Kreis Lippe. In den vergangenen Wochen haben wir die Ergebnisse des Lippe-Checks für die 16 Städte und Gemeinden im Kreis vorgestellt. An der vorangegangenen Online-Umfrage von LZ und dem Oldenburger Meinungsforschungsinstitut „Co-Mind“ hatten mehr als 10.000 Menschen teilgenommen. Viele hatten in Kommentaren weitere Meinungen zu ihrer Kommune geäußert. Zum Abschluss unserer Serie, in der wir die Ergebnisse für die einzelnen Kommunen vorgestellt haben, kommt die subjektive Sicht von LZ-Redakteuren auf sechs größere Städte in Lippe – und ihre Einschätzung, wo es hakt und wo es gut läuft. Detmold Wer sich überlegt, was in Detmold aktuell gut läuft und wo es womöglich Verbesserungspotenzial gibt, der dürfte schnell gemischte Gefühle entwickeln. Eine Gesamtnote von 6,42 beim Lippe-Check macht das deutlich. Das Ergebnis ist solide – aber es spiegelt auch wider, dass manches im Argen liegt, was den Alltag in der Residenzstadt betrifft. Dabei steht außer Frage: Detmold ist lebenswert. Die Stadt hat mit dem bald wieder hergestellten Schlosspark, dem Landestheater, der Musikhochschule und dem Freilichtmuseum kulturelle Pfunde, mit denen nicht viele Mittelstädte wuchern können. Auch das Stadtbild mit seinen vielen historischen Fassaden und der Natur drumherum trägt zur hohen Lebensqualität bei. Was zunehmend frustriert, ist die Verkehrssituation. Baustellen ohne Ende, Tempo-30-Zonen, die sich willkürlich anfühlen – all das macht den Alltag unnötig schwer. Wer auf dem Land wohnt oder spät von einer Veranstaltung heim will, ist auf das Auto angewiesen, mit Parkplatzsuche inklusive. Dass Detmold hier auf einem der letzten Plätze landet, überrascht nicht. Auch beim Wohnen muss die Stadt nachlegen. Zwar gibt es lobenswerte Ansätze wie das Genossenschaftsmodell oder viele andere kleine Projekte. Doch der Bedarf wächst schneller als das Angebot. Gerade junge Menschen oder Familien mit mittlerem Einkommen haben es schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Eine Herausforderung, mit der Detmold nicht alleine dasteht. Detmold hat viel zu bieten – aber es darf sich darauf nicht ausruhen. Die Stärken sind da, doch wenn die Stadt weiter attraktiv bleiben und noch wachsen will, muss sie bei Infrastruktur, Verkehr und Wohnen nachziehen. Ein Kritikpunkt, der von den Bürgern immer wieder kommt, ist der vom Stückwerk. Bei den Baustellen. Beim Verkehr. Bei großen Vorhaben. So zumindest der Eindruck bei den meisten Bürgern. Hier braucht es einen besseren Austausch mit der Bevölkerung. Oder Entschleunigung? Lieber einige Projekt abschließen, bevor die nächsten angegangen werden - das würde zumindest aus Sicht einiger schon für Entlastung sorgen, zum Beispiel auf den Straßen. Doch dass dies nicht immer so einfach geht, hat Bürgermeister Frank Hilker erklärt, als er von der LZ mit dem Lippe-Check-Ergebnis konfrontiert wurde. Raphael Bartling Bad Salzuflen Bad Salzuflen ist mit rund 56.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt im Kreisgebiet, und seit 1992 berichte ich aus Ihr, wenn auch mit Unterbrechungen. Früher hatte die Kurstadt zwar mehr Kurgäste, aber heute ist sie deutlich schöner. Die „neue“ Innenstadt, der neu gestaltete Kurpark, die sanierte Wandelhalle, die ebenfalls runderneuerte Konzerthalle (immer noch ein Klangwunder) und so weiter. Demgegenüber steht aber beispielsweise der zweitgrößte Ortsteil, Schötmar. Dass hier Nachholbedarf besteht, haben die Stadtväter erkannt. Allerdings nimmt der vor Jahren aufgestellte Masterplan für den Ortsteil nur langsam Fahrt auf. Hier bleibt noch viel zu tun. Voran geht es nach Jahrzehnten des Stillstands aber in Sachen Unternehmensstandorte. Das neue Gewerbegebiet in Lockhausen steht in den Startlöchern, die Linksabbiegespur auf der Leopoldshöher Straße existiert bereits. Die Bewertungen der 1354 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Lippe-Checks, die sich mit Bad Salzuflen auseinandersetzen, decken sich sehr gut mit meinen Erfahrungen: Lebensqualität, Kultur und Gastronomie top – Wohnungsangebot und Verkehrssituation eher nicht. Stichwort Verkehr: Die B239, die A2, die