Amt als Betreuerin missbraucht? Anklage gegen Detmolder Rechtsanwältin erhoben

Kreis Lippe. Nach mehr als einem Jahr Ermittlungsarbeit hat die Staatsanwaltschaft Detmold nun Anklage wegen gewerbsmäßigen Betrugs und Untreue gegen eine Detmolder Rechtsanwältin (58) - sowie zwei ihrer mutmaßlichen &bdquo;Gehilfen“- erhoben. Die auf Betreuungsrecht spezialisierte Juristin soll ihr Amt als Betreuerin zwischen Februar 2019 bis 2023 dazu missbraucht haben, acht ihrer zu betreuenden Klienten um teils große Summen Geld gebracht zu haben. Laut Anklage geht es um 39 Fälle, den realen Sachschaden beziffert die Staatsanwaltschaft auf etwa 65.000 Euro. Das teilt Landgerichtssprecher Dr. Wolfram Wormuth auf Anfrage mit.

Gerade befindet sich die Anklage laut Wormuth im sogenannten Zwischenverfahren. Das heißt, die Kammer muss prüfen, ob die angeklagten Vorwürfe generell rein formal strafbar sind. Sollte die Wirtschaftskammer des Landgerichts die Anklage zur Hauptverhandlung zulassen, wird sich die beschuldigte Anwältin wohl zunächst nicht allein vor Gericht verantworten müssen.

Neben der Rechtsanwältin ist auch eine ehemalige Mitarbeiterin (31) angeklagt, die mithilfe ihrer Chefin die Eigentumswohnung von einer Betreuten unter Wert gekauft haben soll. Damit soll die Mitarbeiterin etwa 50 Prozent des eigentlichen Kaufpreises und somit etwa 87.000 Euro gespart haben, sagt Wormuth. Außerdem wirft die Staatsanwaltschaft ihr vor, zu unrecht Pflegeleistungen von etwa 7000 Euro kassiert zu haben, obwohl sie gar nicht gearbeitet haben soll.

Oberstaatsanwalt spricht von &bdquo;sehr mühsamen“ Verfahren Was den Komplex um die Eigentumswohnung betrifft, hat die Staatsanwaltschaft Detmold ebenfalls gegen einen Immobilienmakler aus Bielefeld (69) Anklage erhoben, der für die Wohnung ein bewusst falsches Wertgutachten erstellt haben soll. Dass die Ermittlungsbehörde die Vorwürfe gegen alle drei in einer großen Anklage zusammenführt, obwohl die Detmolder Juristin klar im Fokus steht, macht aus Sicht von Oberstaatsanwalt Christopher Imig Sinn. &bdquo;Die Geschädigte in dem konkreten Fall mit dem Immobilienmakler und der Mitarbeiterin ist eine betagtere ältere Dame, die wollten wir nicht dreifach als Zeugin vor Gericht zerren.“

Für den das Verfahren führenden Oberstaatsanwalt war der Weg bis hierhin &bdquo;sehr mühselig“, insbesondere die Auswertung der Unterlagen habe viel Zeit in Anspruch genommen. Der erste eine Erbsache betreffende Hinweis sei Ende 2022 eingegangen. Bei einer daraus resultierenden Durchsuchung waren die Ermittler dann laut Imig auf Sachen gestoßen, &bdquo;die mehr illegal als legal“ wirkten. Der Fall sei daraufhin größer geworden. Parallel kamen während der Ermittlungen immer mehr Hinweise von ehemaligen Betreuten oder deren Angehörigen an. Vereinzelt meldeten sich auch Betreuer, die die rund 170 Fälle der Rechtsanwältin übernommen hatten.

Verteidiger wirft Staatsanwaltschaft Befangenheit vor Laut Verteidiger Georg Schulze, der die Detmolder Rechtsanwältin vertritt, umfasst die Anklage beachtliche 52 Seiten. Für eine Wirtschaftsstrafsache hielte sich der Umfang sogar noch im Rahmen, sagt Schulze, für ein normales Strafverfahren sei die Anklageschrift aber recht massiv. Der Bielefelder Rechtsanwalt möchte die Inhalte zum jetzigen Zeitpunkt nicht weiter kommentieren, kündigte aber an, zu jedem einzelnen der zehn bis zwölf Tatkomplexe im Zwischenverfahren Stellung zu nehmen. &bdquo;Wegen des Osterurlaubs haben wir dafür bei Gericht einmal Fristverlängerung beantragt“, sagte Schulze.

Viel hält der Verteidiger von den Vorwürfen gegen seine Mandantin jedoch nicht, das hatte er im gesamten Ermittlungsverfahren immer wieder durchblicken lassen. Rechtsanwalt Georg Schulze hatte der Staatsanwaltschaft Detmold schon Befangenheit vorgeworfen, weil diese einige im Nachhinein als rechtswidrig gewertete Dursuchungsbeschlüsse durchgesetzt hatte. &bdquo;Bei drei von vier Beschwerden hat uns das Gericht zugestimmt“, sagt Schulze.

Ehemann der Anwältin steht bald ebenfalls vor Gericht Bei vier der insgesamt 39 angeklagten Tatvorwürfe gegen die Detmolder Rechtsanwältin soll es laut Landgerichtssprecher Dr. Wolfram Wormuth beim Versuch geblieben sein. In einem Fall wird der Rechtsanwältin vorgeworfen, versucht zu haben, sich eine Erbschaft von einer dementen Frau in Höhe von 700.000 Euro zu sichern. Laut Anklage konnte das aber verhindert werden.

&bdquo;Das Vorhaben scheiterte vor dem Nachlassgericht, weil sich der rechtmäßige Erbe beschwert hatte“, erklärt Wormuth. Beide sollen sich allerdings außergerichtlich geeinigt haben, dennoch sei nichts an die Anwältin ausgezahlt worden. Dass sich gesetzliche Betreuerinnen und Betreuer als Erben einsetzten, sei zwar schon immer &bdquo;anrüchig gewesen“, doch erst seit Januar 2023 gesetzlich als &bdquo;nicht zulässig“ festgehalten worden.

Wann das Gericht eine Entscheidung zur Anklage trifft, bleibt abzuwarten. Da es sich nicht mehr um eine Haftsache handelt - die Anwältin hatte vergangenes Frühjahr mehrere Wochen in Untersuchungshaft gesessen , hat die Kammer zumindest keinen zeitlichen Druck.

Was fest steht: Am 8. Mai muss sich der aktuelle Ehemann der Detmolder Rechtsanwältin selbst vor dem Amtsgericht Detmold verantworten . Ihn hatte die Staatsanwaltschaft bereits Ende des Jahres ebenfalls wegen Betrugs angeklagt. Der angeklagte Ehemann soll Pflegeleistungen von mehreren Tausend Euro zu Lasten einer Pflegekasse kassiert haben, die er aus Sicht der Ermittler gar nicht erbracht hatte. Es geht um zwei Fälle, die eine betreute Person betreffen. Als deren gesetzliche Betreuerin war die im Fokus stehende Detmolder Rechtsanwältin eingesetzt.

Transparenzhinweis: Der Text ist noch mal um die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Detmold ergänzt worden.

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