Zukunft im Blick: Lemgoer Professor über Herausforderungen von Klima und Energiewende

Lemgo. &bdquo;Jeder kann Physik“, ist Physik-Professor Dr. Johannes Üpping von der TH OWL überzeugt und lacht herzlich - auch wenn es nicht jedem bewusst sei. Sein Anliegen - außer seine Studenten fit zu machen zum Beispiel im Bereich elektrische Energietechnik oder regenerative Energien - sei, auch anderen zu zeigen, was man mit Hilfe der Physik alles leisten kann. Ein Ansatz: eine Vorlesungsreihe für jedermann zum Thema &bdquo;Von der Nachhaltigkeit zur Energiewende: Physik und Klimawandel verstehen“.

Herr Dr. Üpping, einige Menschen denken mit Schrecken an ihren eigenen Physikunterricht in der Schule zurück, es fallen Worte wie &bdquo;langweilig“ und &bdquo;verstaubt“. Was entgegnen Sie?

Dr. Johannes Üpping (lacht): Dass ich ihnen zeige, warum Physik so toll ist!

Warum ist sie das denn?

Dr. Johannes Üpping: Wenn wir verstehen wollen, wie Dinge funktionieren, müssen wir auf die Naturwissenschaften zurückgreifen, also auch die Physik. Bevor man sich damit beschäftigt, hat man keine Ahnung, wie etwas geht. Nachher kann man sogar Dinge vorhersagen.

Wie das Klima.

Dr. Johannes Üpping: Zum Beispiel. Wenn ich frage, wann es wärmer ist, im Sommer oder im Winter, kann jeder vorhersagen, dass es in diesem Jahr und auch im Jahr 2028 oder 2038 im Sommer hier wärmer sein wird als im Winter. Weil die Sonne in einem steileren Winkel am Himmel steht und unser Land dadurch mehr Energie von der Sonne bezieht.

Der erste Schritt ist, dass System und die Einflüsse zu verstehen. Und damit lässt sich dann in die Zukunft rechnen. Auch wenn das alles ziemlich komplex ist und man vieles beachten muss - das Land, die Atmosphäre, Ozeane, Erde, Sonne. Aber es gibt Gesetzmäßigkeiten, die die Wärmeausbreitung, die Luftbewegungen, die Wolkenbildung und die Erddrehung beschreiben. Damit lässt sich ein Modell entwickeln, das das Klima der Erde beschreibt. Dazu kommen unvorhersehbare Dinge sowie Entwicklungen, die man selbst in der Hand hat.

Das war jetzt etwas schnell ...

Dr. Johannes Üpping (lacht): Also, zum Beispiel hat ein Vulkanausbruch Einfluss aufs Klima; wenn er groß genug ist, sogar überall auf der Erde. Der ist aber nicht vorhersehbar auf lange Sicht. Deshalb kann man solche Sachen nicht miteinberechnen.

Etwas anderes sind die Entwicklungen der Klimagase wie CO2. Wie viel davon aus fossilen Quellen ausgestoßen wird, haben wir selbst in der Hand. Und je nachdem, ob man annimmt, dass CO2 gespart wird, der Ausstoß gleich bleibt oder sich verschlechtert, kommt man zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Und je länger der Zeitraum der Vorhersage, desto ungenauer wird sie natürlich.

Wie kann man den CO2-Ausstoß denn vorhersagen?

Dr. Johannes Üpping: Man greift dabei auf das zurück, was Staaten ankündigen. Und wie gut sie sich bisher an solche Zusagen gehalten haben.

In der Terminübersicht bin ich über die &bdquo;Kipppunkte“ gestolpert. Was hat es damit auf sich?

Dr. Johannes Üpping: Schauen wir uns den Permafrostboden an, sind darin organische Reste, die nicht zersetzt wurden. Taut der Frost auf, fangen diese an, sich zu zersetzen, und Methan wird frei. Dieses Methan verstärkt aber auch die Erwärmung. Ein &bdquo;Teufelskreis“ entsteht. Wenn es wieder kälter werden würde, friert der Boden zwar wieder, das Methan aber bleibt in der Atmosphäre. Der Kipppunkt ist da, wo es durch so eine Rückkopplung einen sich selbst verstärkenden Effekt gibt und das Auftauen des Bodens nicht mehr gestoppt werden kann.

Sie sprechen auch über Mobilität, Energiewende und Heizsysteme. Jetzt könnte man boshaft sagen, egal was wir machen, viele andere Länder machen es doch nicht.

