Kanzlei-Mitarbeiterin vor Gericht: Weshalb Tränen fließen und ein Verteidiger raus ist

Detmold. Der Druck vor einer möglichen Gefängnisstrafe scheint real zu sein. Als sie das erkennt, kann die wegen Betrugs und Beihilfe zur Untreue angeklagten Kanzlei-Mitarbeiterin ihre Tränen nicht zurückhalten. An Prozesstag 20 läuft vieles anders als gewöhnlich. Damit das seit Monaten andauernde Verfahren während der Sommerpause nicht platzt, muss die Große Wirtschaftsstrafkammer den Prozess extra an einem Samstagmittag fortsetzen.

Nicht nur der Termin sticht heraus. Überraschend bleibt der Platz von Wahlverteidiger Hans Peter Gunkel, der die Kammer zuletzt mit etlichen Beweisanträgen beschäftigt hatte , unbesetzt. Nur wenige Tage zuvor soll die Angeklagte sich von ihm getrennt haben. &bdquo;Es hat nicht gepasst“, sagt die 32-Jährige auf dem Flur. Seine Kanzleikollegin Laura Kipshagen führt das Mandat nun kurz vor der Zielgeraden allein weiter.

Neuer Verteidiger stellt Anklage infrage Daneben hat die angeklagte Detmolderin an diesem Samstagmittag mit Verteidiger Manfred Ernst Masuhr überbrückungsweise einen anderen Pflichtverteidiger an ihrer Seite, der sich direkt inhaltlich einmischt. &bdquo;Für mich ist unverständlich, welche Rechtsfolgen hier drohen“, sagt Masuhr. Einen sittenwidrigen Kaufvertrag sieht er nicht. Der Detmolder Anwalt war in diesem Verfahren schon mal als Zeugenbeistand für die Nichte der Angeklagten aufgetaucht. Einen Konflikt sieht die Kammer darin nicht.

Die Anklagevorwürfe als solche passten aus Sicht des Verteidigers nicht zu seiner Mandantin. Demnach soll die Rechtsanwaltsfachangestellte unter anderen mithilfe ihrer ebenfalls vor Gericht stehenden Ex-Chefin eine betreute Seniorin zu einem viel zu geringen Kaufpreis um deren Wohnung gebracht haben.

Ausschlaggebend dafür sei eine viel zu niedrig angesetzte Wertermittlung gewesen, die ein ehemals mitangeklagter Immobilienmakler erstellt hatte . Masuhr: &bdquo;Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese kriminelle Energie von der Person ausgeht, die hier neben mir sitzt.“

Seiner Meinung müsse der Fokus eher auf die vorrangig als gesetzliche Betreuerin tätig gewesene Anwältin gelegt werden. Schließlich sei das Verfahren für seine Mandantin existenzvernichtend, obwohl eigentliche eine andere Frau dahinterstecke. Masuhr wirft daher die Frage nach einem möglichen Rechtsgespräch auf. Darin geht es häufig darum, den Verfahrensstand zu erörtern und auch abzuwägen, welches Strafmaß im Falle eines Geständnisses infrage kommen könnte.

Staatsanwaltschaft: Gesprächsangebot kommt zu spät Oberstaatsanwalt Christopher Imig macht an dieser Stelle deutlich, dass solch ein Angebot nach mehr als 20 Verhandlungstagen am Ende der Beweisaufnahme zu spät kommt. Für die Staatsanwaltschaft sei ein Gespräch nur interessant, wenn die Angeklagte ihre ehemalige Chefin &bdquo;ans Messer liefern würde“.

Selbst das sei aber letztendlich zu spät, hält Imig fest. &bdquo;Vor zwei Jahren habe ich den damaligen Verteidigern das Angebot gemacht, was passiert, wenn sie gegen Frau X. [ Anmerkung d. R.: Name der angeklagten Anwältin ] aussagt.“ Die ehemalige Kanzlei-Mitarbeiterin hätte sich aber weggeduckt, sagt Imig.

Als existenzvernichtend empfindet der Oberstaatsanwalt das Verfahren gegen die Angeklagte dagegen nicht, auch wenn möglicherweise eine Haftstrafe dabei herauskomme, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Schließlich käme auch ein offener Vollzug infrage.

Diese Sätze sind es, die die Angeklagte emotional offenbar nur schwer wegstecken kann. Das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen, wie es Verteidigerin Laura Kipshagen vorsichtig anspricht, kommt für Imig ebenfalls nicht infrage.

Darüber hinaus lehnt die Kammer unter dem Vorsitz von Richterin Katharina Schikowski an diesem Fortsetzungstermin vier gestellte Beweisanträge ab. Acht weitere stellen die Verteidiger am Samstag noch, um weitere Zeugen zu hören. Es werden die letzten Beweisanträge sein, die Kammer hatte eine entsprechende Frist gesetzt.

Der Prozess wird am 18. August fortgesetzt. Dann könnte es ein Urteil geben.

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