Detmolder Kanzlei-Mitarbeiterin vor Gericht: Neuer Verteidiger bringt Unruhe in Saal 165

Detmold. Die Szenen, die sich in Saal 165 am Dienstagvormittag abspielen, ähneln einem Déjà-vu. Nicht nur die Beweisaufnahme deckt sich mit dem Programm, das die Große Wirtschaftskammer erst vor Kurzem im Verfahren um eine Rechtsanwältin aus Detmold abgearbeitet hat, die vorrangig als gesetzliche Betreuerin tätig gewesen ist . Ihre Kanzlei-Mitarbeiterin, die zunächst mitangeklagt war und sich jetzt parallel verantworten muss, dreht genauso am Verteidiger-Karussell, wie es ihre Ex-Chefin getan hat. Das führt kurzzeitig zu finsteren Gesichtern auf der Richterbank.

Der Verhandlungstag hat kaum begonnen, da richtet das neue Gesicht im Saal, Verteidiger Hans Peter Gunkel aus Bielefeld, die erste Beschwerde an die Kammer. &bdquo;Ich habe bis heute nicht die Akte erhalten“, sagt der Fachanwalt für Bau-und Architektenrecht. &bdquo;Ich sitze hier ohne jede Information - und kenne nur die Anklageschrift.“ Mit Blick auf den Sachverhalt fühle er sich aber in der Lage, dem Prozesstag zu folgen und sogar Fragen zu stellen.

Das Verfahren torpedieren oder gar unnötig in die Länge ziehen, wolle er nicht, sagt Gunkel. &bdquo;Das ist auch nicht im Sinne der Mandantin.“ Für einen Moment wirkt es trotzdem so, als müsse der Prozesstag platzen. Der Nachfolger glaubt nicht daran, dass sein Vorgänger Bahattin Koyun sich spontan auf dem Weg machen würde, um das Mandat zu sichern, sagt er auf Nachfrage der Vorsitzenden Richterin Katharina Schikowski. Auf dem Gerichtsflur wirkt die 32-jährige Angeklagte so, als wäre sie sich nicht mal selbst sicher, ob sie ihren alten Verteidiger ganz abstoßen will - oder nicht.

Neues Gesicht bremst Ablauf Der Neue will gerne weitermachen, &bdquo;Ich möchte ein Gefühl dafür bekommen, was hier eigentlich passiert“, erklärt Gunkel. &bdquo;Der Anklagevorwurf passt einfach nicht zum Verfahren.“ Damit spielt Gunkel auf die Verfahrensdauer bei zwei Anklagevorwürfen an. Ob ihm denn klar sei, dass seine Mandantin zuvor in einem anderen Prozess als Mitangeklagte geführt worden sei, lässt die Vorsitzende einfließen. Im Sitzungssaal herrscht Eiszeit. Wieder bremst eine unvorhergesehene Hürde den Ablauf.

Verteidiger Gunkel bemängelt, die E-Akte sei seit einer Woche unterwegs zu ihm, eine andere, teils bespielte CD habe er mit dem Passwort gar nicht öffnen können. &bdquo;Das ist unglücklich gelaufen.“ Der Vorsitzenden nach hatte der Bielefelder Rechtsanwalt allerdings schon einmal Mitte April Akteneinsicht beantragt und diese auch erhalten. Weil er das Mandat nicht übernommen hatte, sagt Gunkel, habe er die E-Akte aber zurückgeschickt.

Die Kammer scheint kein Fass aufmachen zu wollen. Richterin Schikowski beendet das zähe Vorspiel, indem sie dem Verteidiger eigenhändig eine neue digitale Akte überreicht. Da hat die Kammer sich bereits beschlossen, das Beweisprogramm wie geplant durchzuführen.

Desolater Zustand oder nicht? Der Fortsetzungstermin dient dazu, herauszufinden, in welchem Zustand die dem Anklagevorwurf nach von der Angeklagten für 82.500 Euro zu günstig erworbene Wohnung wirklich gewesen ist. Entscheidend ist das, um den genauen Wert festzustellen. Ein vom Gericht eingesetzter Gutachter hatte das Objekt - ohne Vorher-Fotos - auf 130.000 Euro geschätzt. Die 32-Jährige hatte die Wohnung von einer durch die angeklagte Anwältin betreuten Seniorin gekauft. Ihre Chefin soll bei dem Deal geholfen haben.

Neun Zeuginnen und Zeugen sagen daher aus. Ein Verwandter der Angeklagten berichtet, die ganze Familie habe geholfen, die Wohnung zu sanieren. &bdquo;Der Teppich war grauenhaft, die Fliesen waren grauenhaft. Alles grün - das ist nicht meine Farbe.“ Ihm sei ebenfalls Kanalisationsgeruch aufgefallen, sagt der 46-Jährige, außerdem habe man beim Wegrücken der Möbel einzelne Schimmelstellen entdeckt.

Ob wirklich alles kaputt gewesen sei, daran könne er sich nicht erinnern. &bdquo;Wir haben uns entschieden, kernzusanieren. Dann guckt man nicht mehr so genau hin.“ Die Nichte der Angeklagten verweigert die Aussage gegen ihre Tante, das ist bereits das dritte Mal. Gegen die 26-Jährige wird an anderer Stelle ermittelt.

Der Prozess geht am 2. Juni weiter.

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