Dr. Johannes Üpping: Klar kann man sagen, wir sind doch nur für zwei Prozent der Emissionen verantwortlich. Aber jede neue Technologie ist anfangs teuer, das sieht man jetzt ja auch bei den Photovoltaik-Anlagen, die mittlerweile sehr, sehr günstig sind. Wenn die entwickelnden Länder die Entwicklungs- und Skalierungskosten tragen, können andere, ärmere Länder nachziehen, weil es günstiger wird. Und dann ist allen geholfen.

Aber auch die erneuerbaren Energieträger brauchen Rohstoffe - Stichwort seltene Erden.

Dr. Johannes Üpping: Jeder Technologie hat ihren Impact. Und ja, da werden auch seltene Erden benötigt. Aber die Forschung geht weiter, es wird irgendwann Batterien und Motoren ohne, oder nur mit einem sehr geringen Einsatz von seltenen Erden geben. Und: Werden Batterien mit seltenen Erden recycelt, kann man diese wiederverwenden. Das würde uns so viel weniger abhängig machen. Denn Fakt ist ja: Es gibt mehr Länder mit viel Sonne als mit Öl.

Die Technologie für solche Recyclingsysteme gibt es - es wurden nur noch nicht genügend solcher Batterien gebaut, damit es sich lohnt. Ein Henne-Ei-Problem ...

Sie fangen aber auch bei den Grundlagen an, oder?

Dr. Johannes Üpping: Ja klar. Viele kennen ja schon den Unterschied zwischen Kilowatt und Kilowattstunde nicht. Kilowattstunde beschreibt die Energiemenge, also wie viel zum Beispiel in einem Tank drin ist. Kilowatt hingegen die Leistung, also wie schnell der Tank geleert ist.

Wenn ich jemanden frage, wie viel Kilowattstunden Strom er im Jahr verbraucht, wird er mir das ungefähr sagen können. Auch wie viel Benzin sein Auto verbraucht. Aber wenn ich frage, wie viele Kilowattstunden in den Autotank passen, weiß das kaum jemand. Dabei kann man das ohne Probleme in Relation setzen.

Und wie?

Dr. Johannes Üpping: Nun ja, wenn das Auto 40 Liter Benzin tankt, sind das ungefähr 400 Kilowattstunden. Bedenkt man, dass ein Erwachsener durchschnittlich etwa 2400 Kilowattstunden im Jahr an Strom verbraucht, wäre das ein Äquivalent von 240 Litern Benzin im Jahr. Das habe ich früher in sechs Wochen verfahren.

Eins ist wichtig: Niemand soll zu irgendwas überredet werden, aber wir müssen drüber sprechen und diskutieren.

Persönlich Prof. Dr. rer. nat. Johannes Üpping ist 42 Jahre alt, verheiratet, kommt aus Nieheim und lebt in Steinheim. An der Universität Paderborn hat er Physik studiert und an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg promoviert. Das Thema seiner Dissertation: 3D-Photonische Kristalle für Photovoltaische Anwendungen.

Üpping, tätig am Institut für Energieforschung der TH OWL, wurde Ende 2015 zu der Professur &bdquo;Elektrische Energietechnik“ berufen und ist seither in Lemgo tätig. Er forscht zum Energiemanagement und elektrischen Speichertechnologien.

In seiner Freizeit heimwerkt und baut er gerne in und an seinem alten Hof und im Garten. Sportlich taucht er gerne ab, allerdings Apnoe, also nur mit der Luft, die in einen Atemzug passt.

Veranstaltungsthemen Die nächste Veranstaltung der Reihe &bdquo;Von der Nachhaltigkeit zur Energiewende: Physik und Klimawandel verstehen“ beginnt am Donnerstag, 10. April, um 17.30 Uhr im Audimax der TH OWL. Dann wird es um Wetter und Klima gehen, den Aufbau der Atmosphäre und welche Rolle Druck, Wind, Wolken und Temperaturen im Klimageschehen spielen. Weitere Themen sind die Erdsysteme und ihren Verbindungen (17. April), Klimamodelle und Simulationen (24. April), erneuerbare Energien (8. Mai), Mobilität (15. Mai), Heizsysteme (22. Mai), Energiewende (5. Juni), komplexe Systeme und Kipppunkte (12. Juni) sowie die Folgen einer erhöhten Temperatur (10. Juli). Weitere Infos auf https://www.th-owl.de/events/detail/detail/von-nachhaltigkeit-zur-energiewende-physik-und-klimawandel-verstehen-oeffentliche-vorlesungsreihe-1/ .

An den Vorlesungen kann jeder teilnehmen, es sind keine Vorkenntnisse in Mathematik oder Physik erforderlich - &bdquo;lediglich Neugierde und Interesse an den drängenden Fragen unserer Zeit“, betont die TH OWL in der Ankündigung. Jede Vorlesung kann unabhängig von den anderen besucht werden, füge sich jedoch in eine thematische Gesamtreihe ein.

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