Weshalb das neue Cannabis-Gesetz für Konsumenten in Lippe kein Freifahrtschein ist

Kreis Lippe. Auf der Straße bis zu 25 Gramm Cannabis in der Tasche zu haben, ist bald legal. Und wer daheim drei weibliche Pflanzen anbauen möchte oder 50 Gramm getrocknetes Cannabis zum Eigenkonsum zu Hause hat, muss künftig keine Razzia mehr in den eigenen vier Wänden befürchten.

Dass das neue Cannabis-Gesetz schon zum 1. April kommt, schien zwischendurch unwahrscheinlich. Zu viele Fragen sind noch offen - die Länder sehen sich mit der Umsetzung überfordert. <a data-mce-href="https://www.lz.de/ueberregional/topthemen/23812636_Bundesrat-macht-Weg-fuer-Cannabis-Legalisierung-frei.html#:~:text=Nur%20Vollj%C3%A4hrige%20d%C3%BCrfen%20konsumieren&text=In%20der%20eigenen%20Wohnung%20sollen,Metern%20Luftlinie%20um%20den%20Eingang." href="https://www.lz.de/ueberregional/topthemen/23812636_Bundesrat-macht-Weg-fuer-Cannabis-Legalisierung-frei.html#:~:text=Nur%20Vollj%C3%A4hrige%20d%C3%BCrfen%20konsumieren&text=In%20der%20eigenen%20Wohnung%20sollen,Metern%20Luftlinie%20um%20den%20Eingang." rel="noopener" target="_blank">Trotz aller Kritik hat der Bundesrat die Teil-Legalsierung in der vergangenen Woche durchgewunken. Eins ist dennoch klar: Auch im Kreis Lippe steht der Justiz viel Arbeit bevor. Und auch Konsumenten sollten das neue Gesetz mit Vorsicht genießen, rät ein Detmolder Fachanwalt für Verkehrsrecht.

Mehr als 60.000 Verfahren in NRW müssen überprüft werden Weil die Probleme überall ähnlich sind, setzen die Länder gerade alles daran, das neue Gesetz noch irgendwie auszubremsen. Verwunderlich ist das nicht: Die anstehende Teillegalisierung, die vor allem auf lange Sicht die Polizeiarbeit entlasten soll, sorgt bei der Justiz für große Herausforderungen. Da das gelockerte Gesetz rückwirkend gilt, werden diverse Fälle neu bewertet. Allein in NRW müssen mehr als 60.000 Verfahren auf Straferlass überprüft werden , schreibt das Justizministerium auf Anfrage. Das habe eine Umfrage unter den 19 Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen ergeben.

Auch die Staatsanwaltschaft Detmold ist als kleinste Ermittlungsbehörde des Landes nach eigenen Angaben gerade dabei, sich darauf einzustellen. Ob und wie viele bereits verurteilte Personen im Kreis Lippe wegen des neuen Gesetzes tatsächlich aus dem Gefängnis kommen beziehungsweise ihre Strafe gar nicht erst antreten müssen, kann Staatsanwalt Alexander Görlitz als Pressesprecher der hiesigen Ermittlungsbehörde bisher allerdings nicht beantworten. Nur so viel: Die Fälle durchzugehen, werde gerade zur Priorität gemacht. Genaueres zum Ablauf könne er noch nicht angeben, sagt Görlitz. &bdquo;Die praktische Handhabe wird derzeit organisiert“, teilt der Staatsanwalt mit.

Da noch nicht geklärt sei, wann das neue Gesetz tatsächlich in Kraft tritt, könne die Staatsanwaltschaft Detmold bisher nicht abschätzen, wie viel Aufwand eine Durchsicht der in Detmold anhängigen Verfahren tatsächlich bedeute. Laut einer Antwort des NRW-Justizminsteriums rechnet man pro zu überprüfender Akte mit einem Zeitaufwand von etwa einer Stunde.

Nicht eingerechnet sei darin der zusätzliche Aufwand, wenn tatsächlich ein Straferlass umgesetzt werden müsse, schreibt die Vorsitzende Richterin und Pressesprecherin des Justizministeriums, Dr. Elisabeth Stöve. Ein zeitfressender Kraftakt also. Dass die hiesigen Ermittler mit einer Mehrbelastung rechnen müssten, davon sei daher auszugehen, schätzt Staatsanwalt Alexander Görlitz.