Ostwestfalenstraße und viele stark befahrene Landstraßen wie zum Beispiel die Beetstraße erzeugen Lärm und sind in Teilen stauanfällig. Dazu sind nicht wenige Routen nach wie vor Buckelpisten – beispielsweise die Lemgoer Straße. Immerhin ist der Belag der Ostwestfalenstraße jüngst erneuert worden. Ganz wichtig ist, dass sich die Stadt mit der Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft des Mietwohnungs- und Immobilienmarkts annimmt. Allerdings: Bis die Gesellschaft richtig mit neuem, bezahlbaren Wohnraum an den Start kommt, wird es noch dauern. Ein Stück weit helfen würde sicher, wenn das sogenannte Britenviertel mit Dutzenden Gebraucht-Immobilien auf den Markt kommen würde. Doch diese werden nach wie vor für die Unterbringung von Flüchtlingen benötigt. Thomas Reineke Lemgo Lemgo ist eine Stadt, in der die meisten Bürger gerne leben. Das Wir-Gefühl ist groß und wer denn hinaus muss in die weite Welt, für den ist klar: „Spätestens zu Kläschen bin ich wieder da.“ Freizeit, Gastro, Vereine - die Lemgoer wissen das Angebot zu schätzen. Sie kommen gerne zusammen, und die Zahl derer, die sich ehrenamtlich engagieren, ist beeindruckend hoch. Und die Verwaltung macht da offenbar vieles richtig: Sie nimmt die Bürger mit, bindet sie aktiv ein mit Online-Umfragen zur Mobilität, bei den Treffen in den Dörfern oder mit Workshops für die weitere Gestaltung der Innenstadt. Viel Sonne, doch es gibt natürlich auch die Lemgoer Schattenseiten: Wer morgens oder nachmittags regelmäßig im Stau auf Gosebrede oder Richard-Wagner-Straße steht, der weiß, warum man die Stadt auch gründlich leid sein kann. Nicht umsonst liegt Lemgo hier im Lippe-Check-Ranking auf dem letzten Platz. Für viele gilt die Nordumgehung als Zauberlösung, doch wann die endlich kommt? Über genauere Informationen schweigen sich „Straßen.NRW“ und Bezirksregierung beharrlich aus. Und natürlich sind da auch die anderen Problemfelder: Es fehlen Ärzte, der Leerstand in der Innenstadt nimmt zu, und Bauen ist für Familien in Lemgo fast unmöglich. Doch es geht zaghaft voran: In den Neubaugebieten am Pöstenweg und im Lehnsland wird es einen Bonus für Familien geben (die Vermarktung am Pöstenweg soll übrigens in Kürze beginnen, im Lehnsland im Herbst folgen), größere Baugebiete dürfen nur mit Pflichtteil für sozialen Wohnungsbau vergeben werden, für die medizinische Versorgung will die Stadt kommunale Medizinische Versorgungszentren mit Lage und Bad Salzuflen gründen und den Einzelhandel mit gezielten Maßnahmen fördern. Gut so. Doch wollen die Stadtoberen das positive Lemgo-Gefühl der Bürger erhalten, müssen sie noch mutiger voranschreiten. Katrin Kantelberg Lage Platz 14 von 15. Nur Augustdorf schneidet noch schlechter ab als Lage. Bei der Lebensqualität, die jeder selbstverständlich unterschiedlich definiert, landet die Zuckerstadt kreisweit sogar auf dem letzten Platz. Und die Liste mit Kritik der 980 Lagenserinnen und Lagenser, die an der Umfrage teilgenommen haben, ist lang. Die Limo ist zu oft ausgebucht, morgens und im Feierabendverkehr gibt es lange Staus, und es ist zu dreckig. Damit hat Lage zumindest ein Problem, das auch die großen Städte haben. Im Berufsverkehr gibt es kaum ein Vorankommen, und das zehrt verständlicherweise an den Nerven. Dass Lage aber im Vergleich mit anderen lippischen Kommunen gut an die Autobahn und an eine große Stadt wie Bielefeld angebunden ist, verschafft ihr durchaus Vorteile. Schlechte Noten gab es allerdings auch für die Bereiche Digitalisierung, Energie und Klima, Sauberkeit, Gesundheitsversorgung, ÖPNV und Verkehr. Ebenso für den Immobilienmarkt und die Sicherheit. Sicherlich ist es, gerade für jungen Familien, auch in Lage nicht leicht, bezahlbares Eigentum zu bekommen. Damit ist die Zuckerstadt aber kein Einzelfall. Und im Vergleich mit den ländlichen Kommunen wie Extertal oder Kalletal ist es hier sicher noch einfacher, von A nach B zu kommen. Nur 5 von 14 Kategorien belegen in Lage einen überdurchschnittlichen Rang. Besser bewertet werden Sport und Vereine, Einzelhandel, Gastronomie, Seniorenfreundlichkeit und Familienfreundlichkeit. Die