Mehr als 300 Landwirte wettern in Detmold gegen die Ampel-Politik

Detmold. Hunderte Landwirte aus dem Kreis Lippe sind am Montag mit ihren Traktoren zu einer Protestfahrt nach Detmold aufgebrochen. Auf dem Kronenplatz am Bahnhof haben sie ihrem Ärger über die Politik der Ampel-Regierung Luft gemacht. Ab 14 Uhr war dort eine große Kundgebung angesetzt. Eingeladen hatte der Kreisverband Lippe im Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband.

Auf einer Bühne an der Nordwestseite des Detmolder Kronenplatzes sprachen Kreisvorsitzender Dieter Hagedorn, dessen Stellvertreterin Britta Petercord, Junglandwirt Matthias Lampenscherf aus Bad Salzuflen sowie Dr. Stefan Brinker, Regionalleiter der Pfeifer und Langen-Zuckerfabrik in Lage, zu den über 300 Versammlungsteilnehmern. Zu denen zählten nicht nur Landwirte, sondern auch Beschäftigte aus angrenzenden Berufsfeldern, die sich mit den Bauern solidarisierten.

Immer neue Auflagen - Bauern auf den Barrikaden &bdquo;Wir sind heute nicht nur hier, weil ein paar Bauern Angst um den Agrardiesel haben“, erklärte Dieter Hagedorn die Beweggründe der Protestaktion, die mit dem Ausruf &bdquo;Zu viel ist zu viel“ überschrieben war. Vielmehr sei dies nur der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Ein verschärftes Pflanzenschutzmittel-Gesetz, Glyphosat-Verbot, neue Richtlinien für das Düngen von Ackerstreifen in Gewässernähe. Und nun die gestrichenen Steuererleichterungen beim Agrardiesel: Hagedorn zählte auf, welche Maßnahmen in den zurückliegenden Jahren auf die Landwirte einprasselten.

Hagedorn sprach von immer neuen Auflagen in schwindelerregendem Tempo für die Landwirtschaft, von einem Korsett an Bestimmungen. Und - wie die Beifallsbekundungen zeigten - sprach er seinen Kollegen damit nur so aus der Seele. &bdquo;Was uns alle eint, ist, dass wir uns bezahlbare und vernünftige Entscheidungen von der Politik wünschen.“ Seine Forderungen an Berlin: Unnötige Bürokratie stoppen und die Möglichkeit, wieder in Ruhe und zielorientiert arbeiten zu können. Auch Hagedorns Stellvertreterin Britta Petercord aus Lemgo unterstrich: &bdquo;Wir brauchen keine Schnellschuss-Politik von Entscheidern, die selbst gar keine Ahnung von der Landwirtschaft haben, sondern eine Politik mit Weitblick.“

Robin Wagener: &bdquo;Das wird nicht passieren“ Auffällig: Während sich die anderen lippischen Bundestagsabgeordneten der Ampel-Regierung aus terminlichen Gründen entschuldigen ließen, stellte sich der Grünen-Bundestagsabgeordnete Robin Wagener der Menge auf dem Kronenplatz. Er sei das erste Mal zu einer Demonstration eingeladen worden, die sich gegen seine eigene Politik richte. Allein das sei ein besonderes und wichtiges Zeichen der Veranstalter, in einen Diskurs treten zu wollen, sagte Wagener. Und dennoch: Dass die Regierung die angekündigten Sparmaßnahmen beim Agrardiesel zurücknimmt, &bdquo;das wird nicht passieren“, stellte der Bundestagsabgeordnete klar - und erntete dafür Buh-Rufe und &bdquo;Die Ampel muss weg“-Sprüche von einigen der Anwesenden.

&bdquo;Anstatt Subventionen für fossile Energieträger auf Dauer aufrecht zu erhalten, sollten wir viel eher daran arbeiten, faire Preise für landwirtschaftliche Arbeit zu erzielen. Aber das braucht Zeit.“ Diese Zeit wolle die Regierung den Landwirten auch geben, daher seien bereits Teile der jüngsten Vereinbarungen, Stichwort: Kfz-Steuer, korrigiert worden.