Keine Haftentlassungen am laufenden Band erwartet

Und was bedeutet das für Konsumenten? Rechtsanwalt Dr. André Pott aus Detmold hat im beruflichen Alltag regelmäßig mit Fällen rund um Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz zu tun. Dennoch rechnet der Fachanwalt für Verkehrsrecht nicht damit, dass sein Hauptaugenmerk demnächst darauf liegen wird, reihenweise Mandanten wegen des rückwirkenden Straferlasses aus dem Gefängnis zu holen.

&bdquo;Bei so geringen Mengen kommt man normalerweise nicht direkt in Haft“, sagt Pott. Wer einmal mit Cannabis erwischt worden sei und keine Vorstrafen habe, den erwarte in der Regel kein Gefängnisaufenthalt, sagt Pott. Allerdings sei bisher gerade bei der Staatsanwaltschaft Detmold selbst der Besitz von sehr geringen Cannabis-Mengen verfolgt worden. Das zeige die Erfahrung aus der anwaltlichen Praxis. Das werde sich durch das neue Gesetz natürlich ändern, sagt Pott.

Einen Vorteil des Straferlasses sieht der Rechtsanwalt allerdings trotzdem. Betroffene, die wegen Besitzes geringer Mengen verurteilt worden seien, könnten Eintragungen aus dem Strafregister löschen lassen. Das könne insbesondere in Sachen Führerscheinentzug helfen. Gerade hier sieht der Rechtsanwalt aus Detmold auch eine große Schwachstelle im Gesetz. &bdquo;Den Leuten wird vermittelt: Kiffen ist jetzt legal. Welche Konsequenzen das aber gerade im Straßenverkehr haben kann, wissen viele nicht.“

Wer nämlich Cannabis konsumiert, bei einer Verkehrskontrolle angehalten wird und einen THC-Wert, also den im Cannabis enthaltenden Wirkstoff, von einem Nanogramm pro Milliliter im Blut intus hat, dem droht laut Pott nicht allein ein einfacher Bußgeldbescheid von 500 Euro samt einem Monat Fahrverbot. Die Ordnungswidrigkeit ziehe oft einen wahren Rattenschwanz mit sich, erklärt der Rechtsanwalt. &bdquo;Trotz des Cannabisgesetzes wird jeder Führerscheininhaber mit dem Risiko leben müssen, seinen Führerschein zu verlieren, weil er mit THC im Blut ein Fahrzeug geführt hat.“

Cannabis im Straßenverkehr bleibt strafbar Und das selbst, wenn keine Ausfallerscheinungen vorlägen und kein Unfall verursacht worden sei. Da Cannabis nur langsam im Blut abgebaut werde und bei regelmäßigem Konsum länger nachweisbar sei, könne es im Straßenverkehr durchaus Probleme geben. Zwar hätten Studien ergeben, dass es erst ab drei Nanogramm pro Milliliter nachweisbar zu Einschränkungen der Reaktion komme, das neue Gesetz aber sehe bisher keine entsprechende Anpassung vor. &bdquo;Es bleibt daher interessant, wie sich die Rechtssprechung hier entwickelt.“

Eine Ordnungswidrigkeit wie Cannabis am Steuer bedeute dann immer auch einen Hinweis von der Polizei an die Führerscheinstelle, sagt Dr. André Pott. Betroffene bekämen dann Post vom Straßenverkehrsamt, wenn Hinweise auf einen regelmäßigen Konsum oder entsprechende Blutwerte vorlägen, um die Fahrtauglichkeit überprüfen zu lassen.

Zu einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) gehöre dann auch ein zwölfmonatiger Abstinenznachweis. Wegen kurz gefasster Fristen führe das in der Praxis häufig zu einem Führerscheinentzug, sagt Pott. Auch wenn das Straßenverkehrsamt im Kreis Lippe mit etwaigen Fristen kulant sei, koste das ganze Prozedere am Ende für Betroffene mehrere Tausend Euro.

&bdquo;Ich bekomme immer wieder mit, dass die Leute fassungslos darüber sind“, sagt Pott. Zwar werde Cannabis durch das neue Gesetz auf eine Ebene mit Alkohol gestellt und ein stückweit legalisiert - im Straßenverkehr könnten die Konsequenzen aber weiterhin massiv sein.

Transparenzhinweis: Der Artikel erschien am 21. März in der gedruckten LZ und damit vor der Entscheidung des Bundesrates am 22. März. Wir haben die Information entsprechend ergänzt.

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