Urteil gefallen: Gericht hält Kanzlei-Mitarbeiterin aus Detmold für schuldig

Detmold. Sie wirken fassungsloser als ihre Mandantin selbst. Kopfschütteln, offene Münder, Stirnrunzeln: Während die Vorsitzende Richterin Katharina Schikowski nach neun Monaten Beweisaufnahme das Urteil verkündet, ist vor allem der Verteidigung anzumerken, wie wenig sie davon hält. Am Ende steht für die Große Wirtschaftsstrafkammer fest: Die angeklagte Ex-Kanzlei-Mitarbeiterin hat sich aus Sicht des Gerichts wegen Betrugs in drei Fällen - davon einmal in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue - schuldig gemacht.

Die Kammer verurteilt die 32-jährige Detmolderin daher zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. Darüber hinaus soll die Angeklagte den entstandenen Schaden von 41.742 Euro zurückzahlen und 80 Sozialstunden am Landgericht Detmold leisten, insofern das Urteil rechtskräftig wird. Die Bewährungszeit wird für drei Jahre festgesetzt.

Gericht ist von Schuld der Kanzlei-Mitarbeiterin überzeugt Nach 21 Prozesstagen ist die Kammer überzeugt davon, erklärt die Vorsitzende Richterin, dass die gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte im Jahr 2021 mithilfe ihrer parallel angeklagten Ex-Chefin einer zeitweise betreuten Seniorin einen viel zu geringen Verkaufspreis für deren Wohnung vorgaukelte - und sie dann für wenig Geld um ihr Eigentum brachte.

Im Fokus der Täuschung steht aus Sicht des Gerichts eine viel zu niedrige Wertermittlung, die der dafür beauftragte und ehemals mitangeklagte Immobilienmakler erstellt hatte. Sein Verfahren hatte die Kammer im Laufe der Beweisaufnahme gegen eine Geldauflage von 5000 Euro eingestellt.

Selbst der Makler hatte diese erste Analyse im Zeugenstand als &bdquo;wertlos“ bezeichnet, bestellt hatte das Schriftstück die vorrangig als gesetzliche Betreuerin tätig gewesene Anwältin. Davon geht die Kammer aus. Der Makler hatte mit rudimentären Daten einen ersten Wert von 87.000 Euro ermittelt, der niemals einem Kaufinteressenten hätte vorliegen dürfen. Das besagte Objekt ist nach einem vom Gericht beauftragten Gutachten abschließend auf rund 124.772 Euro geschätzt worden. Nach Abzug von Entrümpelungskosten bekam die Seniorin damals 82.500 Euro - für eine Wohnung in bester Lage im Herzen Detmolds.

Chats und Videos belasten Angeklagte Zwar hatte die Seniorin selbst vor Gericht angegeben, die Wertermittlung nicht gesehen zu haben, mehrere Indizien und Aussagen widerlegten das aber. Für die Kammer zählt der Chat zwischen den beiden inzwischen gesondert angeklagten Frauen als wichtiges Indiz für den Betrug. &bdquo;Hätte nicht gedacht, dass er das so günstig hinkriegt, was den Preis angeht“, hatte die angeklagte Kanzlei-Mitarbeiterin geschrieben. &bdquo;Richtig, das habe ich für Sie gemacht“, antwortet ihre Chefin in einer Sprachnachricht.

Für den Plan spreche aus Sicht der Kammer auch ein per Video später aufgezeichnetes Telefonat zwischen der Kanzlei-Mitarbeiterin und der Seniorin, in dem die 32-Jährige wiederholt auf die alte Frau einredet. Die angeklagte Anwältin gibt ihr dabei Fragen vor und filmt mit. &bdquo;Wenn wirklich alles mit rechten Dingen zugegangen ist, warum macht man dann so etwas?“, fragt die Vorsitzende.

Alle drei Verteidiger beantragen vor einem gut besetzten Zuschauerraum, ihre Mandantin freizusprechen. Der Wohnungsverkauf sei ein völlig reguläres Rechtsgeschäft gewesen, begründen sie. Die Kammer geht mit dem Argument der &bdquo;Privat-Autonomie“ nicht mit. &bdquo;Natürlich muss ein Kaufpreis nicht dem Wert entsprechen“, sagt Richterin Schikowski. &bdquo;Es kann aber nicht einfach ein falscher Wert vorgespielt werden, das ist nun mal Betrug.“

Das Urteil bleibt am Ende weit unter dem Antrag von Oberstaatsanwalt Christopher Imig und Staatsanwalt Moritz Lange. Die plädieren für eine Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hatte sich die Angeklagte äußerst &bdquo;niederträchtig und schäbig“ verhalten.

Staatsanwaltschaft kritisiert Tatplan &bdquo;Das war schon frech, wie man uns hier dreckig ins Gesicht gelogen hat“, sagt Imig. Der Oberstaatsanwalt glaubt nicht, dass eine Bewährungsstrafe der Angeklagten das Unrecht ihrer Taten begreifbar machen kann. Es sei keine Gelegenheitstat gewesen, sondern geplant. &bdquo;Sie hat es sich zunutze gemacht, eine alte Frau um den Finger zu wickeln“, sagt Imig. Dabei sei es nicht bei dieser einzigen Tat geblieben.

Die Kammer sieht es ebenfalls als erwiesen an, dass die 32-Jährige im Jahr 2021 und 2022 bei einem von ihrer Chefin betreuten Senior einen Minijob anfing, aber die ausgemachten Besuchsdienste in einem Lemgoer Altenheim gar nicht durchführte, dafür aber Geld kassierte. Das ergebe sich aus den vielen Zeugenaussagen, sagt die Vorsitzende. Es geht um knapp 4550 Euro. Sie hätte eigentlich zweimal die Woche für mehrere Stunden da sein sollen.

Nur ein bis zweimal Mal sei die Angeklagte nachweislich in dem Altenheim gewesen, um den Mann zum Zahnarzt zu bringen, sonst habe sie niemand dort gesehen. Die Pflegekräfte hätten sich darüber hinaus ausgetauscht, wie traurig es gewesen sei, dass niemand mehr den alten Mann besucht habe. Oberstaatsanwalt Imig wird dazu deutlich: &bdquo;Sie hat ihn mehr oder weniger in Einsamkeit verrecken lassen.“

Die Aussagen der Zeuginnen, die die Verteidigung zum Gegenbeweis angebracht hatte, erschüttern diese Beweislage aus Sicht des Gerichts nicht. Sie hätten nur vom Hörensagen berichten können, ob die Angeklagte den schwer pflegebedürftigen Mann besucht hätte. Die Aussagen passten aber nicht aufeinander, sagt die Vorsitzende.

Die Verteidigung hat jetzt noch die Möglichkeit, das Urteil durch den Bundesgerichtshof überprüfen zu lassen. Ob sie das tun, ist noch offen. Die angeklagte Anwältin hatte am Montagmorgen kurz selbst auf der Anklagebank gesessen (Prozesstag 26), sich das Urteil gegen ihre ehemalige Mitarbeiterin aber nicht mehr angeschaut. Ihr Prozess geht am 3. September weiter. Auch dieses Verfahren geht langsam auf die Zielgerade.

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