Augustdorf. Als der Ukraine-Krieg ausgebrochen ist, stand sein Telefon nicht mehr still. „Ich habe bis tief in die Nacht viele Gespräche geführt, Kameraden haben ihre Sorgen und Ängste geteilt“, erinnert sich Militärpfarrer Mateusz Szeliga. Dieses Füreinanderdasein – und das jederzeit – zeigt den Stellenwert, den die Militärseelsorge innerhalb der Bundeswehr einnimmt. Und das bedeutet auch, dass Szeliga die Soldaten sogar bei Auslandseinsätzen begleitet. Seit 2022 gehört Mateusz Szeliga zum katholischen Militärpfarramt Augustdorf. Der Militärpfarrer ist häufig die erste Anlaufstelle für Soldaten der Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne, wenn diese das Gespräch suchen. „Die Themen sind dabei ganz unterschiedlich. Es geht um Liebe und Partnerschaft, finanzielle Schwierigkeiten und auch um Trauer, wenn etwa ein Familienmitglied im Sterben liegt“, sagt Szeliga. Es gehe ihm vor allem darum, zunächst erst mal zuzuhören, um dann gemeinsam herauszufinden, was der Kamerad braucht und ihm anschließend Optionen aufzuzeigen. Pfarrer im Auslandseinsatz Um das zu ermöglichen, ist Militärpfarrer Szeliga immer sehr nah dran – und begleitet seine Kameraden sogar zu Einsätzen ins Ausland. Was auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich erscheint, ist für Szeliga selbstverständlich, denn er möchte jederzeit erreichbar sein. „Dabei entstehen auch ganz zufällig Gespräche, die sich sonst vielleicht nicht ergeben hätten“, betont Szeliga und erinnert sich an eine besondere Situation: „Ich habe beim Aufziehen einer Panzerkette geholfen. Nachdem die Kameraden zunächst sehr verwundert darüber waren, kamen wir anschließend ins Gespräch.“ Es veranschaulicht den Auftrag der Militärseelsorge auf ganz eindrückliche Weise: „Wir sind für euch da, egal wo ihr dient. “ Solche Erfahrungen zu machen, wie das Aufziehen einer Panzerkette, ist für den Militärpfarrer ein Anliegen: „Wenn ich mitmache, kann ich viel besser verstehen, welche Gefühle bei den Soldaten entstehen, wenn sie so etwas erledigen müssen.“ In Auslandseinsätzen und in der Vorbereitung darauf ist die Militärseelsorge besonders stark verwurzelt. Überbringung einer Todesnachricht Muss ein Soldat denn katholisch sein, um sich an ihn wenden zu können? „Nein, auf gar keinen Fall“, betont Szeliga. Die Militärseelsorge sei für alle Menschen da – ganz gleich, ob sie gläubig sind, noch auf der Suche nach dem Glauben oder vielleicht auch überzeugte Atheisten. „Ich habe für jeden, der zu mir kommt, ein offenes Ohr.“ Dass der Inhalt eines Gesprächs mit Militärpfarrer Szeliga vertraulich behandelt wird, ist selbstverständlich. Er unterliegt der Schweigepflicht, und das Gespräch findet in einer geschützten Umgebung statt. Dies sei auch ein Grund dafür, weshalb sich Soldaten dem Militärpfarrer einfacher öffnen könnten, als beispielsweise dem Vorgesetzten. Doch Mateusz Szeliga ist nicht nur für die Soldaten da, sondern auch für deren Angehörige. Er habe etwa vor einiger Zeit einen sterbenden Kameraden begleitet, nun hat er immer noch Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Es gehört auch dazu, dass der schlimmste Fall geübt werden muss. Daher hat Militärpfarrer Szeliga an einer Übung der Truppenpsychologie teilgenommen, in der die Überbringung einer Todesnachricht an Hinterbliebene simuliert wurde. „Da haben wir extra mit Schauspielern gearbeitet“, sagt Szeliga. Denn eines ist ihm bewusst: So etwas kann immer passieren, und darauf muss er vorbereitet sein. Und auch wenn solche Situationen für niemanden leicht sind, gefällt