Dr. Stefan Brinker bemängelte hingegen die vermeintliche Willkür in den Entscheidungen der Politik. Sie würden nicht nur den Landwirten zu schaffen machen, sondern auch allen anderen Betrieben, die damit zusammenhängen. &bdquo;Würde man so ein Wirtschaftsunternehmen führen, wäre es schon längst pleite“. Junglandwirt Matthias Lampenscherf sah es ähnlich und kritisierte das &bdquo;permanente Hin und Her“ in den Entscheidungen. &bdquo;Es kann doch nicht sein, dass die Regierung einen Haushaltsplan vorstellt und die Fraktionen dann hier und da noch etwas geändert haben wollen.“

Veranstaltung bleibt friedlich Große Zustimmung der Menge, von denen sich einige bereits gegen 11.30 Uhr mit ihren Fahrzeugen am Kronenplatz trafen. Danach wurden es minütlich mehr. Der Platz war schnell voll belegt und reichte als Stellfläche für all die Trecker nicht aus. Weitere Traktoren und große Fahrzeuge wurden entlang der Industriestraße aufgereiht oder mussten sogar auf den Parkplatz an der Detmolder Feuerwache am Gelskamp ausweichen. Wie d ie Polizei Lippe am Montagnachmittag berichtete, sei es durch die Veranstaltung in Detmold nicht zu größeren Verkehrsproblemen gekommen. Lediglich bei der An- und Abfahrt habe es vereinzelte Staus gegeben. Wie manche Leser der LZ berichteten, hätten allerdings einige wenige Traktorfahrer die Verkehrsregeln auf dem Hinweg zum Kronenplatz nicht allzu genau genommen.

Insgesamt nahm der Protest in Detmold aber einen friedlichen Verlauf. Laut der Polizei hatte es im Vorfeld Hinweise darauf gegeben, dass sich womöglich auch Menschen rechter Gesinnung unter die Versammlungsteilnehmer mischen und die Veranstaltung für ihre Zwecke missbrauchen könnten. Diese bestätigten sich allerdings nicht. Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Ausrichtern sei durchweg positi v gewesen, heißt es von beiden Seiten.

Lippische Bauern sprechen Klartext Cord-Friedrich Delker betreibt in Lemgo einen Ackerbaubetrieb und hat darüber hinaus rund 100 Kühe im Stall stehen. Mit seiner Teilnahme an der Protestaktion auf dem Kronenplatz möchte er ein Zeichen setzen. &bdquo;Wir in der Landwirtschaft haben in den vergangenen Jahren dermaßen viele Auflagen aufgehalst bekommen.“ Der Wegfall der Agrardiesel-Beihilfe habe für ihn – und alle seine Kollegen, da ist er sich sicher – das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. &bdquo;Wir Landwirte sollen weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen, für die mechanische Bodenbearbeitung brauche ich dann aber mehr Diesel. Im Moment gibt es in der Landwirtschaft noch keine realistischen Alternativen zum Dieselmotor.“ Dass die Agrardiesel-Beihilfe nun wegfallen soll, sei für Delker daher nicht nachzuvollziehen. &bdquo;Wir werden von der Politik, brutal gesagt, in den Arsch getreten.“

Thomas Wiesmann aus Detmold ist Landwirt im Nebenerwerb und ließ es sich nicht nehmen, bei der Protestaktion dabei zu sein. &bdquo;Der Wegfall der Agrardiesel-Subventionierung sorgt für einen weiteren Wettbewerbsnachteil für die Landwirte in Deutschland. Wir müssen ohnehin schon an vielen Stellen höhere Abgaben zahlen als das bei Bauern in anderen EU-Ländern der Fall ist“, erklärte der Detmolder. Mit der neuen Agrarreform, die 2023 in Kraft getreten war, sei für die Landwirte zudem immer mehr Bürokratie bei der täglichen Arbeit hinzugekommen.

