Urteil nach Tötungsdelikt in Lage rückt näher: Was am Tatort geschah, bleibt rätselhaft

Detmold/ Lage. &bdquo;Ey, Polizei sucht euch, versteckt euch, schmeißt eure Handys weg.“ Mit diesem Satz soll ein 18-Jähriger die beiden wegen Totschlags und versuchten Mordes angeklagten 19-Jährigen aus Lage kurz vor ihrer Festnahme gewarnt haben. Die Chatnachricht getippt zu haben, daran kann sich der junge Mann in der Sporthose allerdings nicht erinnern. Überhaupt weist sein Gedächtnis einige Lücken auf. &bdquo;Ich weiß nicht - das ist Ihre Standardantwort auf alles“, stellt die Vorsitzende Richterin Anke Grudda daher nüchtern fest.

Überrascht scheint die Richterin davon nicht zu sein, eher passt die widerwillige Aussage des 18-Jährigen zum Verfahren. Der Zeuge kommt nicht einmal freiwillig, die Polizei muss ihn abholen. Dass die &bdquo;Jungs aus Lage“ ihre beiden Kumpels auf der Anklagebank überwiegend beschützen wollen, ist nicht neu. Zum achten Verhandlungstermin will die Große Jugendkammer die Beweisaufnahme nun abschließen. Was wirklich in der Wohnung des 40-jährigen Getöteten im Iltisweg passiert ist, bleibt bis zum Schluss verborgen.

Opfer bietet Jugendlichen Partydomizil Mehrere Zeugen hört sich die Kammer am Dienstag noch an, um das Bild zu vervollständigen. Ein Bekannter aus dem Täter-Opfer-Umfeld legt den Fokus noch mal kurz auf den Geschädigten. &bdquo;Er war ein herzensguter Mensch“, sagt der Lagenser. &bdquo;Er hatte in seiner eigenen Wohnung nur nicht wirklich etwas zu sagen.“ Dass der alkoholabhängige, geschiedene Vater zweier Kinder der jugendlichen Clique in seiner Wohnung in Lage ein Partydomizil bot, scheint ihm im November 2023 zum Verhängnis geworden zu sein.

Schon zum Prozessauftakt hatte der ein paar Monate ältere Angeklagte gestanden, den 40-Jährigen geschubst und dabei versehentlich getötet zu haben. Später soll der 19-Jährige eigenen Angaben nach mit seinem mitangeklagten Kumpel zurückgekehrt sein, um die Wohnung in Brand zu setzen und die Tat zu vertuschen. Sein Verteidiger Dr. Detlev Binder ergänzt an Tag 8 noch, sein Mandant habe den Spiritus allein in der Wohnung verteilt und angezündet. Der Kumpel hätte nur daneben gestanden.

Der Einlassung nach könnte aus Sicht der Kammer daher gegen den mitangeklagten ebenfalls 19-Jährigen wegen der Brandstiftung auch eine Verurteilung wegen Beihilfe in Betracht kommen. Dazu erteilt die Vorsitzende den entsprechenden rechtlichen Hinweis. Genauso könne es sich bei dem Geschehen in der Wohnung um vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge handeln. Das Gericht hat noch bis Donnerstag Zeit, sich dazu näher Gedanken zu machen. Erst dann sollen die Plädoyers gehalten werden und ein Urteil fallen.

Angeklagter schreibt emotionalen Brief an Richter Fest steht, beide Angeklagten scheinen schon vor der Tat am Iltisweg auf die falsche Bahn geraten zu sein. Der etwas ältere war gerade erst wenige Monate aus dem Gefängnis raus, dreieinhalb Jahre hatte er wegen verschiedener Delikte abgesessen. Die Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe sagt vor Gericht, der Junge sei den Eltern nach und nach entglitten. Ein aktueller Führungsbericht der JVA fällt dagegen ambivalent aus. Einmal soll der 19-Jährige einen Mitgefangenen misshandelt haben, trägt die Richterin vor, daneben bescheinigt ihm die JVA aber auch freundliches und respektvolles Verhalten.

Sein jüngerer Kumpel weigert sich laut Führungsbericht dagegen seit einigen Monaten, die Schulbank im Gefängnis zu drücken und fällt durch unangebrachtes Verhalten aus. Der frisch 19-Jährige hat erst seit Kurzem einen Eintrag im Strafregister: Im Mai verurteilte ihn das Landgericht Detmold - während der U-Haft - wegen einer Diebstahlsserie und gefährlicher Körperverletzung zu einem Jahr und vier Monaten Haft auf Bewährung. Trotz mehrfacher Festnahmen hatte der Schulabbrecher es nicht geschafft, straffrei zu bleiben. Den emotionalen Brief, den der junge Mann an den Jugendrichter geschrieben haben soll, lächelt er im Gerichtssaal einfach weg.

Dass die beiden Angeklagten zur Tatzeit Drogen - vor allem Kokain - genommen haben, soll sich zudem nicht auf ihre Steuerungsfähigkeit ausgewirkt haben. Im Gegenteil, sagt der psychiatrische Gutachter Dr. Michael Hintersdorf. &bdquo;Kokain macht in der Regel leistungsstärker.“ Zudem sei die vorgeworfene Tat zu durchdacht und reflektiert gewesen. Selbst auf dem gedrehten Video habe der Psychiater keine eindeutigen Hinweise auf Drogenmissbrauch gesehen. Auf der kurzen Sequenz hatten die beiden Angeklagten die Rauchwolken unweit des Tatorts gefilmt. Der ältere sagt darauf in die Kamera: &bdquo;Wir sind die Mörder.“ Der andere grinst.

Am Donnerstag, 15 August, soll ein Urteil fallen.

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