Zuckerstadt hat ein sehr aktives Vereinsleben, das zeigt sich immer wieder. Gerade in den Ortsteilen setzen sich die Lagenserinnen und Lagenser ein, um ein „Wir-Gefühl“ zu schaffen und gemeinsam an der Zukunft der Stadt zu arbeiten. Die Innenstadt ist nach wie vor Treffpunkt und wird gerne zum Einkaufen genutzt. Auf der anderen Seite findet man in Lage aber auch viele landschaftlich tolle Ecken, die zum Wandern und Verweilen einladen. Lorraine Brinkmann Horn-Bad Meinberg Horn-Bad Meinberg teilt das Schicksal vieler Bindestrich-Kommunen. Die beiden Hauptortsteile der Stadt bilden – neben den 14 weiteren Eingemeindungen – deutliche Gegensätze. Einerseits das schon früh handwerklich und gewerblich geprägte Horn, das bis in die frühen 2000er Jahre mit dem Spanplattenwerk Hornitex einen großen Arbeitgeber hatte, der für die Stadt eine solide Gewerbesteuer-Quelle war. Durch das Werk kamen viele Gastarbeiter nach Horn, die inzwischen seit mehreren Generationen mit ihren Familien gut integriert dort leben. Das birgt Potenzial für eine multikulturelle Stadtgesellschaft – was bislang nicht vollständig genutzt worden ist. Der Niedergang des Hornitex-Werks vermachte dem Stadtteil eine große Industriebrache. Inzwischen begraben sind die Pläne, auf dem unansehnlichen Areal ein Sondergebiet für die Wasserstoff-Erzeugung und -Nutzung zu etablieren. Ein neues Konzept steht noch aus. Auf der anderen Seite steht Bad Meinberg als traditionsreiches lippisches Staatsbad. Nach einem Boom des Kurbetriebs erreichte es sein Zenit mit 38.000 Kurgästen im Jahr 1992. Dann führten Änderungen im Gesundheitswesen zu stark rückläufigen Kurgastzahlen, von denen sich der Stadtteil nie erholte. Die Ende der 1990er Jahre geschlossen drei Kurkliniken am Silvaticum werden inzwischen von Europas größtem Yoga-Seminarhaus nachgenutzt. Der Landesverband Lippe hat wichtige Kurgebäude an die Stadt verkauft. Der verbliebene Kurbetrieb erhielt mit der Schließung des Bad Meinberger Badehauses im Frühjahr 2022 einen weiteren Dämpfer. Die Lokalpolitik hat es nicht leicht in Horn-Bad Meinberg. In der Kommune sind an vielen Ecken große Löcher zu stopfen. Man ist mit dem Herz bei der Sache – und das überaus diskussionsfreudig. Seit den 2000er Jahren ist die Einwohnerzahl von Horn-Bad Meinberg rückläufig. Ein Hoffnungsschimmer – zumindest was die Gewerbesteuer und das Angebot von Arbeitsplätzen angeht – mag die sehr umstrittene Ansiedlung des Amazon-Logistikzentrums im Industriepark Lippe bei Belle sein. Jost Wolf Blomberg „Kleine Stadt, die alles hat“, das war in den 90er Jahren mal der Werbeslogan, den sich Blomberg auf die Fahne geschrieben hatte. Zugegeben, seither ist es, bezogen auf den örtlichen Einzelhandel in der Innenstadt, ein Stück leerer geworden, was sie eher ins Mittelfeld im lippeweiten Vergleich bringt. Mehr Läden, mehr Gastronomie wünschen sich die Menschen vor Ort. Immerhin gibt es dafür in der Altstadt so viele Friseure wie lange nicht. Doch Scherz beiseite: Noch immer ist in Blomberg fast alles zu haben, was der Mensch zum Leben braucht. Die Lebensqualität in diesem wunderbaren Städtchen bewerten die Blomberger zu Recht mit 7,08 Punkten. Zur Lebensqualität gehört auch das Gemeinschaftserlebnis, und das wissen die Blomberger offensichtlich zu schätzen: die gesunde Vereinsstruktur. Für eine Lokalredakteurin, die seit mehr als 30 Jahren über den lippischen Südosten berichtet, ist es immer wieder faszinierend, das persönliche Engagement mancher Akteure zu erleben. Und noch schöner: Es wachsen auch noch Ehrenamtliche nach, die sich fürs Gemeinwohl starkmachen. Wirklich sehr gut nachvollziehbar ist dagegen die Kritik an der ärztlichen Versorgung, denn die droht gerade noch schlechter zu werden als bisher. Die Versorgung mit dem öffentlichen Nahverkehr stößt ebenfalls auf Kritik der Blomberger. Mit 5,37 Punkten landet die Nelkenstadt auf Platz 10. Das Angebot müsse sich nicht nur verbessern, sondern auch erschwinglicher werden, lautet die Forderung. Und ein weiterer Ausbau des Radwegenetzes steht ebenfalls auf der Wunschliste, aber der ist in der Mache. Marianne Schwarzer