Detmold. Eigentlich hätte das Landgericht Detmold in dieser Woche neu über die Höhe eines Strafmaßes entscheiden sollen, zu dem die Jugendschutzkammer vor etwa einem Jahr ein Urteil sprach. Damals wurde ein heute 37-jähriger Angeklagter aus Lemgo wegen sexueller Übergriffe - teils ohne Körperkontakt - auf zwei Kinder zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt. Die Kammer ging von einer so schlechten Sozialprognose aus, dass eine Bewährung aus ihrer Sicht nicht möglich gewesen wäre. Jetzt bekommt der Mann doch noch eine Chance, sich zu beweisen. Den Anstoß brachte ein Rechtsfehler im Urteil. Aus diesem Grund saßen sich die Beteiligten nach der teils erfolgreichen Revision des Angeklagten wieder im Sitzungssaal gegenüber. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hatte nach Angaben des Landgerichts bemängelt, die Kammer hätte in einem Fall bloß tateinheitlich von einer Vorbereitung des sexuellen Missbrauchs ausgehen dürfen, das Gericht hatte den Angeklagten allerdings tateinheitlich wegen versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt. Der BGH begründete seine Entscheidung mit den Umständen. Zwar hätte der Angeklagte das achtjährige Kind einmal zum Oralverkehr aufgefordert, das Mädchen sei darauf aber nicht weiter eingegangen und hätte das Zimmer verlassen. In der Situation hätte der Lemgoer die „Schwelle zum strafbaren Versuch“ aus Sicht des BGHs noch nicht überschritten. Allerdings hatte der Angeklagte stattdessen auf das Kind eingewirkt, in dem er dem Mädchen Pornos gezeigt hatte und es so zu sexuellen Handlungen bringen wollte. Alkoholproblem als Auslöser für Übergriffe? Diese und andere Übergriffe spielten sich allesamt zwischen Mai und Oktober 2023 in den heimischen vier Wänden der Patchworkfamilie ab. Heute sind die beiden betroffenen Mädchen zehn und 13 Jahre alt. Der Angeklagte legte bereits bei der Hauptverhandlung ein Geständnis ab, verwies auf sein Alkoholproblem, das er nicht in den Griff bekäme. Während des Tatzeitraums sei er die meiste Zeit betrunken gewesen, sagte er aus. Offenbar hat sich seitdem einiges getan. Laut Landgerichtssprecher Dr. Wolfram Wormuth gab der Angeklagte bei dem erneuten Prozesstermin vor der Auffangkammer an, trocken zu sein und seit einigen Monaten eine entsprechende Therapie zu machen. „Laut seines Verteidigers läuft die wohl ganz gut“, berichtete Wormuth im Nachgang. Statt über eine neue Gesamtstrafe zu entscheiden, setzte die Kammer daher das Verfahren vorerst aus. Der Lemgoer (37) soll nun noch erst einmal psychiatrisch begutachtet und die Therapie begleitet werden. Von deren Erfolg hängt dann ab, ob die Kammer möglicherweise doch noch eine Bewährungsstrafe in Betracht zieht, erklärt Wormuth. „Der Angeklagte war wohl selbst ganz überrascht, dass er diese Chance nochmal erhält.“ Im Frühjahr soll erneut verhandelt werden. Dann könnte sich aus Sicht der Kammer abzeichnen, wie sich der Angeklagte entwickelt hat. Der Lemgoer wurde im Jahr 2013 schon einmal wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt.