Schüsse, Fußtritte, Hammerschläge: So traktieren Raser in Lippe Blitzer und Mitarbeiter

Kreis Lippe. Klick – ein heller Blitz – eine kurze Unaufmerksamkeit, schon ist es geschehen. Es gibt wohl wenige Autofahrer, die noch nie in eine Blitzerfalle getappt sind. Der bundesweit gültige Bußgeldkatalog ist im November 2021 geändert worden. Seither gelten deutlich höhere Bußgelder, zum Teil haben sich diese verdoppelt.

So spülen Buß- oder Verwarngelder wegen Geschwindigkeitsübertretungen jährlich mehrere Millionen Euro in die öffentlichen Kassen – aber die Laserüberwachungen und die daraus resultierenden Strafen machen die Straßen auch sicherer, wie die neue Fachbereichsleiterin Ordnung beim Kreis Lippe, Daniela Brenker, betont. Leider locken sie aber auch Frustrierte, Gewaltbereite und Zerstörungswütige an, die die Schuld für die eigene Gesetzesübertretung bei anderen suchen. Kein einfacher Job für die drei Mitarbeiter, die regelmäßig im Laserwagen am Straßenrand sitzen und verdeckte Geschwindigkeitsmessungen vornehmen.

Der Kreis Lippe überwacht die Geschwindigkeit auf Bundes- und Landesstraßen in allen lippischen Kommunen außer in Detmold mit Hilfe von sieben stationären Anlagen, einem Messwagen und einem Blitzeranhänger. Letztere sind immer wieder Opfer von Attacken.

Bei Angriff Gas geben An sich haben die Männer im Fahrzeug mit der Lasermessung nicht viel zu tun, die Technik ist heutzutage ausgefeilt. Das Gerät müsse lediglich an- und abgeschaltet und die Funktionstüchtigkeit überwacht werden, sagt Stephan Bethge, der als Teamleiter für die Verkehrsüberwachung verantwortlich zeichnet. Doch auch wenn der Job im mobilen Blitzerfahrzeug einfach erscheint, er kann mitunter gefährlich werden. Immer häufiger passiere es, dass Autofahrer, die sich ungerecht behandelt fühlten, zurückkehrten und versuchten, mit dem Mitarbeiter zu diskutieren. Im besten Fall bliebe es dabei, im schlimmsten komme es zu Gewalttätigkeiten. Bethge sagt: &bdquo;Fußtritte gegen das Auto, Schüsse, Hammerschläge – wir haben schon alles erlebt.“ Der Mitarbeiter solle deshalb möglichst während seines Dienstes im Auto sitzen bleiben und wenn es zu Angriffen komme, wegfahren: &bdquo;Da geht Eigenschutz vor“, betont der Teamleiter.

Tätliche Angriffe hat es in der Vergangenheit auch immer wieder gegen den Blitzeranhänger namens &bdquo;Hermann“ gegeben, der zwar mit einer Kamera bestückt ist, aber quasi mutterseelenallein auch nachts am Straßenrand parkt: &bdquo;Im vergangenen Jahr war die Kamera beschädigt worden – die Reparatur war langwierig, er war drei Monate nicht einsatzbereit“, berichtet Fachbereichsleiterin Daniela Brenker. Neben den Reparaturkosten bedeutet der Ausfall für den Kreis Lippe einen erheblichen Einnahmeverlust: 9500 Geschwindigkeitsverstöße habe der Blitzeranhänger in den übrigen neun Monaten festgestellt, der mobile Blitzerwagen habe 15.000 im ganzen Jahr dokumentiert.

Raser zahlen Millionen Euro Ein Großteil der insgesamt rund 47.000 Tempo-Verstöße stellen dabei tatsächlich die beiden mobilen Messgeräte fest, die regelmäßig an einer anderen Stelle zu finden sind. Zum Vergleich: Von den sieben stationären Blitzern zeichnet 2023 derjenige an der B1, Abfahrt Leopoldstal, mit 8790 die häufigsten Verstöße auf, gefolgt von dem in Extertal-Nalhof (5924) und dem an der L712 (Ostwestfalenstraße) bei Bad Salzuflen-Retzen (2516). Insgesamt hat der Kreis Lippe 2022 durch die Geschwindigkeitsmessung 2,95 Millionen Euro an Buß- und Verwarngeldern eingenommen. Das allerdings ist der reine Umsatz, denn Personal- und Sachkosten müssten von dem Betrag abgezogen werden. Der Haushaltsansatz für 2023 liegt laut Brenker bei 3,46 Millionen Euro, der Jahresabschluss liege noch nicht vor.

