Anwältin vor Gericht: Staatsanwaltschaft fordert sechseinhalb Jahre Haft und Berufsverbot

Detmold. Nach zehn Monaten findet das Mammutverfahren gegen eine Detmolder Rechtsanwältin tatsächlich vorerst ein Ende. Die Große Wirtschaftsstrafkammer unter der Vorsitzenden Richterin Katharina Schikowski hat am Freitagvormittag die Beweisaufnahme geschlossen. Anschließend sind die Plädoyers gehalten worden.

Die Staatsanwaltschaft Detmold fordert in ihrem Antrag eine mehrjährige Haftstrafe samt Berufsverbot. Die Verteidigung will dagegen einen Freispruch erwirken. Ein Urteil wird die Kammer gegen 14.30 Uhr - wahrscheinlich vor voll besetztem Zuschauerraum - verkünden. Denn das Interesse ist auch nach 29 Verhandlungstagen enorm.

Rund anderthalb Stunden brauchen die Vertreter der Staatsanwaltschaft am Vormittag, um die einzelnen Tatkomplexe in ihren Plädoyers aufzudröseln. Am Ende beantragt Oberstaatsanwalt Christopher Imig wegen gewerbsmäßiger Untreue und Betrugs in insgesamt 30 Fällen sechseinhalb Jahre Haft.

&bdquo;Schamlos und schäbiges Nachtatverhalten“ Nur in einem angeklagten Fall hält auch die Staatsanwaltschaft einen Freispruch für angemessen. Bei einer mutmaßlich nicht erbrachten Verhinderungspflege für einen Betreuten soll die angeklagte Juristin selbst von ihrer ehemaligen Mitarbeiterin getäuscht worden sein. Die 32-Jährige saß erst mit ihrer Ex-Chefin auf der Anklagebank, wurde vor Kurzem selbst verurteilt. Dem besagten Antrag nach sollte ihre Nichte vertretungsweise einen der betreuten Senioren besucht haben. Dies sei aber nie passiert, sagen die Ermittler.

Den Großteil der Schuld in dem eigentlichen Mammutverfahren sehen Oberstaatsanwalt Christopher Imig und Staatsanwalt Moritz Lange allerdings nach einer intensiven Beweisaufnahme als erwiesen an. Die Angeklagte soll daher aus ihrer Sicht rund 34.927 Euro Wertersatz zurückzahlen. Darüber hinaus sprechen sich die Vertreter der Staatsanwaltschaft für ein lebenslanges Berufsverbot für die von der Angeklagten vorrangig ausgeübte Funktion als Betreuerin aus. Den Beruf der Rechtsanwältin soll die 59-jährige Detmolderin fünf weitere Jahre nicht mehr ausüben dürfen, so stellt es sich die Staatsanwaltschaft vor.

&bdquo;Sie ist bei den Taten nicht nur als Betreuerin, sondern auch als Anwältin aufgetreten“, sagt Imig dazu zum Schluss. &bdquo;Als Anwältin ist es Ihre Pflicht, die Interessen ihrer Klienten zu wahren. Die beiden Berufe stehen hier in einem unauflösbaren Zusammenhang.“ Der Oberstaatsanwalt spricht in seinem Plädoyer eingangs von einem &bdquo;denkwürdigen und außergewöhnlichen Verfahren“, bei dem es wohl letztendlich nur die Spitze des Eisbergs in die Anklage geschafft hatte.

&bdquo;Sie hat sich perfide und bewusst ihre Opfer ausgesucht“, sagt Imig. &bdquo;Das waren vor allem alte, hilflose und kranke Menschen mit wenig Kontrolle.“ Dabei habe die Angeklagte das &bdquo;Vertrauen des Systems ausgenutzt“, in dem sie in ihrer Position als Rechtsanwältin einen Vorschuss genossen hatte. Darüber hinaus legt ihr die Staatsanwaltschaft ein &bdquo;schamloses und schäbiges Nachtatverhalten zu Last.“

Verteidigerin will einen Freispruch Verteidigerin Christina Peterhanwahr hat da eine ganz andere Sicht auf die Dinge. Die Bielefelder Rechtsanwältin kommt am Ende zu dem Schluss, dass man ihrer Mandantin kein strafrelevantes Verhalten nachweisen könne. Daher beantragt sie einen Freispruch, Haftentschädigung und will die Kosten des Verfahrens der Landeskasse auferlegen. &bdquo;Sie ist manchen Menschen vielleicht nicht sympathisch oder hat Verhaltensweisen, die komisch sind“, führt Peterhanwahr aus. &bdquo;Aber all das hat keine strafbare Relevanz.“

Aus Sicht der Verteidigung hätte die Staatsanwaltschaft in ihren Abschlussstatements Behauptungen in den Raum gestellt, die sich in der Beweisaufnahme anders dargestellt hätten. Unter anderem untermauert Peterhanwahr, dass ihre Mandantin mit dem Verkauf einer im Fokus stehenden Eigentumswohnung von einer betreuten Seniorin nichts zu tun gehabt habe. Kritik übt sie auch daran, dass der Fall so schnell öffentlich geworden sei und vor allem der Familie ihrer Mandantin zugesetzt hätte. &bdquo;Detmold ist nicht Berlin, hier kennt man jeden“, sagt Peterhanwahr. Und weiter: &bdquo;Für seine Mutter kann man nichts.“

Auch die Anklagevorwürfe lassen sich aus Sicht der Verteidigerin nicht halten. Den angeblich unrechtmäßigen Versuch, an das Erbe von knapp 700.000 Euro einer betreuten Frau zu kommen, habe die Angeklagte juristisch völlig korrekt über einen Erbscheinantrag eingefordert. Später habe sich die Betreuerin zudem zivilrechtlich mit einem anderen Erben geeinigt. &bdquo;Hier wurde kein Druck ausgeübt, das ist ein ganz normaler Vorgang“, sagt die Verteidigerin.

Die Staatsanwaltschaft sieht diesen und viele weitere Punkte anders. Lange und Imig gehen davon aus, dass die Anwältin den Angehörigen der verstorbenen Frau massiv unter Druck gesetzt hatte, in dem sie ihn mit einem jahrelangen Rechtsstreit durch alle Instanzen gedroht habe.

Das ihr zustehende letzte Wort hält die Angeklagte kurz. &bdquo;Ich bleibe dabei, ich sage nichts“, sagt die Angeklagte.

Die Berichterstattung über das Urteil folgt.

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