Von Beleidigung bis Drohung: Auch lippische Politiker werden offen angefeindet

Kreis Lippe. Immer wieder sind in den vergangenen Wochen Wahlkampfhelfer und Politiker angegriffen worden. Zudem werden immer wieder Wahlplakate beschädigt oder beschmiert, auch in Lippe . Wie ist die Stimmung bei den Kommunalpolitikern? Gibt es auch hier an Ständen, auf der Straße verbale oder körperliche Angriffe? Die LZ hat mit einigen Vertretern gesprochen.

Steven Grimshaw, Stadtverbandsvorsitzender der Lemgoer CDU, hat das Gefühl, dass gerade bei den Europawahlen die Themen polarisierten, sich Lager bildeten. &bdquo;Der eine oder andere ist schon gereizt“, sagt er und hat ein Beispiel: &bdquo;An einem Samstag hatten wir den Stand noch nicht ganz aufgebaut, da giftete eine Bürgerin: ,Wie können Sie es wagen, die AfD als rassistisch zu bezeichnen? Schämen Sie sich!’“ Da könne man nur ruhig bleiben und versuchen, abzuwiegeln.

&bdquo;Ich glaube, dass vieles, was auf Bundesebene stattfindet, sich auch auf das Lokale niederschlägt.“ So könnten etwa Äußerungen von CDU-Parteichef Friedrich Merz, die Menschen nicht teilen, diese ermutigen, den Christdemokraten vor Ort ihre Meinung zu sagen. &bdquo;Aber wir sind immer für Gesprächen bereit“, betont Grimshaw.

&bdquo;Laut werden bringt nichts“ Körperliche Attacken oder Bedrohungen habe er noch nicht erlebt, die meisten Bürger seien höflich, &bdquo;manche giften einen aber auch deutlich an“. Er versuche, auch dann höflich und ruhig zu bleiben. &bdquo;Und wir machen trotzdem weiter.“

Von ähnlichen Erlebnissen weiß auch Julien Thiede, Stadtverbandsvorsitzender der Lemgoer SPD, zu berichten. &bdquo;Wir wurden durchaus schon Volksverhetzer genannt“, zur Europawahl sei es im Vergleich zu anderen Wahlkämpfen bislang eher ruhig. Gewalt angedroht werde eher &bdquo;im Vorbeigehen“, &bdquo;dass Leute am Stand stehen bleiben und aggressiv werden, kommt nicht vor“.

Dort fänden sich hingegen Menschen ein, die krude diskutieren, wie er sagt, das Grundgesetz oder seine Gültigkeit anzweifelten. Und das komme schon regelmäßig vor. &bdquo;Doch die sind eher ruhig und wollen diskutieren.“ Da müsse man dann nett und ruhig bleiben und versuchen, das Gespräch zu beenden. &bdquo;Laut werden bringt sowieso nichts.“

Interessierte Bevölkerung &bdquo;Bisher haben wir in Lemgo einen weitgehend guten, aufgeschlossenen Umgang“, erklärt Dr. Burkhard Pohl, Grüne Lemgo und Mitglied des lippischen Kreistags. Das sei auch in den vergangenen Jahren so gewesen. Die Bevölkerung sei interessiert, Beleidigungen seien selten, die gebe es aber eben auch, etwa dass Leute die Bürotür aufmachen und sagen &bdquo;euch müsste man vergasen“ oder dass einem auf der Straße &bdquo;Verbrecher“ nachgerufen werde.

&bdquo;Bei den üblen Fällen sind es in der Regel Männer, die ihre Wut nicht gut kontrollieren und ausfallend, übergriffig werden“, weiß Pohl aus Erfahrungen der Parteikolleginnen und Kollegen. &bdquo;Männer, die sich nicht mit Argumenten aufhalten, sondern sich von ihrem Bauchgefühl lenken lassen und glauben, sie hätten das Recht auf ihrer Seite und brauchen sich nicht um Anstand und Respekt zu kümmern.“

Die Geschäftsstelle sei samstags doppelt besetzt, zum einen aus Sicherheitsgründen, aber auch, um für Gespräche mit den Bürgern bereitstehen zu können. &bdquo;Lemgo ist politisch noch ein angenehmes Pflaster, der rechte Rand hat zumindest öffentlich wenig Zulauf, die Zivilgesellschaft steht zusammen“, betont Pohl.

Neue &bdquo;Normalität“? Beleidigungen, Anschuldigungen - so etwas haben auch Vertreter der FDP bereits in Fußgängerzonen erlebt, weiß Kreisgeschäftsführer Torben Hundsdörfer. Einen Fall körperlicher Gewalt habe es noch nicht gegeben, gefühlt sei die Stimmung aber krasser, die Parolen härter: &bdquo;Da fällt dann mal etwas wie ,Kriegstreiber’.“

Und es sei egal, ob die Ehrenamtlichen am Wahlkampfstand männlich oder weiblich sind oder welches Alter sie haben - im Grunde werde jeder verbal angegangen. &bdquo;Das ist in diesem Wahlkampf scheinbar eine neue ,Normalität’.“ Und es komme in allen Kommunen vor. Allerdings: &bdquo;Da, wo man sich kennt, ist es gefühlt weniger.“

Stimmung gereizter &bdquo;Das Portfolio reicht von Diffamierung, Ausgrenzung, Androhung von Schlägen bis hin zu Morddrohungen“, weiß AfD-Kreissprecher Uwe Detert. Im Europawahlkampf habe die Qualität deutlich zugelegt, bei jeder Veranstaltung würden die Freiwilligen angegangen. &bdquo;Sicherlich ist die Stimmung in der Bevölkerung gereizter als in den vorherigen Jahren, was aber auch die Gesamtsituation in der BRD widerspiegelt“, sagt er. Dass seine Partei immer wieder angegangen werde, liege sicherlich auch &bdquo;an der mehr als kritischen Auseinandersetzung mit uns als Opposition“.

&bdquo;Wir werden immer wieder als SED-Nachfolger oder Stasi-Partei beschimpft“, erklärt Linken-Sprecher Matthias Uphoff. Doch damit könnten die Mitglieder ganz gut umgehen. Gewalt hätten sie bislang keine erlebt, noch sei niemand persönlich am Wahlstand angegangen worden.

Plakate der &bdquo;Partei“ werfen Fragen auf Auch &bdquo;Die Partei“ mischt bei der Europawahl mit und hat entsprechend Wahlplakate aufgehängt. Zum Beispiel mit der Aufschrift &bdquo;Nazis töten.“, die manch einen LZ-Leser verwundern.

&bdquo;Die Plakate sind schon ein paar Jahre alt und weisen - mit Punkt, nicht mit Ausrufezeichen! - darauf hin, dass Nazis in Deutschland Menschen töten“, erklärt Parteivorsitzender Martin Sonneborn. Und er erklärt noch ein weiteres Plakat: Die Aufschrift &bdquo;Hier könnte ein Nazi hängen“ sei eine Reaktion auf Plakate der &bdquo;Rechten“ gewesen.

Auf Nachfrage antwortet der Staatsschutz in Bielefeld, dass zu der Aussage &bdquo;Nazis töten.“ der Partei bereits mehrere gerichtliche Entscheidungen vorliegen. Demnach handele es sich bei derartigen Plakaten nicht um eine Straftat wie etwa bei einer öffentlichen Aufforderung zu einer Straftat. &bdquo;Die provozierenden Aussagen sind in den meisten Fällen als Meinungsäußerung durch das Grundgesetz geschützt.“

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