Viel Unterstützung für die Landwirte Einige Landwirte äußerten ihren Frust über die jüngsten politischen Entscheidungen mithilfe von Spruchbändern und Plakaten, die sie an ihren Traktoren befestigt hatten. &bdquo;Ist der Bauer ruiniert , wird das Essen importiert“, &bdquo;Keine Bauern! Keine Nahrung! Keine Zukunft!“, oder auch &bdquo;Finger weg vom Agrardiesel“ war darauf zu lesen. Doch nicht bloß Landwirte fanden am Montag den Weg auf den Kronenplatz. Auch Beschäftigte von Handwerksbetrieben oder Lohnunternehmen, die mit den lippischen Landwirten zusammenarbeiten, standen beim Protest Seite an Seite mit den Betroffenen. D arunter auch Ingo Klaas aus Horn-Bad Meinberg. &bdquo;Ich bin mit dem Team unserer Werkstatt hier, wir arbeiten als Lohnunternehmen für viele lippische Landwirte mit Großgeräten.“ Den betroffenen Bauern am Montag zu der Kundgebung zu folgen, sei für ihn selbstverständlich gewesen, sagte Klaas.

Ähnlich sah es Horst Kemper vom Lohnunternehmen Veit Kemper aus Steinheim. Seine Kunden unterstützt das Unternehmen etwa bei der Aussaat, der Getreideernte oder auch beim Pressen von Stroh und Heu. &bdquo;Wir wollten die Betroffenen unterstützen“, sagte Kemper . &bdquo;Kollegen von uns sind mit ihren Schleppern auch nach Höxter oder Holzminden unterwegs.“ Zwar greife die Agrardiesel-Vergütung für Lohnunternehmen nicht, &bdquo;trotzdem muss man hier Flagge zeigen, damit die in Berlin endlich mal zum Umdenken kommen.“

Barbara Liebermann ist gelernte Metzgerin, Sabrina Schäfer besitzt Verwandtschaft in Lügde , die dort Felder bewirtschaften und Rinder halten. Für die beiden Frauen war die Teilnahme an der Kundgebung daher eine Herzensangelegenheit. &bdquo;Geht der Bauer kaputt, geht auch der Fleischer und der Bäcker kaputt“, ist sich Liebermann sicher. Gerade kleine Betriebe müssten laut Schäfer daher die Möglichkeit behalten, weiter unabhängig wirtschaften zu können. Ohne Unterstützung, wie eben die Agrardiesel-Beihilfe, werde dies allerdings immer schwieriger.

CDU steht an der Seite der Landwirte Die Sparvorschläge der Ampel-Regierung gefährden aus Sicht der CDU Lippe die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und des Gartenbaus. Dazu erklärt CDU-Kreisvorsitzender Lars Wilhelm Brakhage in einer Mitteilung: &bdquo;Die jüngst bekannt gewordenen Sparvorschläge der Bundesregierung sollten ursprünglich zu einer zusätzlichen Steuerlast von circa 1 Milliarde Euro jährlich führen. Auch nach Rücknahme der geplanten Abschaffung der Kfz-Steuer wird die stufenweise Abschaffung der Steuerrückerstattung beim Agrardiesel eine erhebliche finanzielle Belastung unserer Grünen Branche bedeuten.“

Diese Maßnahme wirke sich direkt kürzend auf das Einkommen der zumeist familiär geführten Betriebe aus und stelle damit einen zusätzlichen Wettbewerbsnachteil im europäischen und internationalen Vergleich dar. Auch die in den Wertschöpfungsketten miteinander verbundenen Unternehmen würden belastet, Kosten könnten nicht komplett an die Kunden weitergegeben werden.

Von der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und dem Gartenbau werde stetig eingefordert, Pflanzenschutzmittel zu reduzieren. Diese gewollte Reduzierung führe aber zu mehr mechanischer Bodenbearbeitung auf den Ackerflächen und damit zu einem höheren Dieselverbrauch für die zusätzlichen Fahrten – durch die Streichung der Agrardieselrückvergütung würden Betriebe benachteiligt, die sich dieser Herausforderung annehmen. Die CDU Lippe appelliere eindringlich an die Bundesregierung, die Maßnahmen zurückzunehmen.

Mehr zu der Aktion und den Hintergründen lesen Sie hier .

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