Höxteraner Soldaten spielen mit Schusswaffen und Messern

Höxter. Stecken Sie fünf junge Männer mit fünf Waffen ohne tagesfüllende Aufgabe in eine Holzhütte in der Pampa. Was klingt wie ein Sozialexperiment mit vorherbestimmtem Ausgang, nennt sich bei der Bundeswehr Wachauftrag. Fünf Soldaten aus der Höxteraner General-Weber-Kaserne hatten im April 2023 einen solchen in Altengrabow, Sachsen-Anhalt, zu verrichten. Sie unterstützten dort bei der Ausbildung von Ukrainern. Knapp zwei Jahre später traf sich das Quintett wieder, vor dem Amtsgericht Höxter.

Jeremie D. (alle Namen geändert), zum damaligen Zeitpunkt Stabsunteroffizier und 24 Jahre alt, hat in der kleinen Hütte das Sagen. &bdquo;Das nannte sich brauner Busch“, erklärt Jeremie D. und beschreibt ein Munitionslager außerhalb der Kaserne in Altengrabow. Dieses galt es zu bewachen. Dreimal am Tag schickte er seine vier Soldaten in verschiedenen Zweierbesetzungen auf Patrouille. Ansonsten musste mal eine Schleuse geöffnet werden. Zwischendurch kamen &bdquo;Pioniere, die holten Munition, um die Ukrainer auszubilden“. Regelmäßige Gäste waren außerdem Reinigungskräfte und Mitarbeiter einer Baufirma. &bdquo;Sonst gab es nicht viel Bewegung am Munitionslager.“

Eine Woche lang waren D. und die anderen Soldaten am braunen Busch eingeteilt und hielten sich wohl am ersten Tag noch ganz wacker. &bdquo;Das Problem kam da auf, wo das Ganze zu locker, als Partyauftrag, gesehen wurde.“ Diese straffe Zusammenfassung der Ereignisse stammt von Cedric F., damals Untergebener von Jeremie D. und nach eigener Aussage &bdquo;kleiner Hauptgefreiter“.

Sturmgewehre und Pistole in der Wachhütte Cedric F. zufolge wurde in der Zeit &bdquo;maßlos getrunken“. Zwar nicht während des Dienstes, aber abends in der Kaserne. Bis es dem Feldwebel zu bunt wurde und er die Soldaten zur Ordnung mahnte. Die fühlten sich daraufhin wohl kreativ herausgefordert. &bdquo;Der Alkohol wurde umgefüllt in Trinkpakete“, schildert F. Um Alkohol ging es aber in der Hütte nicht. &bdquo;Es kam zu Verfehlungen, was die Waffenvorschriften angeht“, sagt Cedric F. Und zwar laut F. durch insgesamt drei der fünf Herren.

Zur Wachübergabe wurden regelmäßig alle Waffen übersichtlich auf einem Tisch drapiert. In der Hütte gab es eine Pistole P8 für den Wachhabenden, Jeremie D., und vier G36-Gewehre, die die übrigen Soldaten mit auf Streife nahmen. Zur Übergabe sollten sie entladen werden. Das musste wohl auch bei einer Begebenheit geschehen sein, die Cedric F. dem Gericht schildert. Mitbekommen habe er das Entladen allerdings nicht, sagt F. Er habe auf sein Handy geschaut, als er neben sich ein Klicken vernahm. Er sah sich um und erblickte die Pistole, auf ihn gerichtet. &bdquo;Hast du mich gerade abgeschossen?“, habe er den Kameraden angefahren, woraufhin dieser, ein weiterer und Jeremie D. nur gelacht hätten.

Soldat berichtet: &bdquo;Ich hatte Angst vor ihm“ F. habe verstanden, dass es sich um Spaß handele, sich nicht wirklich bedroht, wohl aber gemobbt gefühlt. Er habe sich irgendwann aus der Gruppe zurückgezogen, was durch die anderen dem Feldwebel gemeldet wurde. Zur &bdquo;Strafe“ habe F. einen Vortrag über den aktuellen Stand des Ukraine-Krieges vorbereiten und halten müssen. &bdquo;Dabei haben sie mich auch noch gestört“, sagt F. und meint die drei Kameraden.

Kai T., ein anderer Wachsoldat, hat in der Hütte Ähnliches erlebt wie Cedric F., er wertete es allerdings anders. Einer der Soldaten, der Jeremie D. unterstellt war, habe eine geladene Waffe auf ihn gerichtet. &bdquo;Ich hatte definitiv Angst vor ihm“, sagt Kai T. Der Kamerad sei nach der Trennung von seiner Freundin &bdquo;nicht zurechnungsfähig“ gewesen, habe auf der Fahrt zum braunen Busch angekündigt, Jeremie D. ins Lenkrad greifen und den Achtsitzer gegen einen Baum fahren zu lassen. &bdquo;Er war Alkoholiker oder an der Grenze zum Alkoholismus, sagen wir’s mal so.“

Soldat soll Kameraden Messer an den Hals gehalten haben Zwar habe Jeremie D. dem Kameraden am Tag der Trennung aus den Diensten herausgenommen. &bdquo;Ein, zwei Tage später hatte er aber wieder die Waffe in der Hand.“ Besagter Kamerad mit Herzschmerz habe - wie ein weiterer Kamerad - auch ein eigenes Messer gehabt. &bdquo;Zum Wurstschneiden“, wie Vorgesetzter Jeremie D. betont. Laut Kai T. sind diese Messer allerdings auch zum Nahkampfanschauungsunterricht verwendet worden.

&bdquo;Uns wurde das Messer mit der stumpfen Seite an den Hals gehalten oder an den Bauch.“ Wenn nicht derartig verwendet, seien die Waffen durch die Hütte geflogen, also &bdquo;als Wurfmesser“ missbraucht. Laut Kai T. habe Jeremie D. dies &bdquo;definitiv mitbekommen“. D.: &bdquo;Mir ist nichts bekannt.“

So ging es für die Soldaten in der Hütte weiter Mit dem Vorgesetzten sei er eigentlich ganz gut klargekommen, sagt Kai T. Allerdings habe er das Gefühl gehabt, D. habe sich vor den anderen beiden Kameraden beweisen wollen. Dabei habe er aber die Grenzen gekannt. Er habe mal demonstriert, wie schnell er die Pistole aus dem Holster ziehen könne, aber nicht den &bdquo;spielerischen Umgang“ mit den Waffen gepflegt wie die beiden anderen Kameraden. Unterbunden habe er den jedoch auch nicht.

Die beiden Kameraden mit Herzschmerz und Spieltrieb wurden und werden übrigens gesondert strafrechtlich verfolgt. Das Verfahren gegen den von der Freundin Verlassenen wurde gegen eine Geldzahlung eingestellt. Der Verfahrensstand bei dem anderen Kameraden ist nicht bekannt.

Cedric F. sagt, er habe therapeutische Hilfe in Anspruch genommen und sich in eine andere Kompanie versetzen lassen. Kai T. war ohnehin nur übergangsweise wieder beim Bund. Er ist mittlerweile Polizist. Jeremie D. dient weiterhin. Auch sein Verfahren wegen Wachverfehlung und Herabwürdigung einer Person wird eingestellt, wenn er eine Geldauflage von 3.000 Euro anteilig an ein Kinderhospiz und die Lebenshilfe leistet.

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