuern. &bdquo;Er sagt, er habe nichts Böses getan“, wiederholt seine Verteidigerin Silke Streit nach der Verhandlung auf dem Gerichtsflur. Da hat ihr Mandant gerade das Gebäude verlassen. Als freier Mann tut er das allerdings nicht, denn die Kammer ist von seiner Schuld überzeugt.

Einzig der Haftbefehl des Angeklagten ist vorerst aufgehoben worden, schließlich hat er den Job als Reinigungskraft für das Klinikum Lippe nun offiziell verloren, das bestätigt seine als Zeugin geladene Vorgesetzte am zweiten Prozesstag vor Gericht. &bdquo;Ein rational denkender Mensch wird solche Taten nicht wiederholen“, sagt der Vorsitzende Richter Karsten Niemeyer. &bdquo;Er hat auch keine Gelegenheit mehr dazu.“

Aus Sicht des Gerichts steht nach einer umfangreichen Beweisaufnahme eindeutig fest, dass der 60-jährige Lemgoer seine Position als angestellter &bdquo;Bettenreiniger“ am Klinikum Lippe in Lemgo ausgenutzt hat und im März sowie April 2023 gegenüber vier betagten und bettlägerigen Patientinnen (alle bereits Ende 80) sexuell übergriffig geworden ist . Deshalb verurteilt ihn die Kammer am Freitag für vier sexuelle Übergriffe zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft. Das gleiche Strafmaß fordert Staatsanwältin Jaqueline Kleine-Flaßbeck zuvor in ihrem Plädoyer.

Keine Zweifel an der Täterschaft Der seit dem Jahr 2020 als Reinigungskraft tätige, verheiratete Angeklagte sei von einer Patientin, die mittels Notrufknopf maßgeblich an der Festnahme beteiligt gewesen sei, und den Ermittlern ein Zeichen gegeben habe, als der Angeklagte an ihrem Zimmer vorbeiging, eindeutig identifiziert worden, heißt es in der Urteilsbegründung. Es gebe keinen Grund zu der Annahme, dass ein anderer Täter auf den weiteren betroffenen Stationen sein Unwesen getrieben haben könnte. Die sexuellen Übergriffe an den vier teils sehr gesundheitlich angeschlagenen, älteren Damen seien daher eindeutig dem Angeklagten zuzuordnen, sagt der Richter. Ob der grauhaarige Mann auf der Anklagebank eindeutig als Täter überführt werden könne, war die zentrale Frage des Prozesses. Das hatte Richter Niemeyer bereits wenige Minuten nach dem Prozessauftakt vor einer Woche deutlich gemacht.

An der Glaubwürdigkeit der älteren Patientinnen habe kein Zweifel bestanden. Alle vier hatten unabhängig voneinander von den Übergriffen berichtet. Der Täter soll die älteren Frauen teils an den Brüsten sowie im Intimbereich berührt und sie geküsst haben. Einer Betroffenen soll er gar sein Glied gezeigt haben. Zwar hatte keine der Geschädigten persönlich an den zwei Prozesstagen aussagen können – inzwischen ist laut Kammer klar, dass sogar drei von vier betroffenen Patientinnen verstorben sind. Ihre Angaben wurden daher verlesen und durch Zeugen aus dem Krankenhaus sowie der Polizei untermauert. Weniger überzeugt von dieser Eindeutigkeit der Täterschaft ist Verteidigerin Silke Streit aus Lemgo. Sie fordert daher einen Freispruch.

Verteidigung will in Revision gehen &bdquo;Man hat sich aus meiner Sicht viel zu schnell auf meinen Mandanten eingeschossen, ohne dabei weitere mögliche Tatverdächtige vernünftig abzuklopfen“, sagt die Lemgoer Rechtsanwältin. Dass es die sexuellen Übergriffe gegeben habe, stehe außer Frage. Dennoch müssten die mühsam zusammengesetzten &bdquo;Puzzleteilchen“ nicht zwingend das Bild ihres Mandanten als möglichen Täter ergeben. Auch wenn Einzelteile auf ihn hindeuteten. &bdquo;Dass bei den Geschädigten nicht einmal eine Wahllichtbildvorlage und somit eine Gegenüberstellung gemacht wurde, um den Täter eindeutig zu identifizieren, halte ich ermittlungstechnisch für fehlerhaft.“ Die Verteidigung werde daher auf jeden Fall in Revision gehen.

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