Im Kreis Lippe sind inzwischen alle sieben stationären Blitzer auf dem neuesten Stand – das bedeutet: mit neuester Lasertechnik ausgestattete Tower. Die Bilder werden live in die Kreisbehörde übertragen. Die alten &bdquo;Starenkästen“, die ihren Namen aufgrund ihres Aussehens tragen, haben in Lippe inzwischen ausgedient. Längst muss niemand mehr Filme wechseln; und dank der Lasertechnik können sich die Raser auch nicht mehr mit einem Schlenker der kostspieligen Aufnahme entziehen. Bethge erklärt: &bdquo;Der Laser misst über die komplette Fahrbahnbreite.“ Auch schlappe Akkus machen keine Probleme mehr: Die neue Generation wird über Erdkabel mit Strom gespeist. Allerdings hat das Verfahren seinen Preis: Rund 75.000 Euro kostet laut Bethge eine Tower-Anlage mitsamt Lasertechnik. Noch teurer wird es, wenn über lange Strecken Erdkabel verlegt werden müsse: &bdquo;Da können 400 Meter schon mal mit 100.000 Euro zu Buche schlagen.“

Der erste der schlanken schwarzen Tower wurde im April 2014 an der B1, Abfahrt Waldschlösschen Horn, errichtet und bei einer Trunkenheitsfahrt im Dezember 2022 zerstört und ersetzt. Er hat bislang gut 70.000-mal ausgelöst. Der jüngste steht drei Kilometer weiter an der Abfahrt Leopoldstal. Er wurde im Mai 2020 installiert, hat aber bereits knapp 98.000 Verstöße festgestellt, denn er ist der einzige im gesamten Kreisgebiet, der in beide Richtungen blitzt.

Blitzen im Ausland: Einfacher und teurer Wenn das doch so einträglich ist, warum rüstet man nicht auch die anderen Tower mit einer Kamera für die zweite Fahrtrichtung nach? Teamleiter Stephan Bethge führt technische und topographische Gründe an: Denn die Fotos von den Verkehrssündern müssen einwandfrei sein, so dass sie auch einer rechtlichen Überprüfung standhalten. Übrigens gibt es hier einen deutlichen Unterschied zum europäischen Ausland, wo Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen auch in Leitplanken oder an anderen nicht erkennbaren Stellen installiert sind: &bdquo;Bei uns gilt die Fahrerhaftung, deshalb muss der Fahrer eindeutig zu erkennen sein. In anderen Ländern gilt die Halterhaftung.“ Wagen und Nummernschild reichen im Ausland aus, um Raser zur Kasse zu bitten – und Autobesitzer müssen zahlen, grundsätzlich deutlich mehr als in Deutschland, auch wenn sie nicht hinterm Steuer saßen.Die besonderen Anforderungen an die Beweisfotos in Deutschland erfordern wiederum auch einen hohen personellen Aufwand: Allein zwei Mitarbeiter und immer wieder auch Aushilfen seien im Kreishaus mit der Nachbearbeitung der Blitzerfotos beschäftigt. Zwei stationäre Blitzer, an der B1 bei Barntrup und der Autobahnauffahrt zur A2 bei Bad Salzuflen, wurden inzwischen abgebaut: &bdquo;Dabei war gerade letzterer unser einträglichster“, sagt Brenker. Doch eine Ampel hat ihn überflüssig gemacht. Der Barntruper Starenkasten wiederum ist nach Einweihung der Ortsumgehung und Umleitung des Verkehrs überflüssig geworden.

Neuer Blitzeranhänger bestellt Die Aufstellung weiterer fester Anlagen ist laut Brenker zukünftig nicht geplant. &bdquo;Bei den stationären Messstellen tritt mit der Zeit eine Gewöhnung ein“, gesteht sie. Was aus Sicht der Verkehrssicherheit bei unfallträchtigen Kreuzungen gut ist, Gefahrenstellen an anderen Orten im Kreisgebiet jedoch wenig hilft. Ergo kommt nun ein zweiter Blitzeranhänger. 260.000 bis 280.000 Euro kostet so ein High-Tech-Gerät. &bdquo;Wir können damit flexibler auf Gefahrenstellen reagieren“, betont Brenker den Vorteil.

Rund 400 Messstellen im gesamten Kreisgebiet mit Ausnahme von Detmold werden nach Auskunft von Bethge durch den Laserwagen und Blitzeranhänger derzeit bedient: &bdquo;Viele davon fußen auf Anregungen aus der Bevölkerung“, sagt Bethge und lädt Bürgerinnen und Bürger ausdrücklich dazu ein, der Behörde weitere gefährliche Orte und Raserstraßen zu melden. Ergeben die Vorab-Messungen der Behörde, dass der gemeldete Bereich eine Gefahrenstelle darstellt und bietet er sich zudem für eine Lasermessung an, wird er in die Liste aufgenommen.

Viele Bürger würden den Einsatz mobiler Blitzer begrüßen - nicht zuletzt, um im eigenen Umfeld für mehr Sicherheit zu sorgen. Und es scheint, als haben die Verantwortlichen inzwischen auch die &bdquo;Attentate“ auf Blitzeranhänger &bdquo;Hermann“ im Griff. Seit die klobige Fotobox im November mit einer Collage aus bunten Kinderbildern foliert wurde, die kleine Künstler der Kita Schlangen gestaltet haben, gab es keine Farbattacken mehr. Möglich, dass die Hemmschwelle, Kinderkunst zu zerstören, größer ist als einen schwarzen Kasten anzugehen.

Wenn &bdquo;Hermann“ aber demnächst Verstärkung bekommt, sollten Autofahrer noch mehr auf der Hut sein - und immer daran denken: Das Messgerät und die Mitarbeiter dahinter sind nicht Schuld an der eigenen Verfehlung. In der Geldbörse weh tuts nur für diejenigen, die sich nicht ans Tempolimit halten.

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