Szeliga seine Arbeit als Militärpfarrer sehr gut: „Ich arbeite sehr gerne mit jungen Menschen zusammen, das kann ich hier in Augustdorf sehr gut ausleben“, betont er. Anlaufstelle für im Einsatz geschädigte Soldaten Der Militärpfarrer ist Teil des Psychosozialen Netzwerkes der Bundeswehr. Dieses Netzwerk besteht aus vier Fachbereichen: Der Militärseelsorge, der Truppenpsychologie, dem Truppenarzt und dem Sozialdienst der Bundeswehr. Sie wirken direkt zusammen und setzen sich für jeden einzelnen Soldaten ein. „So etwas ist im zivilen Bereich nicht zu finden“, betont Oberstabsfeldwebel Tino (Anmerkung der Redaktion: Auf Wunsch der Bundeswehr wird lediglich der Dienstgrad und der Vorname genannt). Er ist am Standort in Augustdorf Lotse für einsatzgeschädigte Soldaten und arbeitet eng mit den einzelnen Fachbereichen des Psychosozialen Netzwerkes zusammen. Oberstabsfeldwebel Tino ist ein Bindeglied zwischen den einzelnen Fachbereichen, vor allem aber kümmert er sich um Soldaten, die durch einen Einsatz körperlich geschädigt oder seelisch angegriffen sind. „Ich bin kein Pfarrer, bin kein Arzt, aber ich bin ein Ansprechpartner für die Soldaten und kann sie in die richtigen Wege lotsen“, sagt er. Es geht ihm darum, Halt zu geben und zu zeigen: Du bist nicht allein, und deine Probleme können wir gemeinsam lösen. Daher treffe er sich mit den Kameraden gerne auch nur mal auf einen Kaffee, um zu reden. „Stark ist, wer Hilfe sucht“ „Die größte Hürde ist, dass der Soldat nicht akzeptiert, dass sich durch einen Einsatz etwas verändert hat“, sagt Oberstabsfeldwebel Tino. Es sei ein schleichender Prozess, den der Betroffene selbst nicht immer wahrnimmt. Daher seien es häufig Kameraden, die einen Soldaten zu ihm schicken, oder auch Angehörige, die sich bei im melden. „Wenn jemand einen Arm verliert, weiß man, was zu tun ist. Doch wenn jemand eine seelische Erkrankung hat, sieht man das nicht immer direkt, und auch die Betroffenen haben Schwierigkeiten, damit umzugehen.“ Er betont jedoch: „Aus meiner Sicht sind diejenige, die den Mut haben, sich Hilfe zu suchen, die wirklich starken Soldaten.“ Oberstabsfeldwebel Tino ist nicht nur für die Soldaten da, sondern auch für deren Angehörige: Seit 14 Jahren begleitet er eine Familie eines gefallenen Soldaten in der Trauerarbeit, dazu zählen auch regelmäßige Besuche. Die Probleme und Sorgen, mit denen die Kameraden auf ihn zukommen, seien sehr unterschiedlich: Es gehe etwa um familiäre Probleme, finanzielle Schwierigkeiten oder auch um die Themen Alkohol und Drogen. „Es ist immer individuell – und eine Option, die dem einen hilft, kann einem anderen wiederum nicht helfen.“ Mitunter sind es auch ganz pragmatische Anliegen, bei denen er unterstützen kann. So hilft er beispielsweise bei der Antragstellung im Sozialdienst, dazu gehört unter anderem der Pflegegrad und die Schwerbehinderung. Auch wenn es häufig Leidensgeschichten sind, die auch für Oberstabsfeldwebel Tino nicht immer leicht zu verarbeiten sind, freut er sich über jeden, dem er helfen kann. „Vielen der Kameraden, die bei mir waren, geht es wieder besser.“ So hätten einige nach der militärischen Laufbahn wieder im zivilen Leben Fuß gefasst. „Einer hat sogar ein Unternehmen gegründet“, sagt der Oberstabsfeldwebel. Für diese Momente lohne sich die Arbeit. Und er weiß, dass er sich selbst ebenfalls immer an Militärpfarrer Mateusz Szeliga wenden kann, wenn es ihm zu viel werden sollte. Denn eines steht fest: Bei der Militärseelsorge der Bundeswehr wird jedem geholfen, und keiner wird alleine gelassen.