Busfahrer (76) vergreift sich bei Transportfahrten in Lemgo an Autistin und wird gefilmt

Kreis Lippe. Beschämt blickt der 76-jährige Lipper starr vor sich auf die Anklagebank. Er scheint es kaum auszuhalten, als das Videomaterial seiner Taten über die Leinwand des Gerichtssaals läuft. Darauf ist deutlich zu sehen, was der zuletzt für eine Behinderteneinrichtung tätige Busfahrer seiner autistischen Beifahrerin angetan hat. Vor dem Landgericht muss sich der Angeklagte daher am Montag für zwei sexuelle Übergriffe verantworten.

Die Taten machen die Angehörigen sprachlos. An zwei aufeinander folgenden Tagen im April dieses Jahres öffnet der geständige Angeklagte auf dem Parkstreifen vor der Behindertenwerkstatt in Lemgo-Lieme die Beifahrertür, nimmt die Hand der 35-jährigen Autistin und lässt sexuelle Handlungen an sich vornehmen. Der Bus ist zu diesem Zeitpunkt voll besetzt mit sieben weiteren Bewohnerinnen und Bewohnern einer Salzufler Einrichtung, die der angeklagte Fahrer fast täglich zu ihrem Arbeitsplatz bringt. Dass ausgerechnet in dieser Woche mehr zufällig eine Begleitperson im hinteren Teil des Busses sitzt und beide Taten filmt, bekommt der 76-Jährige seiner eigenen Aussage zufolge nicht mit.

Ob die Videoclips der einzige Grund sind, weshalb der Angeklagte die Übergriffe bereitwillig zugibt, wie Staatsanwältin Aleida Tappe und Nebenklagevertreterin Katja Kröger, die die Mutter der Geschädigten vertritt, bei der aus ihrer Sicht &bdquo;eindeutigen Beweislage“ vermuten, bleibt offen. Der Angeklagte selbst wagt den Versuch einer Entschuldigung. &bdquo;Es tut mir alles so leid, ich würde es wiedergutmachen, wenn ich könnte“, sagt er und richtet sich dabei direkt an den im Zuschauerraum sitzenden Vater sowie den Bruder des Opfers. &bdquo;Es ist mir unbegreiflich, dass ich das getan habe. Ich war nicht Herr meiner selbst.“

Angeklagter kann selbst kein Motiv nennen Einen Grund, weshalb er sich an der durch den Autismus stark geistig eingeschränkten Frau vergangen hat, könne er nicht nennen. Er sei glücklich verheiratet, habe die Arbeit mit den behinderten Menschen &bdquo;von Herzen“ gern gemacht und in vielen Jahren auf See einiges von der Welt gesehen. Der Geschädigten selbst fällt es laut ihren Betreuerinnen schwer, mit der Außenwelt - insbesondere mit Fremden - zu kommunizieren. Eine Aussage vor Gericht hätte sie wohl gar nicht hin bekommen, deshalb hat sie die Kammer erst gar nicht geladen.

Die Taten nachweisen muss die Große Strafkammer unter dem Vorsitz von Richter Karsten Niemeyer eh nicht, es geht vor allem darum, wie der 76-Jährige zu bestrafen ist. Weil der Mann bereits zu einem frühen Zeitpunkt des Verfahrens die Übergriffe eingeräumt hat, zweieinhalb Monate in Untersuchungshaft gesessen hatte und stark gesundheitlich angeschlagen sei, sieht die Kammer am Ende der Beweisaufnahme für die zwei sexuellen Übergriffe unter Ausnutzung des Betreuungsverhältnisses zwei Jahre Haft auf Bewährung als angemessen an.

&bdquo;Wir denken, er hat eine Bewährungschance verdient“, sagt der Richter. Der Angeklagte sei nicht vorbestraft, außerdem gehe die Kammer davon aus, dass es sich bei den Übergriffen mehr um ein Augenblickverschulden gehandelt habe. &bdquo;Das sieht man allein an der dilettantischen Tatausführung“, sagt Richter Karsten Niemeyer. Sich einfach mit einem voll besetzten Kleintransporter an die Straße zu stellen und übergriffig zu werden, spreche nicht für einen durchdachten Plan. &bdquo;Einer kriegt so etwas immer mit.“

Auch die Intensität der Tat spiele sich noch im unteren Bereich ab, da der Angeklagte keine Gewalt ausgeübt und die Geschädigte nicht selbst angefasst habe. Schilderungen der Mutter und von zwei Betreuerinnen, wonach sich die 35-Jährige schon Ende 2022 merklich verändert habe, nicht mehr in die eigentlich geliebte Werkstatt gewollt und viel geweint habe, könnten aus Sicht des Gerichts nicht dem Angeklagten zur Last gelegt werden.

Staatsanwältin fordert Haftstrafe Damit stimmt das Gericht nicht mit Staatsanwältin Aleida Tappe überein, die in ihrem Plädoyer zweieinhalb Jahre Haft fordert. &bdquo;Es ist für mich unbegreiflich“, sagt Tappe. Nebenklagevertreterin Katja Kröger macht es ebenfalls fassungslos, wie ein 76-jähriger, dem Lebenslauf nach gebildeter Mann, so wenig Empathie besitze. Sich einfach an einer hilflosen Frau mit einer geistigen Behinderung zu vergreifen, die ihre eigenen Bedürfnisse selbst kaum ausdrücken könne, sei schwer zu begreifen. &bdquo;Er hat sich an einer der schwächsten Gruppen unserer Gesellschaft vergriffen und die gilt es besonders zu schützen“, sagt die Rechtsanwältin aus Bielefeld. Sie schließt sich im Plädoyer dem geforderten Strafmaß der Staatsanwältin an.

Das Urteil ist letztendlich genau das, was sich Verteidiger Christoph Löhning aus Lage in seinem Plädoyer vorstellt. Aus seiner Sicht seien die Videoclips alles andere als eindeutige Beweise gewesen, das Geständnis seines Mandanten habe mehr Wert als von der Staatsanwaltschaft dargestellt. Da keiner der Betreuer nach dem Vorfall im April ein auffälliges Verhalten bei der Geschädigten festgestellt habe, müsse auch das berücksichtigt werden.

Die Mutter, die nach ihrer Aussage ebenfalls im Sitzungssaal Platz nimmt, kann die Worte des Verteidigers kaum ertragen und verlässt während des Plädoyers den Saal. Als der Angeklagte sich kurz danach in seinem ihm zustehenden letzten Wort noch einmal bei der Familie entschuldigen will, ergreift die 69-Jährige kurz selbst das Wort. &bdquo;Ich nehme Ihre Entschuldigung nicht an“, sagt sie.

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