Kreis Lippe. „Die Erhöhung der Abschiebequote trifft nicht islamistische Gefährder, die bewusst unauffällig leben.“ Dieses Fazit ziehen Sebastian Rose und Sascha Schießl, Autoren des Buches „Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen. Ausgrenzung. Entrechtung. Widerstände". Auf Einladung der Flüchtlingshilfe Lippe und der Lippischen Landeskirche haben sie das im Mai diesen Jahres erschienene Buch in Detmold vorgestellt.
Während in der politischen Diskussion oft suggeriert werde, es würden vorwiegend „Straftäter“ oder „Gefährder“ abgeschoben, treffen Abschiebungen vor allem Menschen in Arbeit und Ausbildung, Pflegekräfte, Familien mit Kindern, Angehörige von Minderheiten, Menschen mit psychischen oder körperlichen Erkrankungen, Schwangere und Rentner, so die Autoren. Abgeschoben würden auch Menschen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind.
„Im Jahr 2023 wurden bundesweit 16.430 Personen abgeschoben. Rund 15 Prozent waren Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren und 3663 Menschen kamen aus NRW“, schreibt die Lippische Landeskirche in einer Pressemitteilung.
Die immer gleichen Argumente
Der Anschlag von Solingen habe die Debatte über Migrationspolitik und Abschiebungen befeuert, sagt Sascha Schießl. „Reflexartig werden populistische Forderungen nach mehr Abschiebungen laut, die vom rechten Diskurs bestimmt werden und bis in die 70er-Jahre mit den immer gleichen Argumenten zurückreichen.“ Die Forderung, alle Schutzsuchenden aus bestimmten Ländern auszuschließen, sei weder verfassungskonform noch mit europäischem Recht zu vereinbaren.
Auf 234 Seiten benennen die Autoren die behördlichen Akteure, beleuchten, wie und wer in NRW abgeschoben wird und bringen mit Informationen und Fakten Licht ins Dunkel der Abschiebepraxis, schreibt die Landeskirche. In den vergangenen Jahren sei ein breiter Behördenapparat aus Zentralen Ausländerbehörden und Regionalen Rückkehrkoordinationsstellen entstanden, für die das Land NRW viel Geld ausgebe. Das Buch zeige, dass der politisch gewollte hohe Abschiebedruck und Gesetzesverschärfungen zu teils rechtswidrigen Abschiebungen führen würden.
„Das Buch stellt die Menschen mit ihren individuellen Geschichten in den Mittelpunkt“, sagt Rose. Unter anderem dokumentiere es rund 110 Fälle von drohenden, versuchten und vollzogenen Abschiebungen, die ein System offenbarten, das Menschen über Jahre in Angst halte sowie immer wieder mit Willkür und Gewalt arbeite und geltendes Recht übertrete.
Publikation ist frei verfügbar
Herausgeber des Buches sind das Abschiebungsreporting NRW und das Komitee für Grundrechte und Demokratie. Abschiebungsreporting NRW wird mit Mitteln der Evangelischen Landeskirchen in NRW sowie der Diakonie RWL gefördert und ist beim Komitee für Grundrechte und Demokratie angesiedelt.
Die Publikation ist frei als PDF zugänglich unter www.abschiebungsreporting.de.