Was tun nach dem Schockanruf? Experten der psychosozialen Beratung in Lippe geben Tipps

Kreis Lippe. Es war einer der schrecklichsten Momente in ihrem Leben, wie Barbara M. (Name geändert) sagt: An einem Mittwoch im Juni klingelt das Telefon, ihre Tochter ist dran. Weinend, schluchzend sagt sie ihrer Mutter, es sei etwas Schreckliches passiert. Dann meldet sich ein - vermeintlicher - Polizist. Barbara M. sei sofort emotional gefangen gewesen, hätte am Ende beinahe 44.000 Euro überwiesen. Dabei war der Polizist nicht echt, die junge Frau am Telefon nicht ihre Tochter. Barbara M. wäre um ein Haar das Opfer eines Telefon-Betrugs geworden , der Anruf machte ihr auch Tage und Wochen später noch zu schaffen. Und damit ist sie nicht allein. Doch was durchleben Menschen, die so etwas erfahren, und was raten Experten?

&bdquo;Ich war so aufgewühlt“, sagt Barbara M., die Stimme sei so echt gewesen. Noch Wochen später sei sie mit dem Gedanken an diesen Anruf aufgewacht und eingeschlafen. Immer wieder beschäftigte sie die Frage, wieso sie beinahe darauf hereingefallen sei. Auch andere Leser haben sich gemeldet und von ähnlichen Erfahrungen berichtet. &bdquo;Dieses Erlebnis hat mich lange nicht losgelassen“, schreibt einer und auch, dass die ganze Wut beim Gedanken an die Situation wieder hochkomme. In dem Fall sei es der &bdquo;Enkel“ gewesen, der angeblich einen Menschen bei einem Unfall getötet hätte. Eine andere Leserin erzählt, dass sie ein solcher Anruf noch nach Monaten belaste, sie wiederum aber den Austausch mit anderen Betroffenen suche, um das Geschehene zu verarbeiten.

Wenig Beratung, aber private Erfahrungen Annegret Koralewicz von der psychosozialen Beratung der AWO in Lippe hat noch keinen Fall in ihrem beruflichen Umfeld gehabt, bei denen Menschen nach einem Betrugsanruf psychisch leiden. Allerdings habe sie in ihrem privaten Umfeld einen Fall erlebt, bei dem eine Witwe nach Veröffentlichung der Todesanzeige Opfer eines Schockanrufes geworden sei. Zum Glück sei die Dame in dem Moment nicht allein gewesen. &bdquo;Da in der Todesanzeige die Adresse und das Datum der Bestattungsfeier genannt wurden, befürchtete sie im Anschluss, dass Einbrecher das Haus aufsuchen könnten, und sie fühlte sich eine ganze Zeit lang sehr unsicher in ihrer eigenen Wohnung.“ Sie rät, in solchen Anzeigen nicht zu viele private Daten zu nennen.

Auch Carolin Kulesa von der psychosozialen Beratung des Arbeiter-Samariter-Bunds OWL in Lemgo kennt privat einen solchen Fall. &bdquo;Allgemein lässt sich feststellen, dass viele ältere Menschen durch diese Betrugsmaschen sehr ängstlich und misstrauisch geworden sind“, die Tür nicht mehr öffneten und bei Mobilnummern oder fremden Telefonnummern nicht ans Telefon gingen. Und auch wenn - wie in dem Fall, von dem Carolin Kulesa berichtet - kein psychisches Leiden eintritt, habe sich das Opfer anfangs Vorwürfe gemacht und Selbstzweifel gehabt, wie es auf diese Masche habe reinfallen können.

Normale Reaktionen und Emotionen &bdquo;Menschen, die psychisch stabil sind und zusätzlich ein funktionierendes soziales Umfeld haben, können das relativ gut verkraften“, ist Annegret Koralewicz überzeugt. Diejenigen aber, die sich gerade in einer labilen psychischen Phase befinden oder schwer erkrankt sind, empfänden solche Anrufe als Bedrohung und könnten zum Beispiel Angststörungen entwickeln.

Wichtig sei, über das Geschehene zu reden und es öffentlich zu machen - ohne Scham, betonen beide Beraterinnen. Denn wenn Betroffene erfahren, dass auch andere Opfer solcher betrügerischen, schockierenden Anrufe werden, sei es für sie einfacher, sich Hilfe zu holen und zu erkennen, &bdquo;dass die eigene Reaktion auf so einen Schockanruf völlig verständlich und normal ist“, betont Annegret Koralewicz. Solche Anrufer nutzten normale Emotionen und Reaktionen schamlos für ihren eigenen Vorteil aus. &bdquo;Nicht die Opfer, sondern die Anrufer sollten sich schämen.“

Über das Erlebnis sprechen Betroffenen sollten über das Geschehen sprechen, eventuell einige Tage bei Verwandten oder Freunden unterkommen oder sie bei sich wohnen lassen. &bdquo;Alle Maßnahmen, die das Gefühl von Sicherheit in den eigenen vier Wänden wiederherstellen können, sind hilfreich“, betont Annegret Koralewicz. Dazu könne gehören, die Telefonnummer zu ändern, eine Beratung durch die Polizei für Einbruchsicherung, ein Hausnotruf, eine Trillerpfeife neben dem Telefon. &bdquo;Wenn das alles nicht hilft, mit dem Hausarzt darüber sprechen – der kann meistens einschätzen, ob auch professionelle Hilfe notwendig ist.“

Prophylaktisch könne man sich mit Nachbarn absprechen, um sich in so einer Situation kurzfristig bei ihnen zu melden. &bdquo;Eine nicht emotional betroffene Person reicht häufig schon aus, um die Situation aufzulösen.“ Auch eine Art Code-Wort innerhalb der Familie könne bei so einem Anruf einen entscheidenden Hinweis auf die Echtheit der Geschichte liefern, ergänzt Carolin Kulesa. &bdquo;Im Zweifel würde ich ansonsten immer auflegen und im Anschluss die Polizei selber kontaktieren.“

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